Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
sehr geehrtes Aktionariat,
mein Name lautet Hana Obser; ich spreche heute im Namen des Dachverbands der Kritischen Aktionär:innen. Unsere Bedenken, welche sich auch in den von uns veröffentlichten Gegenanträgen finden, zur Corporate Governance der Porsche SE basieren auf aktuellen Entwicklungen, die nicht nur die Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, sondern uns alle gefährden.
Die Porsche SE betont in ihrer Erklärung zur Unternehmensführung die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, unternehmensinterner Richtlinien sowie der Verhaltensgrundsätze (Code of Conduct). Zudem wurde ein Compliance Council eingerichtet, das regelmäßig die Compliance der Gesellschaft behandelt und den Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt. Ich möchte jedoch berechtigte Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit und Effektivität der Unternehmensführung ansprechen:
Doppelfunktionen werden bei Porsche und VW ganz groß geschrieben
Die Doppelrolle von Herrn Blume, als CEO sowohl der Porsche AG als auch der Volkswagen AG finden wir immer noch äußerst problematisch. Wir sehen darin Interessenkonflikte, die die Unternehmensführung beeinträchtigen. Herr Blume selbst verteidigte diese Doppelfunktion als „Rezept für den Erfolg“, doch wie genau setzt sich dieses Rezept zusammen?
Doppelfunktionen sind bei der Porsche-VW-Amalgamierung nichts Unübliches. So findet sich Vorstandsvorsitzender Herr Pötsch nicht nur bei Porsche SE, sondern auch als Aufsichtsratsvorsitzender bei Volkswagen. Am besten müssten Sie das jedoch wissen, Herr Porsche: Als Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche SE und Porsche AG und zumindest als Aufsichtsratmitglied bei der VW AG haben Sie fast zwei Jahrzehnte diese Tradition der Doppelfunktion weitergeführt. Das muss sicherlich viel Blut, Schweiß und Tränen sein, die Sie in ihr Erbe investiert haben. Und das lässt sich sehen:
Schwache Bewertung im Corporate-Governance-Ranking
Im aktuellen Corporate-Governance-Ranking von Union Investment belegen sowohl die Porsche AG als auch die Porsche Automobil Holding SE die letzten Plätze im DAX. Mit Noten von 5+ für die Porsche AG bzw. 5 für die Porsche SE schneiden Sie deutlich schlechter ab als andere Unternehmen im Index. Auch die VW AG liegt mit der Benotung 4- auf dem drittletzten Platz.
Das ist eine wahrlich meisterhafte Leistung! Ist das auch Ihr sogenanntes „Rezept für den Erfolg“?
Schauen wir uns das mal alles genauer an:
Mangelnde Unabhängigkeit im Aufsichtsrat
Zunächst die internen Konzernstrukturen:
Trotz der Erweiterung des Aufsichtsrats auf zehn Mitglieder bleibt die Unabhängigkeit fraglich. Die Mehrheit der Sitze wird weiterhin von Familienmitgliedern der Porsche- und Piëch-Dynastien besetzt. Dies führt zu Interessenkonflikten und behindert eine objektive Kontrolle der Unternehmensführung. Wir kritisieren, dass die Familienvertreter:innen keine Vision für die Zukunft des Unternehmens präsentieren und stattdessen lediglich ihre Lebensläufe vorstellen.
Klimabilanz und ESG-Transparenz
Die Porsche AG kam dem Wunsch der Offenlegung von Scope-3-Emissionen mittlerweile nach; doch warum nicht auch bei der Holding? Es ist ja wirklich kein Hexenwerk herauszufinden, dass die Klimabilanz von Porsche und VW besorgniserregend sind; mittlerweile investieren Sie zudem noch in viele weitere Unternehmen, dessen konkrete Angaben der Emissionen in Ihren offiziellen Angaben leider nicht zu finden sind. Die Emissionen steigen weiterhin, anstatt zu sinken. Dies steht im Widerspruch zu den eigenen Klimazielen des Unternehmens. Wir fordern von Ihnen eine ehrliche und transparente ESG-Berichterstattung sowie konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen.
Nachhaltigkeit: Ambitionen und Realität
Porsche verfolgt die Ambition, einen aktiven Beitrag zu leisten, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und sich darüber hinaus um eine Begrenzung auf 1,5 °C zu bemühen.
Im Jahr 2024 wurden 27 % elektrifizierte Neufahrzeuge an Kundinnen und Kunden ausgeliefert – vollelektrisch oder als Plug-in-Hybrid. Dennoch bleibt der Anteil rein elektrisch ausgelieferter Fahrzeuge mit 12,7 % hinter den Erwartungen zurück.
Wir kritisieren zudem das Festhalten an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und das klimafeindliche Lobbying von Oliver Blume im Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Passivität des Vorstands und Aufsichtsrats der Porsche SE.
Sie sind mitverantwortlich für die hohen Emissionen der VW und Porsche AG; das können Sie auch nicht durch das vorenthalten der Scope 3 Emissionen kaschieren.
Ich möchte hier nun deswegen heute folgende Fragen an den Vorstand stellen:
1. VW sowie die Porsche AG betonen kontinuierlich ihre Bemühungen um eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Gesamtverantwortung zum Thema Nachhaltigkeit obliegt dabei in erster Linie jedoch immer dem Vorstandsvorsitzenden, welcher in beiden Fällen Oliver Blume ist. Die Erweiterung von Nachhaltigkeitsbeiräten mit unabhängigen Mitgliedern klingt zwar attraktiv, ist unserer Meinung jedoch nicht ausreichend um eine wirkliche Veränderung zu schaffen. Welche weiteren Kontrollorgane planen Sie, einzuführen? Wie stellen Sie sicher, dass die Nachhaltigkeitsziele tatsächlich eingehalten werden?
2. Planen Sie eine baldige Offenlegung der Scope-3-Emissionen?
3. Wie genau gedenken Sie zudem, die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats zu stärken, um Interessenkonflikte zu vermeiden?
4. Was sind Ihre Pläne, um die Bewertung im Corporate-Governance-Ranking zu verbessern und welche konkreten Schritte werden unternommen?
5. Welche konkreten Branchen oder Technologiefelder hat die Porsche SE im Zuge ihrer angestrebten Diversifizierungsstrategie besonders im Blick?
6. Wie hoch ist aktuell der Anteil des Portfolios, der außerhalb des Automotive-Bereichs investiert ist?
7. Welche Learnings zieht die Porsche SE aus der bisherigen Konzentration auf den Automobilsektor angesichts der anhaltenden Krise in dieser Branche?
8. Nach welchen Kriterien werden neue Investments wie Flix, Waabi oder Quantum Systems ausgewählt?
9. Wie bewertet die Porsche SE den Erfolg dieser jüngeren, nicht-automobilbezogenen Beteiligungen bislang?
10. Gibt es Pläne, sich von einzelnen Bestandsinvestments im Automobilbereich zu trennen?
11. Wie reagiert die Porsche SE auf die wirtschaftliche Abschwächung in Asien? Gibt es genaue Maßnahmen, die Sie uns mitteilen können?
12. Wie genau integriert die Holding bei neuen Investments Kriterien wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder geopolitische Resilienz?
13. Wie soll die Diversifizierungsstrategie finanziert werden? Bleibt es bei den Dividendenzuflüssen aus den Beteiligungen an Porsche und VW als Einnahmequelle?
14. Wie sieht das mittelfristige Renditeziel aus?
Unsere Forderung deswegen: die Entlastung des Vorstands verweigern.
Aufgrund dieser von mir vorhin genannten schwerwiegenden Mängel beantragen wir, den Mitgliedern des Vorstands sowie des Aufsichtsrats die Entlastung für das Geschäftsjahr 2024 zu verweigern.
Es ist an der Zeit, dass die Porsche SE ihre Ambitionen mit konkreten Taten untermauert. Eine unabhängige und effektive Unternehmensführung ist ebenso entscheidend wie eine glaubwürdige und transparente Nachhaltigkeitsstrategie. Porsche muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden – nicht nur gegenüber sich selbst und den Aktionär:innen, sondern auch der Gesellschaft und der Umwelt.
Vielen Dank.