Rede Barbara Happe

Sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand und Aufsichtsrat der Munich Re, werte Aktionäre und Aktionärinnen,

mein Name ist Dr. Barbara Happe und ich arbeite seit 15 Jahren als Finanzreferentin bei der  Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.

Zugleich bin ich heute auch hier als Vorstandsmitglied des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Ich möchte hier heute über das Thema Nachhaltigkeit bei der Munich RE sprechen.

Wie die ernüchternden Berichte von Frau Glass und Bischof Kräutler aus Brasilien im weiteren Verlauf der heutigen Debatte noch zeigen werden, sind die Folgen des Belo Monte Staudamms im brasilianischen Amazonas in der Tat enorm, gerade jetzt, wo die Umsiedlungen unter CHAOTISCHEN BEDINGUNGEN laufen und der Stausee bald geflutet werden soll. Menschen werden zwangsumgesiedelt, Grundrechte auf Konsultation und Mitbestimmung missachtet, darüber hinaus sind zahlreiche der Baufirmen noch in einen riesigen  Korruptionsskandal verstrickt etc. pp – und die Munich Re hat nicht einmal Kenntnis darüber, wie sich die soziale Situation vor Ort gerade darstellt, sondern glaubt, dass alles relativ rund läuft.

Herr von Bomhard, gerade Ihnen als derjenige, der das Brasilienbüro der Munich Re aufgebaut hat, als Brasilienkenner muss doch VON ANFANG AN klar gewesen sein, dass die Umsiedlung von mehreren Tausend Familien im Amazonas nicht mal eben so reibungslos funktionieren kann.

Umsiedlungen sind ein schwieriges Unterfangen, das ist klar. In der Tat: Projekte mit Umsiedlungen sind immer besonders heikel und riskant, gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern und in Regionen fernab staatlicher Kontrolle wie Amazonien umso mehr. Nicht umsonst gibt es inzwischen Finanzinstitute, die Großstaudämme, die die Vertreibung von mehr als 5.000 Menschen notwendig machen, per se nicht mehr machen. Und auch Weltbank-Präsident Jim Yong Kim hat auf der gerade zu Ende gegangenen Weltbank-Jahrestagung zugegeben müssen, dass er in großer Sorge darüber ist, wie schlecht die Umsiedlungsprogramme seines eigenen Hauses funktionieren. Selbst die Weltbank, die deutlich mehr Kapazitäten und Expertise in diesem Kontext hat als die Munich RE kann oft nicht garantieren, dass Umsiedlungen verträglich ablaufen.

Die Frage, die mich und uns als Kritische Aktionär/innen rund um Belo Monte umtreibt, ist die:

Wie passen solche Rückversicherungen zu dem von Ihnen propagierten konservativen und auf Sicherheit fußenden Risikomanagement?

Wie passt das zu Ihrer Risikoaversion, Herr von Bomhard?

Sind derartige Geschäfte wirklich vertretbare Geschäfte für die Munich Re, die gerade erst beginnt, sich beim Rückversicherungsgeschäft mit Nachhaltigkeitsthemen systematischer zu beschäftigen?

Wenn man Geschäftsbericht und CSR-Bericht aufmerksam liest, fallen nach Belo Monte auch einige kleine Veränderungen bei den Risikoüberprüfungen von Kunden und Geschäften auf: Die Munich Re hat allgemeine Absichtserklärungen wie die Prinzipien für nachhaltige Versicherungen unterzeichnet, Sie haben Fragebögen entwickelt zu sensitiven Themen, Sie schulen ihre Mitarbeiter/innen in diesem Bereich, damit diese kritisch nachfragen und auch ökologisch und sozial brisante Themen herausfischen können und Sie haben ein Reputationsrisikosteuerungs-Komitee ins Leben gerufen, das bei kritischen Fällen eingeschaltet werden kann.

Aber als jemand, der seit mittlerweile über 10 Jahren mit unterschiedlichsten Finanzinstituten über Nachhaltigkeitsstandards verhandelt, muss ich leider feststellen, dass die Munich Re mit ihrem aktuellen Regelwerk ökologisch-soziale Fehlentscheidungen in keiner Weise wirkungsvoll verhindern kann. Und dass es ohne klare Standards schlichtweg unmöglich ist, bei sensitiven Projekten zu garantieren, dass diese möglichst nachhaltig umgesetzt werden.

Vage Erklärungen, dass man Umwelt- und Sozialaspekte in die Entscheidungsfindung irgendwie mit einfließen lassen will, dass man kritische Fragen stellt und dass es irgendwie auch die Möglichkeit gibt, bestimmte kritische Projekte auf höchster Ebene entscheiden zu lassen, machen noch lange kein funktionierendes Risikomanagement aus.

Die Bemühungen der MunichRe sind noch sehr halbherzig und letztlich ist die Quintessenz des Ganzen doch: bloß keine Ausschlusskriterien, man will bei flexiblen Fall-zu-Fall-Entscheidungen bleiben und letztlich soll fast jedes Geschäft im Dialog mit dem Kunden noch absicherungsfähig bleiben.

ABER: Wer glaubwürdig und nachhaltig sein will, muss bereit sein, klar und deutlich zu sagen, was mit ihm geht und was nicht.

Ein paar grüne (Fragen-)Tupfer und ansonsten „business as usual“ – das genügt nicht.

DENN: Ohne klare Wertmaßstäbe, werte Herren und Damen von Vorstand und Aufsichtsrat, lassen sich weitere „Belo Montes“ in Ihrem Portfolio nicht verhindern.

Umso besorgter haben wir daher zur Kenntnis genommen, dass Sie auch nach Belo Monte noch Staudämme in Amazonien absichern, auch hier wieder, wie bei Belo Monte, Projekte wie Teles-Pires, wo die Rechte Indigener mit Füßen getreten werden, wo Ihre Heiligtümer einem Staudamm weichen müssen. Wie soll man angesichts solcher Entwicklungen noch glauben, dass Sie es wirklich ernst meinen mit dem Thema Nachhaltigkeit.

Und nun zu meinen Fragen:

  • Wie viele problematische Geschäfte hat das seit mehr als einem Jahr existierende Reputationsrisiko-Komitee bisher verhandelt? Wie viele Geschäfte wurden aus ökologischen oder sozialen Kriterien abgelehnt? Wie viele Geschäfte wurden nur abgesegnet unter Gewährung von Auflagen?
  • Ihr Konzern hat zwar allgemeine Absichtserklärungen wie die Prinzipien für verantwortliches Investment unterschrieben, diese aber bisher nicht in konkrete Nachhaltigkeitskriterien für das gesamte Portfolio umgesetzt. Wann holen Sie dies nach? Inwiefern gedenken Sie die Fragenkataloge in Richtlinien zu überführen?
  • Inwiefern gibt es vielleicht noch unveröffentlichte bzw. nicht niedergeschriebene Ausschlusskriterien? Was sind Geschäfte, die die Munich Re kategorisch nicht absichern würde?
  • KLIMA: Munich Re rühmt sich damit, sich für Klimaschutz einzusetzen und investiert stark in dem Bereich der EE. Gleichzeitig fehlt es Ihrem Konzern bisher an einer Klimastrategie, die im logischen Umkehrschluss auch die Absicherung besonders klimaschädigender Technologien und Projekte verbietet. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung hat unlängst gemahnt: „Wer den Klimaschutz ernst nimmt, kommt am Kohleausstieg nicht vorbei“. Stimmen Sie dieser Aussage zu? Wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Ihr eigenes Portfolio?
  • Inwiefern gedenkt die Munich Re hier dem Vorbild anderer Versicherer und Pensionsfonds zu folgen, kategorisch aus der Absicherung klimaschädigender Kohleunternehmen auszusteigen? Wenn das für Sie keine Option ist, warum nicht?
  • STAUDAMM: Auf Ihrer Webpage verkünden Sie stolz, dass sich die Munich Re bei einem Staudamm in Afrika erfolgreich eingemischt und gemeinsam mit anderen Finanzinstituten dafür gesorgt hat, dass Missstände behoben wurden. So soll der Projektbetreiber auf Druck von Munich Re und anderen Finanzinstituten Maßnahmen ergriffen haben, um Umweltschädigungen und das Risiko von Arbeitsunfällen bei dem Damm zu reduzieren. Im Gegenzug pochen Sie bei dem Staudamm Belo Monte darauf, dass es Ihren Vertragsrahmen sprengen würde, wenn Sie sich da jetzt einmischen. Warum messen Sie hier mit zweierlei Maß?

 

Und so möchte ich zum Schluss an Sie appellieren: Schluss mit kosmetischen Korrekturen! Zeigen Sie endlich den notwendigen Mut zu einem richtigen Wandel und schaffen Sie solide Grundlagen, damit Sie sich in Zukunft nur noch an sicheren „deals“ beteiligen, die nicht auf Kosten von Menschen und Umwelt gehen!

DANKE!!

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