Rede Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

mich würden Ihre Kontroll- und Sorgfaltspflichten in Bezug auf die menschenrechtlichen, sozialen sowie umweltbezogenen Dimensionen bei Ihren Zulieferer interessieren. Denn Ihre metallischen Rohstoffe beziehen Sie ja aus konkreten Minen. Wenn es nun zu Verletzungen und Verstößen kommt, nehmen wir beispielsweise eine Kohlemine in Kolumbien und eine Erzmine in Brasilien: Wie reagieren Sie dann?

Dazu habe ich einige konkrete Fragen: Wie oft kommt es im Jahresdurchschnitt vor, dass Auditoren in Ihrem Auftrag Ihre Zulieferer besuchen? Wie oft in den vergangenen Jahren haben Sie die Geschäftsbeziehungen zu einem Zulieferer wegen Verstößen gegen den Code of Conduct beendet? Und ganz konkret zu den Auditoren eine Frage: Wie oft im Jahr besuchen die von Ihnen beauftragten Auditoren die Erzmine von Carajás in Amazonien, von wo Sie ja einen beachtlichen Teil Ihrer Erzrohstoffe her beziehen? Dazu die Frage: Wie viele Tonnen beziehen Sie jährlich aus Carajás? Wenn Deutschland jährlich 20 Mio. Tonnen aus Carajás importiert, und ThyssenKrupp davon ca. ein Drittel bezieht, entfällt dann auf die Salzgitter AG ca. ein Sechstel, also etwas mehr als drei Mio. Tonnen, wenn ich mich nicht verrechnet habe? Können Sie diese Zahlen bestätigen?

Und daran anschließend die Frage: Der Vorortbesuch Ihrer Auditoren – so er denn überhaupt stattfindet – fokussiert der ausschließlich auf die Mine oder werden auch Erhebungen im Umfeld vorgenommen, sprich: Luftqualität in Açailândia, soziale Situation entlang der Bahnlinie nach São Luís und die Arbeits- und Umweltbedingungen in der Holzkohleproduktion bei Carajás vor Ort? Und: Können Sie kategorisch und a priori ausschließen, dass Ihr Unternehmensverbund irgendwelche verarbeiteten Eisenrohstoffe oder deren Derivate aus Brasiliens Carajás-Region bezieht, die mittels sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen nach ILO-Definition und brasilianischer Gesetzgebung hergestellt wurde? Ich will Ihre klare und unmißverständliche Aussage diesbezüglich. Vielen Dank im voraus.

Zu Kokskohle habe ich folgende Frage: Können Sie der Herkunft (Mine, Menge, Jahreszahlen) benennen, aus der die von Ihnen verbrauchte Kokskohle stammt? Schicken Sie Ihre Auditoren da auch hin?

Allgemein würde mich interessieren: Wie kontrollieren Sie die Herkunft der Rohstoffe, wie lückenlos ist die Kontrolle Ihrer Sorgfaltspflicht, wie dokumentieren und kontrollieren Sie das? Und wie kontrollieren Sie die Zulieferer Ihrer Zulieferer? Interessante Frage, die Sie sicherlich mit einer interessanten Antwort befriedigen können.

Auschlussreich scheint mir da ein Blick in Ihren Jahresbericht. Dort tauchen „Rohstoffe“ als Begriffe nur auf, wenn es um die Preisentwicklung und das Risiko der Rohstoffsicherung geht. Der Begriff „Menschenrechte“ taucht da interessanterweise gar nicht auf. „Umwelt“ taucht in Ihrem Jahresbericht 26 Mal auf, davon aber an die 10 Mal, wenn es um Umwelt-Auflagen, Umwelt-Risiken und umweltrechtliche Bestimmungen geht.

Da fällt doch schon auf, dass das Thema der Rohstoffe vorrangig unter dem Aspekt „Risiko der Rohstoffverfügbarkeit“ abgehandelt wird. Damit sind Sie leider nicht allein. Denn vor allem im Hinblick auf Rohstoffbeschafung reden sich die Konzerne ja immer gerne raus. Daimler sagte mir sinngemäß auf der HV letzten Monat den bemerkenswerten Satz „Aufgrund der Komplexität im Bereich Rohstoffe steht eine detaillierte Rückverfolgung der Rohstoffe auf deren sozial- und umweltbezogene Produktionszusammenhänge derzeit in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis“. Tja, ignoranter und zynischer kann angesichts eines Milliardengewinns eines DAX-Konzerns ja kaum über Menschenrechte und Umwelt lapidar als Kollateralschaden hinweggesehen werden. Ich will von Ihnen gerne hören, wie Sie es anders zu machen gedenken!

Der Begriff „nachhaltig“ beziehungsweise „Nachhaltigkeit“ taucht in Ihrem Geschäftsbericht 37 Mal auf, weit über zwei Dutzend Mal, aber irgendwie fast immer nur, wenn es um „nachhaltiges Wachstum“, „nachhaltige Verbesserung der Ergebnisperformance“, „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ oder einen „nachhaltigen Unternehmenserfolg“ geht. Ist Ihnen diese inflationäre Sinnentleerung eines aus der Ökologie stammenden Begriffs nicht selber peinlich? Können Sie nicht besser die weniger augenwischenden Begriffe „anhaltend, auf lange/längere Sicht, dauerhaft, eindringlich, einschneidend, entscheidend, entschieden, fortgesetzt, fortwährend, fühlbar, für lange/längere Zeit, merklich, spürbar, wirksam“ verwenden? Ein Blick in den Duden reicht dafür.

Das Alles müsste einen ja schon mal nachdenklich stimmen. Aber im Kapitel „Schutz der Umwelt“ wird die Salzgitter AG dann aber endlich deutlich: Eine ganze Seite der insgesamt dreiseitigen Darstellung des Themas „Schutz der Umwelt“ wird erstmal ausführlich gewidmet der Frage nach dem Ende 2013 seitens der EU-Kommission eingeleiteten Beihilfeprüfverfahren hinsichtlich des deutschen Erneuerbare Energien Gesetzes sowie den EU-Ratsbeschlüssen vom 23. Oktober 2014 zu den Eckpunkten der Ausgestaltung des für die Stahlindustrie bedeutsamen europäischen Emissionsrechtehandels nach 2020. Und diese Punkte werden explizit abgehandelt als Bedrohung, als Risiko, als existenzgefährdend (OTon: „Große Sorge bereiten uns die zunehmende Belastung der Energieversorgung mit Abgaben und die angestrebte Verschärfung der Umweltauflagen“), so dass die Salzgitter die von staatlich-regulatorischer Seite zu treffenden Entscheidungen über Umweltschutz und Emissionsminderung als „nicht zielführend eingestuft“ werden.

Und zum Schluss habe ich doch noch zwei konkrete Fragen:

Auf wie viele Tonnen jährlich beziffern Sie in Ihrem Unternehmen Ihren CO2-Ausstoß?

Wie hoch lag im Input der Stahlerzeugung die erreichte Recyclingquote? Dazu wüsste ich gerne die Vergleichswerte der letzten zehn Jahre. Und welche Maßnahmen Sie ergriffen haben oder zu ergreifen gedenken, diesen Wert zu erhöhen (da würde ich Ihnen dann doch ausnahmsweise die Verwendung des Begriffs „nachhaltig“ zugestehen…)?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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