„Sie verschleiern den Widerspruch zwischen Ihren Wachstums- und Klimazielen“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Rederechten fordern wir von der Porsche AG deutlich effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.

Wir werden Sie, den Vorstand auch dieses Jahr nicht entlasten. Sie kommen weiterhin nicht hinreichend Ihrer Verantwortung nach, wirksame Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz umzusetzen. Wir haben dies in unserem Gegenantrag ausführlich begründet, den ich hiermit auch formal stelle.

Porsche fliegt zu viel: Klimabilanz im Widerspruch zu Klimazielen

Ihre Klimabilanz 2023 steht im Widerspruch zu den Ihren Klimazielen. Statt zu sinken, steigen die klimaschädlichen Emissionen durchweg gegenüber den Vorjahren, teils massiv.

Die direkten Emissionen der Porsche-Standorte (Scope 1) sind gegenüber 2022 um über 44 Prozent auf 17.638 t CO2e in 2023 gestiegen. Die Emissionen durch den Energiebedarf der Porsche-Standorte (Scope 2) stiegen gegenüber 2022 um fast 6 Prozent auf 84.832 t CO2e. Die Emissionen durch Geschäftsreisen und die eigene Fahrzeugflotte (Scope 3) stiegen gegenüber 2022 um ganze 78 Prozent auf 91.945 t CO2e. Für diesen massiven Anstieg sorgten vor allem viele Flugreisen, ein Plus von 137 Prozent. Ein Verweis auf dubiose CO2-Ausgleichszertifikate ohne Nachweis auf reale Ausgleichswirkung ist keine Lösung.

Um den wirklich relevanten Klimaschaden der Porsche-Produkte zu erkennen, sollten aber auch jene Gesamtemissionen besser offengelegt werden, die durch die Nutzung der im Geschäftsjahr verkauften Fahrzeuge entlang der üblichen Nutzungsdauer entstehen. Porsche weist hier nur die Emissionen pro Fahrzeug aus, die 2023 nur minimal gegenüber 2022 gesunken sind auf 62,7 t CO2e.

  • Warum weisen Sie hier nur die Emissionen pro Fahrzeug aus? Dies ist sicherlich ein wichtiger Wert. Doch für den Klimaschaden, den Sie mit zu verantworten haben, ist dann auch die Anzahl der verkauften Fahrzeuge relevant. Herr Blume, Sie haben es vorhin gesagt: Noch nie hat Porsche so viele Fahrzeige wie 2023 ausgeliefert, 320.000 Fahrzeuge. Wollen Sie hier bewusst Ihr grundlegendes Problem und Widerspruch zwischen Ihren Wachstums- und Klimazielen verschleiern?
  • Wie hoch sind die Emissionen insgesamt, die durch die Nutzung der im Geschäftsjahr 2023 verkauften Fahrzeuge entlang der üblichen Nutzungsdauer entstehen?

Es ist so nicht direkt nachvollziehbar, in welchem Umfang die 2023 verkauften Verbrenner und Plug-in-Hybride weiter zur Klimakrise beitragen. Wichtig wäre es zudem, reale Verbrauchswerte als Basis zu nutzen, nicht jene, die in der Praxis ohnehin fast nie erreicht werden. Es ist fahrlässig, wie die Porsche AG ihren realen CO2-Fußabdruck gegenüber der Öffentlichkeit und den Aktionär*innen verschweigt.

Die EU-Kommission hat jüngst die erhobenen Daten zu den realen Verbrauchswerten veröffentlicht. Im Schnitt liegen die tatsächlichen Treibstoffverbräuche und damit die CO₂-Emissionen von Diesel- und Benzinfahrzeugen um mehr als 21 Prozent höher als die offiziellen, im WLTP-Typgenehmigungsverfahren ermittelten Werte.

  • Was ist der Unterschied bei Ihren ab 2021 verkauften Fahrzeuge zwischen den realen Verbräuchen, die Sie ermitteln, und den WLTP-Werten?
  • Haben Sie hier konkrete Pläne, wie Sie die realen Verbrauchswerte, die Sie ja erfassen müssen, mit in Ihre öffentlichen Verbrauchsangaben und in Ihre Klimabilanz mit aufzunehmen?

Das Porsche die eigenen Klimaziele 2023 erreichen kann, wird anscheinend von Porsche selbst bezweifelt. Porsche hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 die Emissionen der verkauften Fahrzeuge über deren Nutzungsdauer um 70 Prozent gegenüber 2022 zu reduzieren. Dies ist der eigene Maßstab, ob die Elektrifizierungs- und E-Fuel-Strategien erfolgreich sein werden. Doch schränkt Porsche die Zielerreichung selbst ein und lagert die eigene Verantwortung teils mit Verweis auf die unklare Kundennachfrage aus, als ob diese nicht in Zusammenhang mit dem eigenen Angebot stehen würde.

Der Anteil rein elektrisch ausgelieferter Fahrzeuge stagniert praktisch bei 13 Prozent. Auch für 2024 plant Porsche gerade einmal mit 13-15 Prozent vollelektrischer Fahrzeuge bei den Neuwagenverkäufen. Dazu folgende Fragen:

  • Anhand welcher Kriterien entscheiden Sie, wie die Flottengrenzwerte 2025 eingehalten werden sollen, also ob mehr E-Autos oder weniger hochemittierende Verbrenner verkauft werden?
  • Versuchen Sie, durch Lobbyaktivitäten aktiv auf eine Aufweichung der EU-Flottenregulierung für 2025 oder 2030 einzuwirken?
  • Welche drei zentralen Forderungen haben Sie an eine künftige Bundesregierung, um mehr Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr zu erreichen?

Greenwashing bei angeblich „klimaneutralen“ E-Fuels

Auch bei E-Fuels ist Porsche keinen relevanten Schritt weiter, diese wirklich klimaneutral zu beziehen, geschweige denn im größeren Stil zu vermarkten. Zwar hat Porsche im November 2023 die erste Lieferung synthetischen Benzins aus der weltweit ersten Fabrik für E-Fuels in Südchile erhalten.

Es stehen bis heute keine einsatzbereiten und ausreichend dimensionierten DAC-Anlagen zum Absaugen von CO2 aus der Luft bereit und die Eröffnung einer Porsche-eigenen Anlage lässt aller Wahrscheinlichkeit noch länger auf sich warten. Lediglich der benötigte Wasserstoff wird derzeit mittels erneuerbarer Energie erzeugt, das CO2 muss auf absehbare Zeit extern aus einer Biogasanlage bezogen werden. Hinzu kommen der Transport des erzeugten Methanols um den halben Globus und die Endsynthese zu E-Fuels in Europa – nach wie vor mit fossiler Energie.

Dazu folgende Fragen:

  • Planen Sie überhaupt, die gesamten Liefer- und Wertschöpfungsketten bei Ihren E-Fuels-Projekten klimaneutral zu stellen? Wenn ja, welche Maßnahmen gehören dazu und welche genau? Gehören Offsetting, CCS oder andere höchst fragwürdige Maßnahmen dazu?
  • Mit welchen Preisen und Preisentwicklung pro Liter synthetischen Benzins rechnen Sie in den nächsten Jahren?

Ob batterieelektrisch, hybrid, mit E-Fuels oder konventionell angetrieben: Eine Antriebs- oder Kraftstoffwende ist noch lange keine Ressourcenwende. Bei leistungsstarken und entsprechend energie- und ressourcenhungrigem Sportwagen im Luxussegment schaut Porsche nur etwas auf die Effizienz. Doch das gesamte Produktportfolio widerspricht einem Suffizienzgedanken allein schon beim Fahrzeuggewicht.

  • Planen auch Sie wie Volkswagen, sich direkt an Bergbauprojekten zu beteiligen, beteiligen Sie sich an den Rohstoff-Sicherungsplänen von Volkswagen oder machen Sie dies separat mit einer eigenen Strategie? Wenn ja, wie sieht diese aus und wie unterscheidet sich diese von Volkswagen?

Zwangsarbeitsrisiken in China: Menschenrechtliche Sorgfalt ungenügend

Wären Sie Ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken uigurischer Zwangsarbeit in den Lieferketten Chinas ernsthaft nachgekommen, hätten Sie sich die aktuellen Probleme beim Import in die USA sparen können. Anfang 2024 war die Einfuhr von 13.000 Neuwagen von Porsche, aber auch Audi und Bentley von den US-Behörden gestoppt worden. Ein aus China stammendes Bauteil durfte wegen der Maßnahmen der USA gegen Produkte mit hohem Zwangsarbeitsrisiko nicht eingeführt werden.

  • Welche längerfristigen Konsequenzen und Maßnahmen haben Sie nun ergriffen, um die Einfuhrbestimmungen der USA zu erfüllen?
  • Was sind Ihre konkreten Maßnahmen in Bezug auf Ihre Zulieferer entlang Ihrer Lieferketten, um die Risiken uigurischer Zwangsarbeit auszuschließen?

Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten allgemein

Laut Ihrem Bericht gemäß Lieferkettengesetz haben Sie 2023 drei Verletzungen bei unmittelbaren Zulieferern festgestellt. In zwei Fällen handelt es sich um Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, in einem Fall um das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns. Ihre Abhilfemaßnahmen zur Beendigung der Verletzungen waren aber laut Ihren Angaben nur teilweise erfolgreich.

  • Wie ist der aktuelle Stand zu diesen Fällen? Konnten die Missstände mittlerweile beendet werden? Wenn nicht, was sind Ihre nun veränderten Maßnahmen, um auf Ihre Zulieferer einzuwirken? Erwägen Sie auch eine Beendigung der Geschäftsbeziehung als ultima ratio oder sehen Sie Bereitschaft für Verbesserungen?
  • Wie viele Anfragen, Hinweise und/oder Beschwerden haben Sie über Ihren Beschwerdemechanismus in Bezug auf umwelt- und menschenrechtliche Missstände in Ihren Lieferketten aktuell erhalten? Was waren die Inhalte, wie haben Sie reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/porsche-ag/sie-verschleiern-den-widerspruch-zwischen-ihren-wachstums-und-klimazielen-rede-von-tilman-massa/