„Frau Grimm wird zunehmend als einseitige Lobbystimme wahrgenommen“: Rede von Christina Deckwirth, Lobbycontrol

Sehr geehrter Herr Bruch, sehr geehrter Herr Kaeser, sehr geehrter Vorstand, Aufsichtsrat und sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Christina Deckwirth, ich spreche hier für die Transparenzinitiative LobbyControl. Ich bedanke mich bei den Kritischen Aktionären, die mir ihr Rederecht übertragen haben.

LobbyControl beschäftigt sich mit den Themen Transparenz, Integrität und kritisiert Fälle von problematischen Interessenkonflikten.

In diesem Zusammenhang hat uns die Berufung von Veronika Grimm in Ihren Aufsichtsrat intensiv beschäftigt. Denn: Frau Grimm hat seitdem eine überaus problematische Doppelrolle. Sie wurde als unabhängige Wissenschaftlerin in den Sachverständigenrat Wirtschaft berufen.

Als sogenannte Wirtschaftsweise hat sie die Funktion, die Bundesregierung unabhängig zu beraten – und zwar als Energiewirtschaftsexpertin auch zu Fragen, die in den Geschäftsbereich von Siemens Energy fallen.

Als Wissenschaftlerin äußert sie sich zum Beispiel immer wieder zu Wasserstoff – einem Bereich, in dem Siemens Energy Geschäftsinteressen hat.

ABER: Wissenschaftliche Beratung muss frei vom Verdacht finanzieller Interessen sein.

Deswegen verbietet es sich für eine Wissenschaftlerin und Regierungsberaterin, ein hoch bezahltes Aufsichtsratsmandat anzunehmen – erst recht, wenn sich dies auch noch mit ihren Forschungs- und Beratungsthemen überschneidet. Das ist ein klarer Interessenkonflikt.

Das haben nicht nur wir scharf kritisiert, sondern auch sämtliche anderen Wirtschaftsweisen. Auch sonst gab es viel öffentliche Kritik an dem Fall. Selbst die Siemens AG hat auf der letzten Siemens Energy Hauptversammlung Jahr Grimm wegen ihres Interessenkonflikts ihre Stimme bei der Wahl zur Aufsichtsrätin verweigert. Zu Recht!

Die Ereignisse des letzten Jahres haben unsere Kritik weiter bestätigt:

Erstens: Die Wirtschaftsweisen haben sich anlässlich Grimms Interessenkonflikt neue Compliance-Regeln gegeben. Damit soll verhindert werden, dass Wirtschaftsweise in ähnliche Interessenkonflikte wie Grimm geraten. Das ist sehr gut. Doch: Trotz dieses Drucks hält Grimm weiter an ihrem Aufsichtsratsmandat fest.

Und noch fragwürdiger: Frau Grimm hat ihre Unterschrift unter den Compliance-Regeln verweigert und sogar Klage dagegen eingereicht. Das zeigt noch einmal sehr deutlich, dass Frau Grimm ihren offensichtlichen Interessenkonflikt ignoriert. Und es zeigt auch, wie sich der Konflikt im Sachverständigenrat zugespitzt hat. Frau Grimm beschädigt hier die Integrität und das Ansehen des renommierten Gremiums!

Zweitens: Auch im vergangenen Jahr fiel Frau Grimm wiederholt in der Öffentlichkeit als einseitige Befürworterin für Wasserstoff auf. Dazu ist wichtig zu wissen: Frau Grimm sitzt ja nicht nur bei Ihnen im Aufsichtsrat, sondern ist auch noch Vorständin im Zentrum Wasserstoff Bayern. Auch hier hat sie enge Verbindungen zu Unternehmen mit Geschäftsinteressen im Bereich Wasserstoff.

Auffällig war in diesem Kontext: Frau Grimm hat beim Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen ein Minderheitenvotum zu Protokoll gegeben. Darin spricht sie sich klar für die Verwendung von Wasserstoff im Straßengüterverkehr aus. Das widerspricht der Einschätzung aller übrigen Wirtschaftsweisen und zahlreichen weiteren ausgewiesenen Fachleuten.

Solch auffällige Außenseitermeinung und deren mögliche Verbindungen zu entsprechenden Geschäftsinteressen schaden Grimms Ansehen und ihrer Glaubwürdigkeit enorm. Grimm wird deswegen zunehmend als einseitige Lobbystimme wahrgenommen und nicht mehr als ernstzunehmende Wissenschaftlerin.

Die beiden Fälle zeigen: Der Fall Grimm erweckt den Anschein fragwürdiger Einflussnahme und beschädigt damit auch das Ansehen der renommierten Wirtschaftsweisen. Siemens Energy sollte diesem keinen Vorschub leisten.

Wir haben Frau Grimm letztes Jahr aufgefordert, ihr Aufsichtsratsmandat nicht anzunehmen. Jetzt fordern wir sie auf, das Aufsichtsratsmandat niederzulegen. Tut sie dies nicht, sollte sie aus dem Rat der Wirtschaftsweisen ausscheiden. Beides zusammen geht nicht!

Zu Grimms Interessenkonflikt haben wir eine Online-Petition gestartet, die hohe Wellen geschlagen hat. Mittlerweile unterstützen fast 21.000 Personen unsere Forderungen. Auch das Medieninteresse war im letzten Jahr enorm.

Der Fall sorgt also für viel Empörung. Und das wirft auch ein schlechtes Licht auf den Konzern Siemens Energy.

Deswegen fordern wir Sie hier auf, Veronika Grimm als Aufsichtsrätin nicht zu entlasten.

Wir haben folgende Fragen an Sie, Herr Kaeser:

  • Wie stellen Sie sicher, dass mit einer Wirtschaftsweisen im Aufsichtsrat nicht der Anschein fragwürdiger Einflussnahme entsteht?
  • Wie können Sie garantieren, dass das Ansehen der Wirtschaftsweisen nicht weiter durch Grimms Aufsichtsratsmandat beschädigt wird?
  • Wie ist Grimms Aufsichtsratsmandat mit Ihrer Verpflichtung auf Integrität als einem Ihrer zentralen Werte vereinbar?

Wir haben folgende Fragen an Sie, Frau Grimm:

  • Wie können Sie angesichts der enormen Kritik an Ihrer Doppelrolle weiter verantworten, Mitglied im Aufsichtsrat des Konzerns zu sein, ohne dem Ansehen des Konzerns – und auch dem der Wirtschaftsweisen zu schaden?
  • Letztes Jahr wurde berichtet, dass Sie Sitzungen der Wirtschaftsweisen verpasst haben, weil Sie Termine als Aufsichtsrätin wahrgenommen haben. Haben Sie im letzten Jahr weitere Sitzungen verpasst, weil Sie Termine als Aufsichtsrätin hatten? Wie begründen Sie Ihre Prioritäten?

Vielen Dank!

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