Sehr geehrte Aktionäre, sehr geehrte Vorstände,
mein Name ist Barbara Happe – ich spreche heute für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Ich möchte heute mal mit einem Lob beginnen – ich habe selten einen so klaren und deutlichen Geschäftsbericht gelesen wie den Ihren. Wer Aktien an Rheinmetall hält, der weiß zumindest genau, welche Strategien sein Konzern verfolgt, sowohl im Rüstungs- als auch im Automobilsektor.
Trotzdem sind auch nach intensiver Lektüre noch einige Fragen offen geblieben, um deren Beantwortung ich Sie daher ersuchen möchte:
1. Internationalisierungsstrategie: Riskante Wachstumsstrategie
Laut Geschäftsbericht planen Sie, die seit Jahren verfolgte Strategie einer Internationalisierung des Geschäftsbereiches Defense weiter voranzutreiben. Ihre strategische Priorität liegt dabei in dem Ausbau lokaler Präsenzen in sogenannten wachstumsträchtigen Regionen in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern. Ab 2015 wollen Sie rund 50% des Defence-Umsatzes mit Kunden außerhalb Europas erreichen. Ein Hauptaugenmerk wollen Sie dabei weiter auf den Nahen/Mittleren Osten sowie Nordafrika legen.
Die Menschenrechtslage in dieser Region ist äußerst prekär. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) betrachtet die weiter steigende Bedeutung nordafrikanischer Staaten und Länder aus dem Nahen und Mittleren Osten als Abnehmer deutscher Rüstungsgüter mit großer Sorge.
Gerade Algerien, wo Rheinmetall aktuell eine Fertigungsstraße zur Montage von fast 1.000 Panzern des Typs FUCHS baut, zählt laut dem jüngsten Bericht des Bonn International Center for Conversion (BICC) „zu den problematischsten Empfängerländern“ deutscher Rüstungsgüter und der Export nach Algerien widerspricht gleich in mehreren Punkten dem EU Verhaltenskodex für Rüstungsexporte.
Inwiefern halten Sie es für moralisch und ethisch vertretbar, die Produktion von Panzern und Munition in Spannungsgebiete wie Algerien oder dem Nahen Osten auszulagern oder Rüstungsgüter dorthin zu exportieren?
Wir alle erinnern uns daran, dass ägyptische Sicherheitskräfte Fahd-Radpanzer von Rheinmetall seit Anfang 2011 wiederholt auch bei Demonstrationen und Protesten gegen die Bevölkerung in Ägypten eingesetzt hat. Dazu gibt es hinlänglich Bild- und Fotomaterial, die das eindeutig belegen. Welche Lehren ziehen Sie aus solchen Ereignissen, dass bei Exporten in Spannungs- und Krisengebieten wie Nordafrika schließlich stets die Gefahr besteht, dass diese Panzer oder Munition auch zur Niederwerfung von Demonstranten eingesetzt werden?
Inwiefern haben Sie mit Ihrer Internationalisierungsstrategie Schwierigkeiten, Finanzinstitute zu finden, die diesen Kurs mit stützen wollen? Haben in der jüngsten Vergangenheit Finanzinstitute Kreditvergaben oder die Ausgabe von Anleihen abgelehnt, da dies ihren eigenen Richtlinien, keine Geschäfte in Spannungsgebieten zu machen, widerspricht?
2. Russland-Schadensersatz-Klage?
2011 genehmigte die schwarz-gelbe Bundesregierung das Rheinmetall-Vorhaben, ein Gefechtsübungszentrum nach Russland zu liefern. Nach Besetzung der Krim widerrief Wirtschaftsminister Gabriel 2014 die Exporterlaubnis zwar, da er nicht riskieren wolle, dass die militärischen Auseinandersetzungen durch die Lieferung des Gefechtszentrums noch schlimmer würden. Bis zu 30.000 Soldaten pro Jahr hätte die russische Armee so mit deutscher Technik ausbilden können. Nun Rheinmetall verlangt vom Staat Schadensersatz, in Höhe von 120 Mio. Euro, um im Interesse der Aktionäre des Unternehmens Schäden „zu vermeiden und zu minimieren“.
Wann ist mit einer Entscheidung in Sachen Entschädigungszahlungen zu rechnen?
Inwiefern finden Sie die Entscheidung der Bundesregierung, die Exportgenehmigung zurückzuziehen, vernünftig?
Welche Lehren gedenkt der Konzern aus der Tatsache zu ziehen, dass Rüstungsexporte in Krisengebiete auch ökonomisch höchst risikoreich sind und Konzernbilanzen belasten können? Heute Russland und morgen sind es dann Algerien oder Saudi-Arabien…. .
3. Korruptionsskandale in Indien und Griechenland
Der Rheinmetall Konzern ist wegen Schmiergeldzahlungen an hochrangige griechische Entscheidungsträger bei einem Rüstungsgeschäft mit Griechenland im letzten Jahr zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 37 Millionen Euro verurteilt worden.
Nun ist den Medien zu entnehmen, dass die neue griechische Regierung zusätzlich die Zahlung von 100 Mio. Euro Schadensersatz fordert. Wie stehen Sie als Konzern zu diesen Forderungen? Inwieweit sind Sie zur Zahlung von Schadensersatz bereit bzw. können juristisch dazu verpflichtet werden?
Auch in Indien steht eine Rheinmetall-Tochter Rheinmetall Air Defense (RAD) unter Korruptionsverdacht. Das Unternehmen soll nach Auffassung des indischen Central Bureau of Investigation (CBI) im Jahr 2009 beim Verkauf von Luftabwehrgeschütze Bestechungsgelder gezahlt haben. Rheinmetall kam daraufhin auf eine schwarze Liste der indischen Behörden, die dem Unternehmen bis ins Jahr 2022 verbietet, Rüstungsgüter an Indien zu verkaufen. Gegen diese Anordnung und den damit verbundenen Ausschluss vom indischen Markt geht Rheinmetall Air Defence seit September 2012 vor dem Delhi High Court gerichtlich vor.
Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens, wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? Inwiefern hat es Gespräche zwischen Rheinmetall und der Bundesregierung gegeben, damit letztere sich bei einem Besuch des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMWA in Indien Anfang des Jahres dafür einsetzte, Rheinmetall von der „schwarzen Liste“ zu streichen?
Welche Maßnahmen hat der Konzern im letzten Jahr konkret ergriffen, um in Zukunft Korruptionsfälle, die nicht nur das Image, sondern auch die Bilanzen belasten, effektiv zu vermeiden? Transparency International stellte Ihrem Konzern im jüngst erschienenen Anti-Korruptions-Index 2015 die Note Vier aus. Das ist besser als in den Jahren zuvor, zeigt aber auch, dass bei Rheinmetall weiter großer Nachholbedarf besteht. Inwieweit sehen Sie weiteren Reformbedarf bei Themen wie öffentlich verfügbare Ethik- und Transparenz-Richtlinien oder die Verankerung von Antikorruptionsmaßnahmen im Unternehmen?
Ich freue mich auf Ihre Antworten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.