„Zentrale Rolle des Unternehmens bei der Herstellung von Waffen für die verbrecherischen Angriffskriege der Nazis bleibt unkommentiert“: Rede von Lara Krahlisch

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Lara Krahlisch, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Rheinmetall und NS-Zeit

Vor 80 Jahren wurde Europa vom nationalsozialistischen Terrorregime endgültig befreit. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie, zusammen mit vielen weiteren Vorstandsvorsitzenden deutscher Unternehmen die Erklärung unterzeichnet haben, in dem Sie sich aus der daraus folgenden Verantwortung, die keinen Schlussstrich kennen kann, bekennen. Danke für Ihre klaren Worte, dass eben vor allem auch deutsche Unternehmen dazu beitrugen, ich zitiere: „die Herrschaft der Nationalsozialisten zu festigen. Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt.“

Wir begrüßen diese Positionierung ihrerseits ausdrücklich. Allerdings wirft ein Blick auf die firmeneigene Darstellung der Unternehmensgeschichte im Zeitraum 1936 bis 1945 Fragen auf. Unter der Überschrift „Ein Werk oder Berge aus Papier?“ konzentriert sich Rheinmetall auf Bürokratieprobleme beim Bau von Rüstungsfabriken während des Krieges. So steht dort zu lesen: „Selbst die für den immer noch erhofften ‚Endsieg‘ notwendige Waffenfertigung wurde durch die Bürokratie immer wieder ausgebremst“. Zwangsarbeit wird lediglich am Rande erwähnt, ohne eine angemessene moralische Einordnung. Die zentrale Rolle des Unternehmens bei der Herstellung von Waffen für die verbrecherischen Angriffskriege der Nazis bleibt unkommentiert.

Eine transparente und umfassende Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist unerlässlich, um dem in der Erklärung bekundeten Verantwortungsbewusstsein gerecht zu werden.

Daher haben wir Fragen zur weiteren Aufarbeitung:

• Welche konkreten Konsequenzen zieht Rheinmetall aus der Erklärung vom 8. Mai 2025?

• Plant das Unternehmen eine intensivere Aufarbeitung der eigenen Verstrickungen mit der NS-Zeit?

• Ist Rheinmetall der Ansicht, dass bereits eine vollständige Aufarbeitung erfolgt ist? Wenn ja, in welcher Form hat diese wissenschaftliche Aufarbeitung konkret stattgefunden?

• Zwischen 1933 und 1945 gehörten auch mutige Widerstandskämpfer dem von Rheinmetall aktuell gesponsorten Fußballverein Borussia Dortmund an – Menschen, die sich dem NS-Regime entgegenstellten und für ihren Einsatz mitunter mit dem Leben bezahlten. War sich Rheinmetall dieser Seite der BVB-Geschichte bewusst, als man sich zum Sponsoring entschloss? Und: Welche Bedeutung misst Rheinmetall dem Umstand bei, dass ausgerechnet ein Unternehmen, das als Profiteur des NS-Unrechts gilt, nun einen Verein unterstützt, dessen Mitglieder einst gegen eben dieses Unrecht kämpften?

Südafrika und Algerien:

Doch nicht nur die Vergangenheit des Unternehmens wirft Fragen auf – auch aktuelle Entwicklungen im internationalen Geschäftsfeld Rheinmetalls geben Anlass zur Sorge.

Wir haben weitere Fragen zu ihren Auslandsgeschäften:

• Rheinmetall plant, sein Anlagenbau-Portfolio durch eine Mehrheitsbeteiligung an der Resonant Holdings (Pty) Ltd, einem südafrikanischen Spezialisten für Anlagenbau, zu erweitern. Mit der geplanten Mehrheitsbeteiligung reagiere Rheinmetall auf die weltweit steigende Nachfrage im Munitionsbereich und die Anforderungen an den Bau entsprechender Produktionsanlagen. Wo plant Rheinmetall zukünftig solche Produktionsanlagen zu bauen? Inwiefern liegen bereits erste Aufträge vor? Inwiefern schließt der Konzern den Bau von weiteren Munitionsfabriken in Nicht-EU- und Nicht-NATO-Ländern aus?

Algerien

• Im Januar 2024 verkündet Rheinmetall von einem internationalen Partner den Auftrag erhalten zu haben, Bausätze für gepanzerte Fahrzeuge des Typs Fuchs 2 zu liefern. Handelt es sich bei diesem internationalen Partner um Algerien? Wenn nicht, um wem handelt es sich dann?

• Rheinmetall fertigt Fuchs 2-Panzer in Algerien. Wurden Rheinmetall-Produkte bereits aus Algerien heraus exportiert bzw. planen Sie dies? Wenn bereits exportiert wurde: Wohin wurde exportiert? Nennen Sie bitte das Jahr, das Rüstungsgut und die Empfänger.

Ungarn

Ein weiteres Beispiel für die Expansion Rheinmetalls ist die wirtschaftliche und politische Verflechtung mit Ungarn – ein Engagement, das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch demokratiepolitische Fragen aufwirft.

Daher fragen wir Sie:

  • Wie kam der Einstieg von Rheinmetall bei der Viktor Orbán nahestehenden ungarischen Firma 4iG Nyrt (4iG) zustande?
  • Hatte die ungarische Regierung Rheinmetall gebeten, bei 4iG einzusteigen?
  • Geschah der Einstieg von Rheinmetall bei 4iG, um dem Orbán-Regime einen Gefallen zu tun – vor dem Hintergrund, dass 4iG laut ungarischen Medienberichten als Orbáns „Lieblingsfirma“ gilt?
  • Hat Rheinmetall es mit seinem Einstieg und seiner Kapitalzufuhr 4iG erleichtert, gemeinsam mit einer staatlichen ungarischen Firma den Betreiber Vodafone Ungarn zu übernehmen?
  • Wie schätzt der Vorstand die Auffassung eines Ausschusses des EU-Parlaments ein, dass die Übernahme von Vodafone Ungarn durch 4iG und seine Partner die Überwachungsgefahren für ungarische Bürger erhöht hat?
  • Wie schätzt der Vorstand das Risiko ein, dass Sie mit der Beteiligung an 4iG das autokratische Regime von Viktor Orbán stärken?
  • Rheinmetall hatte angekündigt, dass 4iG oder auch ein später gegründetes Joint Venture „Digitalisierungsdienstleister für Rheinmetall“ werden soll. Zuletzt im November 2024 bekräftigte Ihr damaliges Vorstandsmitglied Dagmar Steinert laut Presseberichten aber, dass man dabei sei, „alle IT-Dienstleistungen ins Haus zu holen“. Was sagt der Vorstand zu dem Verdacht, dass es keinen genuinen geschäftlichen Grund gab, sich an 4iG zu beteiligen?
  • Im Mai 2024 verhängte die portugiesische Finanzmarktaufsicht eine Geldbuße über Ihre Miteigentümerfirma bei 4iG, Alpac Capital, wegen Versäumnissen bei der Geldwäschebekämpfung. Wie beurteilt der Vorstand den Leumund von Alpac Capital und insgesamt den Aktionärskreis bei 4iG?
  • Wie steht der Vorstand von Rheinmetall zu dem Kooperationsabkommen mit Huawei, das der 4iG-Chef Jászai Gellért im Oktober 2023 unterzeichnete? Wie stehen Sie zu der „strategischen“ Kooperation von 4iG mit Huawei?
  • Im Jahresabschluss für 2024 äußert Ihr Abschlussprüfer Deloitte dies: „In Bezug auf die Beteiligung an der 4iG Nyrt, Budapest, Ungarn, haben wir die Einschätzung des Vorstands hinsichtlich der Werthaltigkeit einer kritischen Würdigung unterzogen und insbesondere die Entwicklung des Börsenkurses mit in unsere Betrachtungen einbezogen.“ Welche Folgerungen schließt der Vorstand aus der Tatsache, dass der Abschlussprüfer offensichtlich Zweifel an der Einschätzung der Werthaltigkeit von 4iG hatte, die der Vorstand vertritt?
  • Wie erklären Sie sich, dass die ungarische Regierung vor der Beschaffungsentscheidung für den Lynx anders als die Behörden in Tschechien, Slowakei und Australien offenbar keine Fahrzeugalternativen anderer Hersteller erwog? War das für sie ein treibendes Motiv für Ihre ein Jahr später angekündigte Beteiligung bei 4iG, quasi als Ihre Belohnung für den Auftrag?
  • Im Jahr 2023 hat Rheinmetall den früheren ungarischen Regierungskommissar und Rüstungsdirektor Gáspár Maróth eingestellt. Was war der Grund für diese Entscheidung?
  • Wie beurteilt Rheinmetall die Putin-Nähe von Viktor Orbán und welche Vorkehrungen wurden getroffen, um einen Abfluss sensitiver Informationen nach Russland zu verhindern?

Spenden

Neben der internationalen Expansion rückt auch das politische Engagement Rheinmetalls in den Fokus – insbesondere im Hinblick auf Spenden und mögliche Einflussnahmen auf parlamentarische Entscheidungen.

Wir haben dazu folgende Fragen:

Was gab es im vergangenen Geschäftsjahr von Rheinmetall an Spenden an Parteien oder parteinahe Organisationen und um welche Parteien oder Organisationen handelte es sich dabei im Einzelnen mit jeweils welcher Spendenhöhe?

Die Rheinmetall-Tochterfirma Blackned hat zur Unterstützung im Bundestagswahlkampf Geld an mehrere Bundestagsabgeordnete gespendet. Dabei wurden ganz gezielt Politiker*innen ausgesucht, die im Haushalts- und Verteidigungsausschuss über die Verwendung des Sondervermögens beraten und mitentscheiden, welche Rüstungsgüter konkret gekauft werden sollen. Inwieweit war der Mutterkonzern über dieses Handeln von Blackned informiert und wie bewerten Sie dies?

Gab es im vergangenen Jahr in irgendeiner direkten oder indirekten Form Spenden, Vergünstigungen oder andere Zuwendungen an Herrn Otte, an den CDU-Kreisverband Celle, und falls ja, um was für Aufwendungen welcher finanziellen Höhe handelte es sich dabei im Einzelnen?

Übergewinnsteuer

Nicht zuletzt steht Rheinmetall durch die immensen Gewinnsteigerungen seit Beginn der sogenannten Zeitenwende auch wirtschaftlich im Zentrum öffentlicher Debatten – insbesondere im Hinblick auf die Frage einer gerechten Besteuerung krisenbedingter Übergewinne.

Rheinmetall hat seit der Zeitenwende massiv von staatlichen Aufrüstungsprogrammen profitiert und dabei die eigenen Gewinne massiv gesteigert. Im Vergleich zum Zeitraum von 2018-2021 lagen die Nettogewinne im Jahr 2022 mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 und im Jahr 2024 war er mehr als 3,5-mal so hoch wie der Durchschnittswert.

• Wie hoch ist der Anteil von den Gewinnen, die als Dividenden ausgeschüttet werden?

• In welchem Umfang sind die aktuellen Gewinnsteigerungen auf erhöhte staatliche Rüstungsaufträge aus D zurückzuführen?

• Wie werden diese zusätzlichen Gewinne verwendet? Inwiefern ist gesichert, dass sie nicht für das Expansionsstreben des Unternehmens im Rahmen seiner Internationalisierungsstrategie, inkl. der Schaffung von Heimatmärkten verwendet werden?

• Welche Maßnahmen ergreift Ihr Unternehmen, um Transparenz über die Verwendung der Mittel aus staatlichen Aufträgen zu gewährleisten?

• Wie steht Ihr Unternehmen zur Einführung einer Übergewinnsteuer für die Rüstungsindustrie?

• Wie hoch bewerten Sie das Risiko, dass zur Gegenfinanzierung des „Whatever it takes“ eine Übergewinnsteuer eingeführt wird? Diese Gewinne beruhen schließlich nicht auf eigener Leistung, sondern gestiegener, krisenbedingter Nachfrage durch die Bundesregierung und vieler anderer EU-Staaten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Rheinmetall steht im Zentrum grundlegender gesellschaftlicher Debatten – über historische Verantwortung, über ethische Grenzen wirtschaftlichen Handelns, über die Rolle von Konzernen in Demokratien und in internationalen Konflikten.

Die von uns aufgeworfenen Fragen zielen nicht auf pauschale Verurteilung, sondern auf Transparenz, Verantwortung und echte unternehmerische Selbstreflexion.

Wir fordern Sie auf, Ihren Einfluss nicht nur zur Sicherung von Profiten, sondern zur Stärkung von Demokratie, Menschenrechten und Friedenssicherung zu nutzen. Vielen Dank.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/rheinmetall/zentrale-rolle-des-unternehmens-bei-der-herstellung-von-waffen-fuer-die-verbrecherischen-angriffskriege-der-nazis-bleibt-unkommentiert-rede-von-lara-krahlisch/