„Stoppen Sie die Bulldozer ein für alle Mal“: Rede von Gianfranco D’Eramo, Custodi del Bosco d’Arneo

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Gianfranco D’Eramo, ich spreche für das italienische Aktionsbündnis Custodi del Bosco d`Arneo.

Seit 2012 betreibt Porsche das Nardo‘ Technical Centre (NTC) in der Region Apulien in Süditalien. Das NTC, bekannt als „der Ring“, bietet mit über 20 Teststrecken, 40 Werkstätten und verschiedenen Zusatzleistungen beste Voraussetzungen für Entwicklungs- und Testaktivitäten. Mit der Übernahme des NTC verpflichtete sich Porsche auch zum Erhalt des Bosco d’Arneo, eines 500 Hektar großen Eichenwaldes, in dem sich das NTC befindet. Dieser Wald ist jahrhundertealt und gehört aufgrund seiner großen Artenvielfalt zum Netz der durch EU-Recht geschützten Schutzgebiete.

Mehr als zehn Jahre lang hat Porsche den Wald wirksam geschützt: Das geschlossene, von hohen Mauern umgebene Gelände und die Arbeit der NTC-Feuerwache verhinderten Waldbrände und illegale Aktivitäten wie die Jagd, das Fällen von Bäumen und das Abladen von Müll. Wir sind nie durch den Wald gelaufen, sondern haben uns immer auf die Zero-Impact-Politik von Porsche verlassen und auf die Verpflichtung zur „geringstmöglichen Beeinträchtigung der Umwelt“ vertraut. Sicherlich hätten wir nie erwartet, dass es im NTC Projekte zur Wiederbewaldung gibt, wie sie Porsche in seinen Werken und an Standorten wie Leipzig durchführt, wo sogar umweltzertifizierter Honig produziert wird. In Bosco d’Arneo besteht einfach keine Notwendigkeit, Bienen anzusiedeln: Sie leben dort bereits in dem integrierten und sich selbst erhaltenden Ökosystem eines jahrhundertealten Waldes und haben gelernt, zusammen mit den anderen Lebewesen mit den lärmenden Fahrzeugen zu koexistieren, die Tag und Nacht herumfahren.

Unser Vertrauen schwand im letzten Sommer, als wir von dem Plan erfuhren, das NTC zu erweitern. Dieser Plan macht Porsche von einem Hüter unseres Waldes zu dessen Hauptausführenden. Er sieht 9 zusätzliche Teststrecken, Verwaltungs- und Servicegebäude, Arbeitsplätze, Parkplätze und vor allem eine neue Feuerwache und einen Hubschrauberlandeplatz für medizinische Notfälle vor, die alle auf der 700 Hektar großen Innenfläche des Rings entstehen sollen, zu dem das Grundstück von Porsch gehört. Infolgedessen werden über 200 Hektar geschützter Lebensraum unwiderruflich gerodet. Dies ist den Unterlagen zufolge die einzige Lösung, da keine anderen (weniger störenden) Alternativen zur Umsetzung des ehrgeizigen Plans gefunden wurde.

Porsche verpflichtet sich aber auch, eine Fläche von 500 Hektar außerhalb des Rings, die nicht an den bestehenden Wald grenzt, zu „renaturieren“. Dieses Gebiet, das eher wie ein Flickenteppich aussieht, besteht aus kleinen Parzellen, die in der Summe ihrer kleinen Flächen genau die Menge einer Ausgleichsmaßnahme erreichen. Entscheidend ist, dass diese Ländereien an 134 private Eigentümer enteignet werden, von denen einige Landwirte und Hirten sind. Porsche verspricht, in diesem zersplitterten Gebiet einen neuen Wald zu schaffen, der in Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich sein soll, und tatsächlich wird es einen Fahrradweg geben, der vom Eingang des NTC zur nahe gelegenen Küste führt. Außerdem stellt das NTC a) den künftigen Hubschrauberlandeplatz für medizinische Notfallevakuierungen und b) die Kapazitäten der neuen Feuerwache zur Verfügung, die bei der Bekämpfung von Waldbränden in der Umgebung helfen wird.

Dies waren die Gründe, warum der Plan im November 2023 ohne öffentliche Konsultationen und durch ein Verwaltungsverfahren, das geeignet ist, die Kontrolle der Europäischen Kommission formal zu umgehen, zum Regionalgesetz wurde, da er auf der Zusicherung beruht, dass ein öffentliches Interesse an der Verfolgung dieses Plans besteht. Lassen Sie mich hier etwas genauer werden. Die Dienstleistungen, die das NTC in Zukunft durch den Hubschrauberlandeplatz, die Feuerwache und den neuen Wald erbringen kann, rechtfertigen die so genannten „erheblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt“: „Menschliche Gesundheit“ (Hubschrauberlandeplatz), „Sicherheit“ (Feuerwache) und der neue Wald („positive Auswirkungen auf die Umwelt“).

Es ist nicht überraschend, dass Kommissar Sinkevičius die italienische Regierung aufgefordert hat, wichtige Aspekte dieses Plans zu klären, was zu einer vorübergehenden Aussetzung der Umsetzung geführt hat. Eines der Haupthindernisse, auf die wir bei der Bildung dieses Ausschusses gestoßen sind, bestand darin, die verfügbaren Dokumente zu durchforsten, um herauszufinden, wie es rechtlich und wissenschaftlich zu rechtfertigen wäre, dass (im Jahr 2024) ein altes und autarkes Ökosystem mit einer Fläche von 350 Fußballfeldern ausgelöscht wird. Wir fanden keine Logik und nur sehr wenige wissenschaftliche Daten.

Wir glauben jedoch, dass die Wissenschaft und das Recht auf unserer Seite sind und begrüßen daher die heutige Gelegenheit, Klarstellungen und zusätzliche Beweise zu fordern, in der Hoffnung, dass sie die Folgen der „erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt“ erhellen werden. Auf der anderen Seite blicken wir mit Zuversicht auf die anstehende Verhandlung vor unserem Verwaltungsgericht. Lassen Sie mich abschließend an Porsche appellieren, seinen Sorgfaltspflichten nachzukommen, die in diesem Fall eklatant missachtet werden. Wir fordern Porsche auf, diesen Plan zu überdenken und die von den Vereinten Nationen und der OECD unterzeichneten Grundsätze für Wirtschaft und Menschenrechte konkret umzusetzen. Wir danken unseren Freunden aus der deutschen Zivilgesellschaft, die in der Praxis ein großes Engagement für den Erhalt eines Schutzgebietes zeigen, das uns allen gehört. Dieser Wald ist nicht über Nacht gewachsen, und wir werden nicht zulassen, dass Porsche ihn mit über Nacht getroffenen Entscheidungen zerstört.

Übersetzung der Fragen auf Deutsch mit rahmenden Sätzen des BUND Baden-Württemberg

Mein Name ist Bastian Greiner. Ich bin Mobilitätsreferent beim BUND Baden-Württemberg. Der BUND fordert Porsche auf, nicht nur in Stuttgart-Zuffenhausen, in Baden-Württemberg und Deutschland, sondern an allen Unternehmensstandorten weltweit seiner unternehmerischen Verantwortung für die Umwelt, das Klima und das Wohl der lokalen Bevölkerung nachzukommen. Mir der geplanten Erweiterung des Nardó Technical Centers nimmt Porsche einen irreversiblen Umweltschaden in Kauf und riskiert eine dauerhafte Verschlechterung der Lebensbedingungen in der gesamten Region. Deshalb erklären wir uns solidarisch mit dem Kampf der italienischen Aktivist*innen um den Erhalt des Waldes.

Ich spreche nun im Namen der Custodi und stelle ihre Fragen an die Porsche-Geschäftsführung:

Zunächst die zentrale Fragen:

  • Warum, werter Porsche-Vorstand, aus welchem Grund, gibt es keine andere, für Ihre Belange ebenso geeignete und vertretbare, aber weniger zerstörerische Alternative zu ihrem derzeitigen Erweiterungsplan?

Warum ist es nicht möglich, den Plan zur Erweiterung des Testgeländes außerhalb der geschützten Habitate umzusetzen?

  • Und warum ist es notwendig, Land zu enteignen, anstatt die Flächen direkt von den Eigentümer*innen zu erwerben?

Kommen wir nun zum Wald selbst:

  • Wir möchten genau wissen, wie viel Waldfläche insgesamt abgeholzt werden soll und wie hoch der erwartete Anstieg der CO2-Emissionen ist. Wie viele der jahrhundertealten Eichen werden gefällt?
  • Wie groß ist der zu erwartende Verlust der Artenvielfalt, können sie diesen exakt beziffern und uns detailliert beschreiben?
  • Der neue Wald wird gerade einmal 14 der derzeit über 420 Pflanzenarten umfassen und, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft als echter „ökologischer Korridor“ fungieren. Deshalb fragen wir Sie, Welche konkreten Vorkehrungen, welche Maßnahmen, werden für die Zukunft der bereits heute in dem Gebiet lebenden Tiere, all der Vögel, Säugetiere und Wirbellosen, getroffen? -wie stellen Sie ihr Überleben sicher?
  • Und wie lange wird es dauern, bis sich der neue Wald selbst erhalten kann?
  • Wie viel Wasser wird benötigt, um das Überleben der neuen Setzlinge, für mindestens 10 Jahre zu sichern? Woher wird das Wasser für die Bewässerung kommen und wie soll es transportiert werden? Wie wird das Überleben der jungen Bäume bei einem längeren Wassernotstand gewährleistet?

Liebe Aktionär*innen, sprechen wir nun über die von Porsche angekündigten Verbesserungen für die lokale Bevölkerung – Die Erweiterung des NTC liege im öffentlichen Interesse. U.a. wegen des geplanten Hubschrauberlandeplatzes und der Erweiterung der Feuerwache.

  • Aber warum wird der Hubschrauberlandeplatz, der für jährlich mehr als 600 Starts und Landungen konzipiert ist, mitten in ein Schutzgebiet mit besonders wertvollen und gefährdeten Arten geplant? Und wer kommt eigentlich für die Gehälter des medizinischen Personals auf, um die ständige Verfügbarkeit von Notfalltransporten zu gewährleisten?
  • Was entgegnet Porsche denjenigen, die behaupten, der Hubschrauberlandeplatz diene nur dazu, die An- und Abreise von NTC-Mitarbeitenden sowie deren Wege innerhalb der Region zu erleichtern und zu beschleunigen?
  • Mit welcher Reichweite für Löscheinsätze über das NTC-Gelände hinaus kann nach Erweiterung der Feuerwache gerechnet werden? Wie wird die Feuerwache die Einsätze priorisieren, wenn sowohl innerhalb des Areals als auch außerhalb auf öffentlich zugänglichem Grund Waldbrände ausbrechen?
  • Und was entgegnet Porsche denjenigen, die argumentieren, dass das Unternehmen mit dem Unterhalt einer Feuerwache lediglich einer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, um den Betrieb ausweiten zu können?

Zur Beschäftigungssituation:

Der Erweiterung des NTC wird von Porsche auch als einzigartige Chance für die wirtschaftliche Entwicklung der Region beworben. Es fehlen dazu aber belastbare Zahlen, z.B. zum erwarteten Anstieg der Beschäftigtenzahl im NTC. Es wird befürchtet, dass vornehmlich Personal von weiter weg über externe Vermittlungsagenturen angestellt wird, auf Kosten der Einstellung einheimischer Arbeitskräfte. Um Kritiker*innen von Porsches Personalpolitik entgegenzutreten, möchten wir sie bitten, uns Folgendes mitzuteilen:

  • Teilen Sie mit uns Daten zum derzeitigen Mitarbeiterstand, verglichen mit dem erwarteten Anstieg nach Abschluss der Erweiterung, aufgeschlüsselt nach direkt eingestellten Mitarbeitenden und über Vermittlungsagenturen akquiriertem Personal.

Abschließend ein letzter, aber entscheidender Gedanke:

Fühlt sich das Porsche-Management angesichts der beträchtlichen Investitionen und in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um eines der umfangreichsten Landumwandlungsprojekte in unserer Region handelt, mit ungewissen Folgen für künftige Generationen, für die heutigen Entscheidungen verantwortlich? Wäre es nicht sinnvoller, die Bulldozer ein für alle Mal zu stoppen und die eingesetzten Mittel in die Suche nach glaubwürdigen, alternativen Lösungen zu investieren? Wie wichtig ist es Porsche, das Vertrauen tausender Bürger*innen zurückzugewinnen, die darauf aufmerksam machen, dass das Unternehmen versäumt hat, seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen und seine ehrgeizigen Umwelt- und Sozialziele auch tatsächlich umzusetzen?

Laut dem jüngst veröffentlichen Geschäftsbericht war 2022 das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte. Bei einem Umsatz von 37,6 Milliarden Euro stieg der Reingewinn um ganze 22,8 % und erreichte knapp 5 Milliarden Euro. Die Gewinnmarge stieg von 16% auf 18%. Für 2023 hatte Porsche einen Umsatz zwischen 40 und 42 Milliarden Euro und eine Kapitalrendite von 17 bis 19 Prozent prognostiziert. Wie stark würde sich eine Kurskorrektur bei den NTC-Ambitionen auf den absolut außergewöhnlichen Umsatz der letzten Jahre auswirken?

Dankeschön!

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