„Salzgitter muss bei Lieferanten sorgfältiger auf Umweltstandards und Menschenrechte achten“: Rede von Markus Dufner


Sehr geehrte Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Salzgitter AG!
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!

Mein Name ist Markus Dufner, ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Wir vertreten die Stimmrechte von Kleinaktionärinnen und -aktionären.

Ich freue mich, dass die Salzgitter AG zum Format der Präsenz-Hauptversammlung zurückgekehrt ist. Ihnen ist es offenbar wichtig, mit uns Aktionärinnen und Aktionären in einen Dialog zu kommen. Bitte bleiben Sie auch in Zukunft dabei.

Sehr wichtig ist auch der Dialog mit der Zivilgesellschaft. So sprachen Sie, Herr Groebler, im Januar mit Christoph Bals, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. In Bezug zur Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft und klimaneutralen Produktion sagten Sie: „Ich bin froh und dankbar, dass wir das technische Konzept haben, dies hat uns in die Lage versetzt, Taktgeber und später Role Model der Transformation zu sein.“
https://www.salzgitter-ag.com/de/newsroom/pressemeldungen/details/zu-besuch-bei-germanwatch-20678.html

Auch ich bin ein Vertreter der Zivilgesellschaft, der versucht, mit Ihnen in einen Dialog zu kommen. Die großen Themen, die ich in meiner Rede anspreche, sind Klimaschutz und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Ich bitte um Auskunft zum Programm SALCOS, zum Memorandum of Understanding mit Rio Tinto und zur Beteiligung der Salzgitter AG an Aurubis.

Im Jahr 2020 verursachte die deutsche Stahlindustrie Treibhausgasemissionen in Höhe von rund 48 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Als zweitgrößter Stahlhersteller in Deutschland und fünftgrößter Produzent in Europa gehört die Salzgitter AG zu den maßgeblichen Klimakillern: Unser Unternehmen trägt zu einem Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes in Deutschland bei.

Daher ist es unausweichlich, dass sich die Salzgitter AG transformiert. Ab 2025 soll die reguläre Stahlproduktion auf wasserstoffbasierter Technik beginnen. Innerhalb von zehn Jahren sollen dann 95 Prozent der heutigen CO2-Emissionen eingespart werden. Die Zauberformel heißt SALCOS: Salzgitter Low CO2 Steelmaking. 

Herr Groebler, es scheint so, dass sich unser Unternehmen auf dem richtigen Weg befindet. Erlauben Sie mir, dennoch ein bisschen nachzufragen, um herauszufinden, ob und wie sich Ihre Pläne umsetzen lassen. Beim Umbau der Salzgitter AG setzen Sie ganz auf grünen Wasserstoff. Das Problem ist aber: Grüner Wasserstoff ist derzeit noch gar nicht in nennenswerten Mengen lieferbar.

Ab wann und woher bekommen Sie grünen Wasserstoff?
Zu welchem Anteil aus eigener Produktion?
Welche Lieferanten in welchen Ländern werden welchen Anteil beisteuern?
Wie hoch sollen die Investitionen in SALCOS insgesamt sein?
Sind die sieben Großwindräder, die die Salzgitter AG am Hauptsitz bereits in Betrieb nahm, Bestandteil von SALCOS?
Wenn Sie bereits von 2026 mehr als eine Million Tonnen Stahl pro Jahr „grün“ erzeugen, brauchen Sie immer weniger Kokskohle. Welche Mengen Kohle werden Sie aber bis dahin noch beziehen und aus welchen Ländern?

Im Zusammenhang mit SALCOS hat die Salzgitter AG eine Absichtserklärung mit dem Bergbaukonzern Rio Tinto unterzeichnet. In einer Pressemitteilung im Juni 2022 teilte die Salzgitter AG mit: „Dabei liegt ein Fokus auf der zukünftigen Lieferung von hochwertigen Eisenerzprodukten für das SALCOS®-Programm.“

Vorstandsvorsitzender Gunnar Gräbler sieht kein Problem beim Salzgitter-Partner Rio Tinto.

Herr Groebler, es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass der britisch-australische Konzern Rio Tinto einen denkbar schlechten Ruf hat. Die Unternehmensgeschichte von Rio Tinto ist geprägt von Skandalen in allen ESG-Bereichen – bei Umwelt, Menschenrechten, Sozialem und in der Unternehmensführung.

Vor einem Jahr erst erschütterte ein Skandalbericht den Bergbauriesen:
„Rio Tinto hat ein großes Problem mit seiner Unternehmenskultur – nun auch offiziell und durch einen Untersuchungsbericht bestätigt“, so der Österreichische Rundfunk. „Darin ist die Rede von Schikanen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als ´System‘, ebenso von Mobbing, Rassismus, Belästigung und sexuellem Missbrauch, alles zugedeckt von einer ´Kultur des Schweigens´.“

2020 berichteten die Medien weltweit über die Sprengung heiliger Stätten in Australien. Der Vorfall sorgte für viel Empörung. Um an Erz zu gelangen, hatte der Rio-Tinto-Konzern zwei heilige Stätten der australischen Ureinwohner in die Luft. In der Folge musste der Vorstandsvorsitzende von Rio Tinto zurücktreten.

Die Panguna-Mine in Papua-Neuguinea war in den 1970er und 1980er Jahren eine der größten Gold- und Kupfertagebauminen der Welt. Sie befand sich mehrheitlich im Besitz von Conzinc Rio Tinto of Australia (CRA), dem heutigen Rio Tinto. Die Mine brachte dem Unternehmen enorme Gewinne ein und verursachte in den von der Mine betroffenen Gebieten schwerwiegende Umweltschäden, die in der Folge die Hauptursache für den Bürgerkrieg waren, der Bougainville in den 1990er Jahren zerstörte. Zuletzt wurden Überlegungen bekannt, die Mine wieder zu eröffnen.
https://www.jubileeaustralia.org/news/blog/post/re-opening-panguna-mine-not-yet

Am 21. Juli 2021 veröffentlichten Rio Tinto, das Human Rights Law Centre (HRLC) in Melbourne und Vertreter*innen der betroffenen Gemeinden in Bougainville eine gemeinsame Stellungnahme, in der sich der Bergbaumulti verpflichtet, eine unabhängige Untersuchung der Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen in Folge des Betriebs der Panguna-Mine auf Bougainville zu finanzieren. https://blog.misereor.de/2021/08/06/endlich-rio-tinto-stellt-sich-der-verantwortung-fuer-umweltzerstoerungen-auf-bougainville/

Meine Fragen hierzu:
Sind Ihnen die Vorwürfe gegen Rio Tinto bekannt?
Ist Ihnen die gemeinsame Stellungnahme von Rio Tinto, des HRLC und der betroffenen Gemeinden in Bougainville bekannt?
Wie bewerten Sie die Risiken durch den schlechten Ruf des Kooperationspartners Rio Tinto für die Salzgitter AG aus?
Welche Mengen von Eisenerz bezog die Salzgitter AG von Rio Tinto in den Jahren 2020, 2021 uns 2022?
Soll die Menge an Eisenerz, die Sie von Rio Tinto beziehen, gesteigert werden?
Welche anderen Rohstoffe bezog die Salzgitter AG in der Vergangenheit von Rio Tinto?  

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft.
Herr Groebler, ist die Salzgitter AG ausreichend auf das Lieferkettengesetz vorbereitet?
Wie viele Personen im Unternehmen sind mit der Umsetzung des Lieferkettengesetzes beschäftigt?
An welchen Stellen sehen Sie noch Verbesserungsbedarf, um den Anforderungen des Lieferkettengesetzes gerecht zu werden?
Herr Groebler, in dem vorhin bereits erwähnten Gespräch mit Germanwatch sagten Sie:
„Wir schauen uns sehr genau an, wo unsere Vorprodukte herkommen und wo unsere Produkte hingehen. In Europa ist unser Einfluss groß, aber im globalen Kontext sind wir eher klein. Damit haben wir einen relativ kurzen Hebel gegenüber unseren Vorlieferanten, die teilweise deutlich größer sind als wir selbst.“ Klingt das nicht eher danach, dass Sie Ihre Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des Lieferkettengesetzes auf andere abschieben wollen?

Fragen zu Nickel-Importen aus Russland
Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) sind die Importe von Nickel aus Russland auch nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gesunken. Herr Groebler, die zur Salzgitter AG gehörende Mannesmann Stainless Tubes-Gruppe produziert an vier Standorten in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA nahtlose Edelstahl- und Nickelbasisrohre. Als Legierungselement von Edelstahl trägt Nickel unter anderem dazu bei, dass sich das Material leichter polieren lässt. Meine Fragen dazu:

  1. Aus welchen Ländern und von welchen Unternehmen haben Sie 2022 Nickel in welchem Umfang in Gewicht und Preis bezogen?
  2. Aus welchen Ländern und von welchen Unternehmen beziehen Sie aktuell Nickel in welchem Umfang in Gewicht und Preis?
  3. Beziehen Sie Nickel aus Russland und falls ja, in welchem Umfang wollen Sie dies auch in Zukunft noch tun?
  4. Haben Sie Abnahmeverträge mit dem russischen Unternehmen Nornickel (Norilsk Nickel) und wenn ja, in welchem Umfang und mit welchen Laufzeiten?
  5. Haben Sie weitere Verträge mit russischen Unternehmen? Falls ja, wie sehen und bewerten Sie die Risken von Sanktionen sowie menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken?

Nun zur Aurubis AG.
Meine Damen und Herren, die Salzgitter AG ist mit 30 Prozent größter Anteilseigner der Aurubis AG. Herr Groebler, Sie sind Mitglied im Aufsichtsrat der Aurubis AG.

Ich gehe davon aus, dass Sie über Grundsätze und Details der Zusammenarbeit zwischen Aurubis und dem chilenischen Bergbaukonzern CODELCO informiert sind. Ende Januar war der Vorstandsvorsitzende von Aurubis, Herr Dr. Harings, zu Gast bei CODELCO in Santiago de Chile. Die Corporación Nacional del Cobre de Chile ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Bergbau-Kupferproduzent mit einem Weltmarktanteil von 8 Produzent.
Herr Groebler, waren Sie damals auch Mitglied der Delegation um Herrn Dr. Harings?

Herr Dr. Harings und der Chef von CODELCO unterzeichneten ein sogenanntes Memorandum of Understanding, eine „Absichtserklärung zur Zusammenarbeit für eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Kupfer-Wertschöpfungskette“. Auch das klingt erst einmal gut. Wenn man aber weiß, wie CODELCO Kupfer abbaut, dann muss man sagen, dass der Konzern durch den Betrieb seiner Minen eine ökologische Katastrophe verursacht und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten außer Acht lässt. Der NDR hat am 25.10.2022 in der Doku  „Schmutziges Kupfer – Die dunkle Seite der Energiewende“ über CODELCO und die Zustände in der Mine Chuquicamata berichtet.
Herr Groebler, haben Sie Herrn Harings darauf hingewiesen, dass die Bergbautätigkeit von CODELCO mit extremer Umweltzerstörung und der Vernachlässigung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten einhergeht?
Wenn ja, warum hat sich Herr Dr. Harings trotzdem entschieden, das Memorandum zu unterzeichnen?
Wenn nein, warum habe Sie Herrn Dr. Harings nicht darauf hingewiesen?
Ist CODELCO direkter oder indirekter Lieferant der Salzgitter AG?
Wenn ja, wie viel Kupfer hat die Salzgitter AG direkt oder über andere Zulieferer von CODELCO erhalten in den Jahren 2020, 2021 und 2022?

Herr Groebler, auf der diesjährigen Hauptversammlung der Aurubis AG am 16. Februar verließen Sie für einige Zeit ihren Platz auf der Aufsichtsratsbank und setzten sich neben den Ex-Vorstandsvorsitzenden von Aurubis, Werner Marnette.
Was war Gegenstand Ihres Gesprächs?
Herr Marnette ist bekanntermaßen kein Anhänger der erneuerbaren Energien. Dies machte er in seinem Redebeitrag und durch seine Fragen auf der Aurubis-Hauptversammlung klar. Hat Herr von Marnette versucht, Sie davon zu überzeugen, dass die Produktion von grünem Stahl aussichtslos ist?
Ist die Firma von Herrn Marnette, Marnette Consulting, für die Salzgitter AG tätig?
Wenn ja: Seit wann, in welchem Umfang und in welchen Angelegenheiten werden Sie von der Marnette Consulting beraten?

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend folgendes Fazit ziehen:

1. Die Salzgitter AG muss bei der Wahl ihrer Kooperationspartner und Lieferanten noch sorgfältiger auf die Einhaltung von Umweltstandards und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten achten.
2. Gesetze wie das deutsche Lieferkettengesetz oder das EU-Lieferkettengesetz, über das noch verhandelt wird, sind in zweifacher Hinsicht nützlich:
– Sie stärken die Marktmacht Europas.
– Sie helfen, in der Welt den Druck auf die Einhaltung der Menschenrechte und auf die Klimapolitik zu erhöhen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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