Abgasskandal und Klimaschutz, Lobbying, Staatshilfe und Dividende, Export von Militärfahrzeugen und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten: Unsere Fragen an die Daimler AG

Gemeinsamer Protest von Ohne Rüstung Leben, Fridays for Future und Dachverband bei der Daimler-Hauptversammlung 2019 in Berlin

46 Fragen des Dachverbands an Vorstand und Aufsichtsrat der Daimler AG zur Hauptversammlung am 8. Juli 2020

A. Abgasskandal und Klimaschutz

  1. Was sagen Sie zu den Berichten, in denen immer wieder über Lieferschwierigkeiten und Bestellstopps für einzelne Fahrzeuge berichtet wird? Sind die Ursachen für Lieferschwierigkeiten und Bestellstopps darin zu sehen, dass Nachfragepotentiale beispielsweise beim Smart EQ oder dem Mercedes A 250e unterschätzt wurden? Welche Optionen wurden in den Lieferverträgen für die elektrischen Komponenten des Smart EQ aufgenommen, um Lieferengpässe bei erhöhter Nachfrage (wie sie jetzt hierzulande vorliegt) zu vermeiden? Wie viele Fahrzeuge der Reihen Smart EQ fortwo und Smart EQ forfour wurden weltweit 2019 und im ersten Halbjahr 2020 verkauft (bitte nach Absatzländern aufschlüsseln)?
  2. Gerne betont die Daimler AG: Die Zukunft fährt elektrisch. Wie erklären sie dann, dass es im aktuellen Portfolio mit dem EQC, dem EQV, der Smart EQ fortwo, dem Smart EQ fortwo Cabrio und dem Smart EQ forfour lediglich fünf rein elektrische Modelle gibt?
  3. Welche Summe investiert die Daimler AG in 2020, 2021 und 2023 in Elektromobile?
  4. Welche Summe investiert Daimler 2020, 2021 und 2023 in Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor?
  1. Plant die Daimler AG ihre Kund*innen durch zusätzliche, praxisnähere Angabe zu Kraftstoffverbräuchen der Fahrzeuge besser zu informieren? Was sagen Sie dazu, dass besonders bei Fahrzeugen mit Plug-in-Hybrid-Technologie die offiziellen Normwerte und die realen Verbrauchswerte weit auseinanderliegen und der reale Verbrauchswert auch vor allem von Größe, Gewicht, Motorleistung des Verbrennungsmotors und vom Anteil der rein elektrisch zurückgelegten Kilometerleistung abhängt? Wie plant die Daimler AG die Käufer*innen von Plug-in-Hybriden zukünftig besser über die bei unterschiedlichen Nutzungsprofilen unterschiedlich hohen realen Kraftstoffverbräuche zu informieren? Sollten keine zusätzlichen Informationen geplant sein, warum nicht? Wie hoch sind die realen Durchschnittsverbräuche der einzelnen Plug-in-Hybrid-Modelle (bitte aufzählen)? Plant die Daimler AG zukünftig den Bau von Fahrzeugen mit Range Extender und wenn nein, warum nicht? 
  1. Mit der Mercedes X-Klasse wurde die Produktion eines Modells der Daimler AG nach nur 2 ½ Jahren eingestellt. Welche erwarteten Absatzzahlen waren Grundlage, dieses Modell 2017 auf den Markt zu bringen und welche tatsächlichen Absatzzahlen hat dieses Modell in den Jahren 2018 und 2019 weltweit erreicht?
  1. Wie hoch ist der Aktienanteil, den Black Rock oder eine ihrer Tochterfirmen an der Daimler AG hält? Hat die Daimler AG, ähnlich wie es offenbar bei der schwedischen Volvo Group war, von Black Rock einen Brief bezüglich der klimapolitischen Ausrichtung des Konzerns erhalten? Wenn ja, wie war die Reaktion auf diesen Brief?
  1. Wie erklären sie, dass die durchschnittlichen CO2-Flottenemissionen der 2019 in Europa zugelassenen Neufahrzeuge (Pkw) der Daimler AG laut Geschäftsbericht (S. 100) nicht wie angestrebt gesunken, sondern mit 137 g/km CO2 im Vergleich zu 2018 (132 g) und 2017 (125 g) sogar weiter angestiegen sind? Können sie trotz der offensichtlichen Lieferschwierigkeiten für einzelne Modelle ausschließen, dass die Daimler AG die CO2-Flottengrenzwerte auf EU-Ebene für die Jahre 2020 und 2021 überschreitet, was Strafzahlungen mit sich bringen würde?
  1. Wie beurteilen sie mit Blick auf das höchstrichterliche Schadensersatzurteil gegen den Mitbewerber Volkswagen ihre Erfolgschancen bei der Verhandlung vor dem BGH am 27.10.20, in dem ein Mercedes-Kunde Schadenersatz für ein von der Daimler AG hergestelltes Fahrzeug aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten „Thermofensters“ verlangt? Urteile des Bundesgerichtshofs und Einschätzungen des Europäischen Gerichtshofs lassen die Vermutung zu, dass auch auf die Daimler AG eine Klage- und Entschädigungswelle zurollen könnte. Was sagen Sie dazu? Wie ist die Daimler AG auf eine solche Klage- und Entschädigungswelle vorbereitet? Wie hoch sind die Rückstellungen, die die Daimler AG für solche Fälle gebildet hat? Wie viele außergerichtliche Vergleiche hat die Daimler AG weltweit bereits mit geschädigten Kundinnen und Kunden getroffen und wie hoch war die durchschnittliche Vergleichssumme?
  1. Erst im Mai hat Daimler-Chef Ola Källenius erklärt, dass Daimler bis Ende 2022 eine CO2-neutrale Produktion bis Ende 2022 weltweit anstrebt. Ein Bericht des Beratungsunternehmens Right von Ende 2019 zeigt jedoch von Ende 2019: Wenn alle Unternehmen eine Klimabilanz wie Daimler hätten, würde sich das Klima bis 2050 um 3,0 Grad Celsius erwärmen (https://www.right-basedonscience.de/). Bitte lösen Sie diesen Widerspruch auf und erklären Sie, wie die Daimler AG ihre Klimaziele dennoch erreichen kann.
  1. Werden auch Ziele für den Scope 3 der indirekten Treibhausgasemissionen festgelegt? Wenn ja, welche genau? Falls nicht, wieso nicht?
  1. Würden Sie Ihre Klimaziele von der Science Based Targets Initiative (SBTi) überprüfen lassen? Falls ja, wann? Falls nicht, wieso nicht?
  1. Daimler engagiert sich weiter in der Formel 1-Rennserie. Inwiefern sehen Vorstand und Aufsichtsrat der Daimler AG darin einen Widerspruch zum Unternehmensziel der Klimaneutralität?
  1. Inwiefern sehen Vorstand und Aufsichtsrat der Daimler AG wegen der Zusammenarbeit mit dem mehr als zweifelhaften Formel-1-Partner Petronas die Gefahr eines negativen Imagetransfers auf die Daimler AG?
  2. Denkt die Daimler AG über den Ausstieg aus der Formel 1 nach und, wenn ja, wann wird dieser Ausstieg erfolgen?
  3. 2014 hat die Daimler AG ihre Anteile an US-Unternehmen Tesla für 600 Mio. Euro verkauft. Experten gehen davon aus, dass der Wert dieser Anteile vor der Corona-Krise ungefähr einem Drittel des Gesamtwertes der Daimler AG entsprach. Nennen Sie bitte die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Daimler AG, die sich für den Verkauf der Tesla-Anteile ausgesprochen haben.


    B. Lobbying, Staatshilfe und Dividende
  4. Wie viele Personen arbeiten für die Daimler AG und ihre Tochterfirmen in den Konzernrepräsentanzen in Brüssel und Berlin? Wie hoch ist das Gesamtbudget der einzelnen Häuser aufgeschlüsselt in Personalkosten, Veranstaltungen und Mieten? Wie hoch waren die Zuwendungen der Daimler AG für VDA und ACEA (Europäischer Automobilherstellerverband) inklusive Jahresbeitrag im Jahr 2019? Was kostete der Stand auf der IAA 2019 insgesamt?
  5. Hat die Daimler AG vor dieser Hauptversammlung in Erwägung gezogen, dass zugunsten der finanziellen Rücklagen der Daimler AG in diesem Jahr auf die Auszahlung der geplanten 962.853.702,30 Euro Dividende verzichtet wird? Wenn nein, warum nicht? Finden sie es statthaft, dass die Daimler AG Dividenden auszahlt, während sie gleichzeitig steuerfinanzierte Staatshilfen für den Verkauf ihrer Autos bekommt?
  6. Was sagen Sie zu dem Fakt, dass die von der Daimler AG 2014 für rund 600 Mio. Euro verkauften Anteile an Tesla Inc. mittlerweile ein Vielfaches wert sind?  Wer hat diese Entscheidung zu verantworten, bei der nach Expertenmeinung der Daimler AG mögliche Gewinne entgangen sind, die ungefähr einem Drittel des Gesamtwertes der Daimler AG vor der Corona-Krise entsprochen hätte?

    C. Export von Militärfahrzeugen
  7. In welchem Wert hat die Daimler AG in den Jahren 2017, 2018 und 2019 Militärfahrzeuge exportiert? Wie hoch war der Prozentanteil davon in EU-Staaten, in Nato-Staaten/Nato-Gleichgestellte und sog. Drittstaaten? Gibt es hierbei Verträge, die anschließende Service- und Wartungsarbeiten sowie sonstige Dienstleistungen umfassen? Welche Laufzeiten haben diese?
  8. Wie viele Militärfahrzeuge wurden 2019 an die Bundeswehr geliefert?
  9. Wie viele Militär-Unimogs, Militär-Transporter und Militärlastkraftwagen wurden im Jahr 2019 in welche Länder exportiert? Wie hoch war die Stückzahl der exportierten Militärfahrzeuge pro Empfängerland sowie der jeweilige finanzielle Umfang pro Empfängerland?
  10. Wie viele Militär-Unimogs, Militär-Transporter und Militärlastkraftwagen wurden im Jahr 2019 in den ausländischen Produktionsstandorten der Daimler AG produziert und von dort in welche Länder exportiert?
  11. Welche Maßnahmen unternimmt die Daimler AG, um den Endverbleib exportierter Militärfahrzeuge zu sichern und zu verhindern, dass diese bei Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz kommen?
  12. Die Daimler AG verliert in ihrem Geschäftsbericht 2019 kein Wort über die Lieferungen von Militärfahrzeugen. Warum nicht? Welche Gründe sprechen dagegen, diesen Geschäftsbereich im Geschäftsbericht zu erwähnen?
  13. Die Daimler AG betont, dass sie „für Regierungs- und regierungsnahe Geschäfte interne Prozesse eingeführt [hat], die eine eigene kritische Überprüfung vorsehen“. Dies beinhalte im Einzelfall auch den Verzicht auf Geschäfte, „die durchaus rechtskonform abzuwickeln wären, unserer Unternehmensethik aber widersprechen“. (https://www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten/article/daimler-hauptversammlung-exporte-militaerfahrzeuge-2017-katar-saudi-arabien-tuerkei-232.html). Auf welche Geschäfte mit welchen Ländern wurde im Geschäftsjahr 2018 und 2019 verzichtet?
  14. Was ist der Daimler AG über Lieferungen von Daimler-Militärfahrzeugen aus der Türkei nach Libyen bekannt?
  15. Ende Juni haben der „Stern“ und das ARD-Magazin „Report München“ über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Genua (Italien) berichtet, im Zusammenhang mit möglichen illegalen türkischen Waffenlieferungen nach Libyen. Demnach haben Besatzungsmitglieder eines Frachters im Januar verschiedene Militärfahrzeuge der Marke „Mercedes“ – auch mit Radar und Geschützen – im Frachtraum eines Schiffs gesehen, das von der Türkei nach Tripolis (Libyen) unterwegs war. Auf Videoaufnahmen aus dem Frachtraum kann man laut der Berichte Unimogs erkennen. Einen Tag nach der Landung des Schiffs in Tripolis posteten User auf Twitter und Facebook Videos aus dem Hafen von Tripolis, auf denen man vier davonfahrende Unimogs mit Anhängern sieht. Sind der Daimler AG diese Details bekannt?
  16. Welche Konsequenzen zieht die Daimler AG aus den aktuellen Berichten von „Report München“ und „Stern“, dass offenbar Mercedes Militärfahrzeuge nach Libyen gelangten – und das trotz des seit 2011 bestehenden UN-Waffenembargos?
  17. Hat die Daimler AG diesen Vorgang gegenüber der türkischen Regierung angesprochen?
  18. Bis wann hat die Daimler AG Militärfahrzeuge aus der Produktion von Daimler in der Türkei an das türkische Militär geliefert? Bestehen bis heute laufende Lieferverträge?
  19. Bis wann hat die Daimler AG Militärfahrzeuge aus deutscher Produktion an das türkische Militär geliefert? Bestehen bis heute laufende Lieferverträge?
  20. Bestehen bis heute laufende Wartungsverträge o.ä. mit dem türkischen Militär? Wenn ja, wofür und in welchem Umfang?
  21. Wie beabsichtigt die Daimler AG in Zukunft zu verhindern, dass Militärfahrzeuge in Staaten wie Libyen gelangen, die mit einem Embargo belegt sind?
  22. Wie beabsichtigt die Daimler AG in Zukunft zu verhindern, dass Militärfahrzeuge in Staaten wie Aserbaidschan gelangen, die mit einem Embargo belegt sind?
  23. Welche Einsatzdauer veranschlagt die Daimler AG für ihre Militärfahrzeuge?
  24. Wurden in den Jahren 2010-2020 Wasserwerfer auf Basis von Daimler an Drittstaaten exportiert? Wenn ja, in welche?

D. Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten

38. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte definieren klar, dass auch Unternehmen eine Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten tragen. Daimler hat in der Vergangenheit immer wieder Geschäftsinteressen vor Menschenrechte gestellt und z.B. mit dem Apartheids-Regime in Südafrika und der argentinischen Militärjunta in den 1970er Jahren kollaboriert. Wo ist für die Daimler AG heute die rote Linie?

39. Wie für viele andere Unternehmen ist China auch für die Daimler AG ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste Markt. Gleichzeitig sind chinesische Investoren bei Daimler eingestiegen: Tenaciou3 Prospect Investment Limited hält 9,7 Prozent der Aktien und
die BAIC Group 5 Prozent. Wie stark ist der Einfluss dieser Investoren auf unternehmerische Entscheidungen der Daimler AG?

40. Es ist unbestritten, dass in China Menschenrechte nicht ausreichend geschützt sind. Was tut die Daimler AG, um Menschenrechtsverstöße in ihrer Lieferkette zu identifizieren? Was sagen ihre chinesischen Investoren zu den Menschenrechtsverstößen?

41.  Nach Recherchen des Australian Strategic Policy Institute (Aspi) werden in China zehntausende Uiguren gezwungen, in Fabriken zu arbeiten, die internationale Firmen, darunter auch Daimler, beliefern (siehe https://www.aspi.org.au/report/uyghurs-sale). In diesem Zusammenhang wird die Firma Highbroad genannt. Ist Daimler ein Highbroad-Kunde?

42. Die Daimler AG hat nach eigenen Angaben mehr als 60.000 direkte Lieferanten, die wiederum eigene Lieferanten haben. Manchmal bestehe eine Lieferkette aus bis zu sieben Unterstufen, so das für Integrität und Recht zuständiges Vorstandsmitglied Renata Jungo Brüngger, „Rechtlichen Zugriff haben wir aber nur auf unsere direkten Lieferanten.“ (https://www.daimler.com/nachhaltigkeit/menschenrechte/menschenrechte-sind-nicht-einfach-da.html). Was ist mit den Zulieferern ihrer direkten Lieferanten?

43. Die Daimler AG prüft nach eigenen Angaben mit ihrem „Human Rights Respect System“ „risikobasiert und systematisch“ die eigenen Gesellschaften und Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten. Was bedeutet das konkret?

44. Wie gestaltet sich der Dialog mit den Lieferanten? Finden auch unangemeldete Inspektionen statt?

45. Wie viele Lieferanten haben zwischen 2015 und 2020 gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten verstoßen? Wie viele Verstöße haben Sie in diesem Zeitraum insgesamt festgestellt? Um welche Verstöße hat es sich gehandelt? Bitte nennen Sie konkrete Fälle (Länder, Art der Verstöße)? 

46. Welche Konsequenzen hat die Daimler AG für diese Lieferanten gezogen?

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