Sehr geehrter Herr Dr. Wenning, sehr geehrter Vorstand, Aufsichtsrat und sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
mein Name ist Regine Richter, ich arbeite bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und vertrete heute hier den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Erst einmal herzlichen Dank, dass Sie diese HV wieder physisch durchführen, das ändert die Dynamik und das Gespräch grundlegend.
Uns bei urgewald treibt besonders die Klimakrise um und welche Rolle Versicherungen bei ihrer Bekämpfung spielen können. In dem Zusammenhang sind wir große Freunde davon, dass Rück/Versicherungen ihre Unterstützung für fossile Projekte und Unternehmen beenden, weil dies die Realisierung neuer Projekte mindestens erschwert und so viel teurer macht, dass das zumindest im Kohlebereich bereits dazu führt, dass neue Kraftwerke und -minen nicht mehr konkurrenzfähig sind gegenüber neuen Erneuerbaren Projekten und damit nicht mehr, oder zumindest schwerer zu realisieren.
Munich Re hat Richtlinien für Kohle und Öl und Gas, die wir begrüßen. Gleichzeitig sehen wir Bedarf für weitere Schärfungen der Richtlinien.
Aber um mit dem Positiven anzufangen:
1) Sie haben bereits für das Jahr 2022 einen Rückgang von 40% der versicherten Treibhausgasemissionen im Öl- und Gasförderbereich in der Erstversicherungen und der fakultativen Rückversicherungen gegenüber dem Jahr 2019 angegeben. Das hat sich laut Ihrem Geschäftsbericht 2023 sogar auf erfreuliche 80% gesteigert. 80% weniger versicherte Treibhausgasemissionen im Öl- und Gasförderbereich 2023 gegenüber 2019. Als Gründe für die Reduktion geben Sie „vorwiegend Portfoliomaßnahmen“ an und führen weiter aus: „Neben der Umsetzung von Underwritingrestriktionen, insbesondere im Hinblick auf Sanktionen, Ölsandstandorte oder arktische Exponierungen, hat auch die Geschäftsaufgabe durch strategische Entscheidungen des Munich Re Syndikats maßgeblich zu der Entwicklung beigetragen.“ Dazu haben wir folgende Fragen:
- Inwieweit ist die zusätzliche Reduktion der Emissionen im letzten Jahr auf Underwritingrestriktionen wegen Sanktionen zurückzuführen?
- Welchen Anteil an der zusätzlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen aus der Öl- und Gasförderung macht die Geschäftsaufgabe des Munich Re Syndikats aus?
- Welchen Anteil am Geschäft im Öl- und Gasbereich von Munich Re macht der Öl- und Gasförderbereich aus?
- Haben Sie im letzten Jahr weitere Projekte und Kunden aus dem Öl- und Gasbereich abgelehnt, die nicht unter die Ausschlüsse Ihrer Öl- und Gasrichtlinie fallen? Wenn ja, auf welcher Grundlage wurden diese Entscheidungen getroffen?
Nach dem Öl- und Gasbereich vor allem Upstream, also die Förderung betreffend, möchte ich zum Midstreambereich fragen, also da, wo es um Pipelines oder Flüssigerdgasterminals geht.
2) Und zwar ist im Februar ein Bericht erschienen „Risk Exposure: The Insurers Secretly Backing the Methane Gas Boom“, in dem die Organisationen Rainforest Action Network und Public Citizen Versicherungszertifikate für US LNG Terminals erfragt und ausgewertet haben. Erhalten haben sie Informationen zu 35 Versicherern (Sach- und Haftpflichtversicherungen) von sieben existierenden, im Bau befindlichen sowie für eine Erweiterung vorgesehenen LNG-Terminals. Bei zwei von diesen waren Tochtergesellschaften der Munich Re beteiligt: Cameron LNG in Louisiana an der US-Golfküste und Tacoma LNG im Bundestaat Washington. Für beide sind Erweiterungen geplant.
Flüssiggas aus den USA ist quasi gleichbedeutend mit Fracking, was eine besonders umweltschädliche Fördermethode darstellt. Zudem befinden sich viele der in Betrieb befindlichen und geplanten Terminals wie auch Cameron LNG in Gemeinden, in denen Indigene, Schwarze oder People of Color leben, wodurch ein langjähriges Erbe des Umweltrassismus an der US-Golfküste fortgeschrieben wird. Zusammen mit weiteren petrochemischen Anlagen verschlechtern die LNG-Terminals die Luftqualität in diesen Regionen und steigern so das Risiko für Asthma, Herzkreislauferkrankungen oder bestimmte Krebsarten. Entlang der US-Golfküste, wo bis zu 20 neue Projekte geplant sind, organisieren sich die Betroffenen und leisten Widerstand gegen die Pläne.
Präsident Biden hat auf die Proteste und Klimaprobleme von Fracking sowie LNG reagiert und im Januar ein Moratorium für neue LNG-Exportgenehmigungen verhängt.
Dazu haben wir folgende Fragen:
- Ziehen Munich Re und seine Tochterunternehmen Konsequenzen aus dem genannten und anderen Berichten zu den zahlreichen Problemen von LNG-Infrastruktur in den USA und steigen aus den genannten Projekten aus?
- Planen Sie eine Weiterentwicklung der Öl- und Gasrichtlinie und werden die Versicherung von (neuen) LNG-Terminals und anderer Gasinfrastruktur ausschließen?
Und noch mal zur Kohle:
3) Auf unsere Nachfrage bei der HV letztes Jahr bestätigten Sie, Herr Dr. Wenning, Ihren geplanten Kohleausstieg 2040 im Treaty-Bereich, also Sammelrückversicherungen betreffend. Sie erklärten, dass es weiterhin wenig Transparenz zu Einzelrisiken in Treaty-Portfolien gäbe, Sie jedoch intensiv mit Ihren Kund*innen an Möglichkeiten zu mehr Information in dem Bereich arbeiteten. Wo stehen Sie aktuell mit der Entwicklung von Methoden, um die Kohleexposition Ihrer Treaty-Portfolien zu ermitteln und darauf aufbauenden Ihren Kohleausstieg im Treaty-Bereich zu realisieren? Wann werden Sie Ihre Öl- und Gasrichtlinie auf den Treaty-Bereich übertragen?
4) Gehen wir recht in der Annahme, dass bei den 40% Reduktionen der Treibhausgasemissionen aus „Thermischem Kohleabbau“ und „Kohlekraftwerken“, die Sie im Geschäftsbericht (S.41) erwähnen, Treibhausgasemissionen aus den Aktivitäten von rückversicherten Erstversicherern wie PZU nicht ermittelt werden? Selbst, wenn wie im Fall von PZU, dieser Versicherer für polnische Kohlekraftwerke und -minen eine lebenserhaltende Rolle spielt?
Und letzte Frage zu den Rechten indigener Völker:
5) Bei Ihrer letzten Hauptversammlung gaben Sie auf unsere Nachfrage an, dass die Einhaltung der Rechte indigener Völker sowohl im Investitions- als auch dem Underwritingbereich im Rahmen einer Risikoanalyse geprüft werden. In wie vielen Fällen fand 2023 eine solche Prüfung statt und in wie vielen Fällen kam es zu einer Ablehnung des Geschäfts und auf welcher konkreten Entscheidungsgrundlage?