Rede Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

reden wir doch zunächst über Fußball.

Reden wir doch mal über die Fußballweltmeisterschaft vom vergangenen Jahr und reden wir nicht über die Sieger, sondern reden wir über die Verlierer der WM in Brasilien, jener WM, die die Münchener Rück mit gut einer halben Milliarde Euro rückversichert hat. Ist Ihnen bekannt, dass die Ausrichtung der von Ihnen in Deckung genommenen Fußball-WM verantwortlich ist für die Zwangsumsiedlung von zigtausenden Menschen aus ihren Häusern aus den Armenvierteln Brasiliens, damit die Stadien, Zufahrtsstraßen, Parkplätze, Busschnelllinien, Hotels, Sport- und Trainingsstätten gebaut werden können? Ist Ihnen bekannt, dass es brasilienweit bis zu 250.000 Menschen sind, die wegen WM und Olympia von Zwangsräumung bedroht sind oder bereits geräumt wurden? Trifft es zu, dass die MunichRe beabsichtigt, die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro rückzuversichern? Sind Ihnen die Zahlen von Amnesty International bekannt, nach denen allein in Rio de Janeiro 38.000 Menschen wegen WM und Olympia zwangsgeräumt werden sollen? Hier in München hatte die Politik ja dem Druck der Bürgerinnen und Bürger nachgegeben und einen Volksentscheid zugelassen. Hier in München kennen Sie das Ergebnis. Ein klares „Nein!“ zum Kommerzspektakel des IOC – in Rio wurden die Bürgerinnen und Bürger nicht gefragt. Ist Ihnen noch immer nicht aufgegangen, was FIFA und IOC für Organisationen sind, sehen Sie nicht längst die Reputationsgefahr für Ihr Unternehmen, wenn Sie sich mit solch dubiosen Organisationen wie FIFA und IOC geschäftlich verbandeln? Beabsichtigen Sie, sich für die Rückversicherungen der WM in Russland und in Katar zu bewerben? Sind Ihnen die Zahlen der auf den WM-Baustellen in Katar zu Tode gekommenen Arbeiter bekannt? Beabsichtigen Sie, sich für die Rückversicherung der Olympischen Winterspiele in Almaty oder Beijing zu bewerben? Denken Sie nicht, dass Sie Ihre viel über den Klee gelobte Selbstsicht eines „verantwortungsvollen Unternehmens“ endlich an den Realitäten messen sollten – und aus dem Business der Rückversicherung solcher sportlicher Kommerzgroßevents wie WM und Olympia und all den damit zusammenhängenden Menschenrechtsverletzungen demonstrativ aussteigen sollten?

Nächster Punkt: Reden wir über Ihre „nachhaltigen Investments“. Reden wir über Ihre „Net-Asset-Values“, also über ihre „Alternativen Investmentfonds“, konkret das Thema „Forst“. Über mehrere Fonds halten Sie weltweit Anteile an „Forstflächen“, darunter auch Eukalyptusplantagen in Brasilien. Warum ignorieren Sie die ökologischen und sozial desaströsen Folgen monokulturell angelegte Eukalyptusplantagen auf Mensch und Umwelt? Ist Ihnen bekannt, dass die Monokulturplantagen von Eukalyptus in Brasilien den Grundwasserspiegel massiv senken, das Land nach einigen Jahren komplett ausgelaugt ist, dass die eingesetzten Pestizide die Umwelt über Jahrzehnte vergiften? Wenn Ihnen das bekannt ist – und ich muss davon ausgehen, dass Sie das wissen -, dann verstehe ich Ihre Dreistigkeit nicht, wie Sie von „nachhaltigem Investment“ reden können? Konkret frage ich Sie: An wieviel Hektar Eukalyptusplantagen (weltweit und bitte konkret auf den Fall Brasilien bezogen) haben Sie direkt oder indirekt Anteil? Lassen Sie sich diese Eukalyptusforstinvestments auch über den Clean-Development-Mechanismus vergüten? An wieviel Hektar Land insgesamt – aufgeteilt nach Ländern – halten Sie direkt oder indirekt Anteile?

Reden wir doch mal konkret über eines Ihrer Forstinvestments: Laut dem Jahresbericht der Munich Re halten Sie 39,08 % der FIA Timber Partners II L.P., Wilmington, Delaware (oh! Das Steuerparadies Delaware? Ja, äußerst interessant, dazu komme ich gleich noch darauf zurück, bereiten Sie am Besten ihren Backstaff schon jetzt mal drauf vor…). FIA Timber Partners hält gemeinsam mit der brasilianischen Firma Florestas da Bahia S.A. Anteile an Caravelas Florestal S.A.. Laut unseren Recherchen hält FIA Timber einen 49%-Anteil an Caravelas. Herr von Bomhard, bestätigen Sie diese Zahl? Ist das Caravelas-Investment Teil des von Ihnen gezeichneten Fonds FIA Timber Partners II? Caravelas hat Eukalyptusplantagen in Bahia und Landkonflikte mit der lokalen Bevölkerung der Kleinbauern und der traditionellen Gemeinschaften. Ein Mitarbeiter von FIA Timber Partners sagte bei einer Präsentation: „Diebstahl aus unseren Eukalyptusplantagen ist vor allem im Bundesstaat Bahia ein Problem, aber wir haben darauf mit mehr Securities reagiert“. Mit „Diebstahl“ meinte Ihr Mitarbeiter wohl den Fall, wenn Kleinbauern sich dringend benötigtes Brennholz suchen. Reden wir also über „Diebstahl“. „Diebstahl“ ist es, wenn Kleinbauern und traditionellen Gemeinschaften ihr Wald von einem Konzern weggenommen wird, ihr Wald, aus dem sie sich seit Generationen zum Überleben versorgen mit dem Nötigsten wie eben Brennholz, Früchte, zur Jagd und zum Fischen. Und da kommt der „nachhaltige Forstinvestment-Konzern“ aus USA und Deutschland daher, pflanzt dort umweltschädliche Monokultur an, nur mit Eukylaptus, zerstört die Biodiversität des Waldes, laugt den Boden aus, beutet den Grundwasserspiegel aus und sperrt das Gelände obendrein durch Maschendrahtzaun und bewaffnete Sicherheitsleute ab. Das ist das, was vor Ort als Diebstahl wahrgenommen wird. Und die Kleinbauern müssen um ihr Überleben kämpfen. Also, erklären Sie mir bitte, was tun und wo haben Sie welche Forstinvestments mittels ihrer Beteiligungen an FIA Timber Partners, Green Acre LLC, ORM Timber Fund III? Und vor allem: Erklären Sie mir bitte das Geschäftsmodell Ihrer Beteiligung RMS Forest Growth International, L.P.. Denn genau diese bringt mich zum nächsten Thema. Denn an RMS Forest Growth International, L.P., halten Sie eine Beteiligung von 43,47% und obendrein hat diese ihren Firmensitz: auf den Cayman Islands. Das Steuerparadies schlechthin.

Es geht also um transnationale Steuersparmodelle – oder besser: um Steuerflucht. Dazu habe ich folgende Fragen: Beim Blick in Ihren Jahresabschluss 2014 fällt einem konkret auf, dass die Münchener Rück 28 Tochtergesellschaften in den beschaulichen Kleinstädten Wilmington und Dover aufführt. Wilmington und Dover liegen im US-Bundesstaat Delaware. Und Delaware beherbergt nahezu alle Fortune 500-Konzerne. Denn Delaware ist eine weltweit von Konzernen überaus geschätzte Steueroase. Delaware erhebt kaum Steuern auf die Konzerngewinne. Das hat ja auch Ihr Konkurrent, die Allianz erkannt – die hat das im Übrigen auf die Spitze getrieben mit dem Steuervermeidungsmodell Delaware, das werden die sich im Übrigen in zwei Wochen hier in München auf deren Hauptversammlung von mir anhören müssen. Zu Ihren 28 Tochtergesellschaften mit Sitz in Delaware frage ich Sie: Wie viele Ihrer Mitarbeiter erwirtschaften dort in Delaware wieviel Umsatz und wieviel Gewinn? Wieviel Steuern haben Sie in Delaware in 2014 gezahlt? Nun zeichnet sich Delaware noch durch ein weiteres formidables Modell aus: Delaware hat seit 1981 dieses für Kredit vergebende Institute so überaus einträgliche Modell der nicht von staatlicher Seite regulierten Zinsbeschränkungen, die ein Geberkonzern einem Nehmerkonzern auferlegen darf. Ich frage Sie also: Was genau treiben diese 28 Tochtergesellschaften der MunichRe in Delaware? Wieviel dieses Umsatzes und Gewinns machen diese dort in Delaware angesiedelten Tochterunternehmen mit anderen MunichRe-Unternehmen? Denn gemeinhin läuft das so ab: Die Mutterzentrale in München überweist der Tochter in Delaware Finanzmitteln zur Weiterverleihung an andere Konzerntöchter. Wie hoch setzen Sie denn bei Kreditvergaben den Zinssatz an, den die Muttergesellschaft in München von der Tochter in Delaware verlangt? Und wie hoch setzen Sie bei Kreditvergaben den Zinssatz für andere Konzerntöchter an, wenn Ihre Töchterunternehmen in Delaware denen außerhalb Delawares Kredite zur Verfügung stellen? Ein sicherlich sehr einträgliches Geschäft im konzerninternen Verschiebebahnhof. Den Gewinn der Töchter außerhalb Delawares zu schmälern, den Gewinn der Töchter in Delaware zu erhöhen – und darauf dann so gut wie keine Steuern zahlen, weil es für die Holdings in Delaware die nahezu Steuerbefreiung gibt! Famose Idee! – Denken Sie nicht, dass die Münchener Rück genauso Steuern zahlen sollte, wie alle anderen auch?

Meine Kolleginnen und Kollegen berichten Ihnen über die Staudammproblematiken, die Sie anrichten durch Ihre verantwortungslose Rückversicherungspolitik bei Großstaudämmen. Meine Kolleginnen und Kollegen berichten Ihnen vom in Kürze drittgrößtem Staudamm der Welt, Belo Monte in Amazonien, sowie vom Staudamm Teles Pires, ebenfalls in Amazonien. Nun, es gibt da noch mehr. Die MunichRE hat auch die Rückversicherung des Staudamms Santo Antônio am Rio Madeira übernommen, wo es im vergangenen Jahr zu den massivsten Überschwemmungen mit zehntausenden Betroffenen kam und von Gerichts wegen wurde auch dort – wie beim Staudamm Belo Monte, den die Munich RE ebenfalls rückversichert – die Umweltverträglichkeitsprüfung für mangelhaft erklärt.

Erklären Sie mir doch bitte: Wurde die Deckungspolice der MunichRE wegen der Überschwemmungen am Rio Madeira inkraftgesetzt, sprich: wurde gezahlt? Und wenn ja, erklären Sie mir doch bitte, wie Ihre Rückversicherungspolitik arbeitet, wenn die Gerichte in Brasilien die Umweltverträglichkeitsprüfung für mangelhaft erklärt, das Gericht den Zusammenhang zwischen Überschwemmung und dem von Ihnen rückversicherten Staudamm Santo Antonio gerichtsfest erklärt und der Wirksamkeit der Versicherungspolice?

Angesichts des Engagements der MunichRE bei Staudämmen und Flusszerstörung in Brasilien, fragt man sich doch: Stecken da nur Profitstreben und Ignoranz gepaart mit Unwissenheit dahinter? Nun, ein Blick in die MunichRE-Blätterwelt der Scheinnachhaltigkeitsberichte offenbart: Leider ist hier nicht im Sinne des Angeklagten aufgrund Unwissenheits zu entscheiden. Profitstreben – na, da brauche ich nicht lange drüber zu grübeln. Aber Ignoranz? Nun, leider offenkundig und schwarz auf weiß: Bereits im Juni 2005 hieß es beim Dialogforum „Stadt, Land, Fluss – Fließgewässer im Wandel“ der Münchener Rück Stiftung (21. Juni 2005): „Der Isarplan – eine Win-win-win-Story: Flussrenaturierung schafft Sieger: Fauna und Flora, die Bürger und die Stadt München, alle profitieren vom Rückbau der Isar im Süden“ der Stadt. Tja, in München, wo man ja selbst die schöne Isar genießen will, da setzt man sich für Renaturierung ein – in Brasilien, in Amazonien allemal, ja, das ist weit weg, da helfen wir kräftig mit, die Flüsse plattzumachen. Na ganz toll, Herr von Bomhard.

Letzter Punkt: Herr von Bomhard sagt bei seiner Rede im vergangen Jahr – und ich wollte meinen Ohren nicht trauen, musste das nochmal gedruckt nachlesen – und ja: da stand es schwarz auf weiß: „Als Risikoträger müssen wir wahrlich nicht fürchten, dass der Welt die Risiken ausgehen: globalisierte und eng vernetzte Ökonomien, komplexe Technologien, demografische Veränderungen und Naturgefahren erzeugen hohe Nachfrage nach Versicherungsschutz.“ Mit anderen Worten also: Klimawandelrisiken bringen Gewinn für (Rück-)Versicherer. Dazu passt, Herr von Bomhard, Ihr Mantra: „Unsere besondere Lösungsorientierung wird in dem Anspruch der Rückversicherung, „NOT IF, BUT HOW“, auf den Punkt gebracht.“ Wie wahr, wie wahr.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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