„Ich kenne wenige Konzerne, die es schaffen, RWE in den Schatten zu stellen“: Rede von Luisa Neubauer, Fridays for Future Deutschland


Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Luisa Neubauer, ich bin Klimaaktivistin bei Fridays for Future. Da Siemens Energy durch seine Geschäftspraktiken seit geraumer Zeit weit oben auf der To-do-Liste der Klimabewegung zu finden ist, freue ich mich, durch die kritischen Aktionäre heute die Gelegenheit zu haben, hier zu sprechen.

Vor drei Jahren hat die Öffentlichkeit sich – damals noch von Siemens – endlose Versprechen über das scheinbare Klimabewusstsein des Konzern anhören können. Heute, Anfang 2023, blicken wir fassungslos auf die zerstörerische Geschäftspraxis von Siemens Energy.

Man spricht hier von der Verpflichtung gegenüber den Pariser Klimazielen. Dann gucken wir in den Geschäftsbericht und stellen fest: Siemens Energy verzeichnet Emissionen in Höhe von 1,3 Milliarden Tonnen CO2 entlang der Wertschöpfungskette. Das entspricht dem doppelten der jährlichen Emissionen von ganz Deutschland. Alleine die Produkte, die Siemens Energy letztes Jahr verkauft hat, werden über ihre Lebensdauer hinweg ca. 16 x so viel CO2 verursachen wie die RWE-Kraftwerke in einem ganzen Jahr ausstoßen. Ich kenne wenige Konzerne, die es schaffen, RWE in den Schatten zu stellen.

Wir haben große Worte über die geplante Klimaneutralität bis 2030 gehört, einen Plan dafür gibt es aber nicht. Offensichtlich aber haben Sie sich vor allem entschieden, die Bedeutung der Klimaneutralität selbst vollständig zu entkernen – in dem Siemens Energy in ihre CO2-Ziele nur die Geschäftsbereiche einbezieht, die Ihnen gelegen kommen.

99 Prozent ihrer Emissionen kommen aus dem sogenannten Scope 3 Bereich, für den Sie bis heute keinen Reduktionsplan haben. Sie täuschen bewusst die Öffentlichkeit, während sie enthusiastisch die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen vorantreiben.

Sie erklären dazu “Siemens Energy [würde] einen wichtigen Beitrag zur Energiewende” beitragen. Bei Siemens Energy interpretiert man die Energiewende als den Umbau von Kohlekraftwerken zu Gaskraftwerken. Das allerdings ist keine Energiewende, das ist ein Energie-Weiter-so, von einem fossilen Energieträger zum nächsten, die Abhängigkeiten von fossilen Autokraten bleiben bestehen, die Klimakrise eskaliert weiter.

Laut Internationaler Energieagentur darf es für die Einhaltung der 1,5 Grad Klimaziele kein einziges neues fossiles Projekt geben, auch kein neues Gas- oder Ölfeld, man würde meinen, dass das eine recht eindeutige Maßgabe ist. Gleichzeitig hören wir hier von Ihnen freudestrahlende Berichte über neue fossile Projekte auf der ganzen Welt – und seien die Geschäftspartner – wie etwa in der Westsahara – noch so korrupt und die ökologischen Folgen noch so desaströs. Die Co2-Bilanz der LNG Projekte von Siemens Energy etwa in USA, Mosambik, Nigeria, Russland und Brasilien ist katastrophal, jedes dieser Projekte muss Jahrzehnte laufen um sich zu rentieren.

Die Idee, dass fossiles Gas eine Brücke in der Energiewende sein kann, ist ein Märchen der fossilen Energiekonzerne und wurde geopolitisch spätestens 2022 von Wladimir Putin höchstpersönlich auseinandergenommen. Statt auf einen echten Weg richtung verlässliche und profitable Erneuerbaren zu setzten, rückt der aktuelle Pfad von Siemens Energy den weltweiten Absprung von fossilen Energieträgern in weitere Ferne.

Dass der Konzern offensichtlich meint, durch unvollständige Bilanzen Klimaziele unterwandern zu können, ist das eine. Dass man sich um die menschenrechtliche Lage bei Projekten in Westsahara oder Brasilien trotz aller warmen Worte zur ethischen Verantwortung nicht kümmert, auch. Dass man das Ganze aber als belastbare Investitionsstrategie bezeichnet, sollte auch die Aktionäre hier stutzig machen. Herr Kaeser, Sie erwähnen das World Economic Forum von Davos, es ist eben dieses World Economic Forum, dass die Klimakrise als die größte Gefahr für die Weltwirtschaft einschätzt. Die Klimakrise ist kein Automatismus, sie wird vorangetrieben, verschärft, vertieft von der globalen fossilen Expansion, powered by Siemens Energy.

Siemens Energy zeigt stand heute, wie man die Energiewende weg von fossilen Energieträgern erfolgreich unterwandern kann, wie man die eigenen Aktivitäten im Ausbau der Erneuerbaren durch eine fossile Expansion torpediert, wie man sich Klimabilanzen schönrechnen kann, damit sie das Portfolio bloß nicht in Frage stellt. Statt nach dem Angriffskrieg konsequent aus dem russischen Geschäft auszusteigen, kooperieren Sie weiterhin mit Rosatom.

Sie, Herr Kaeser, erwähnten den zerstörerischen Krieg von Russland, der so, Zitat “alle geschockt” hat. “In jeder Krise steckt auch eine Chance”, erklärten Sie Herr Bruch. Eine Chance für was und für wen? Für Ihre fossilen Geschäfte, die Krisen nicht bewältigen, sondern weitere schüren. Herzlichen Glückwunsch, das stimmt. Aber dann stehen Sie wenigstens dazu, und ersparen uns die Reden über angebliche Klima-Verantwortung.

In der Vergangenheit wurde mir nach so einer Rede vorgehalten, zu viel zu kritisieren und zu wenig anzupacken. Und vielleicht liegt genau da Ihr Problem: Eine der Hauptaufgaben für Siemens Energy in dieser Zeit liegt darin, nicht anzupacken. Kein dreckigen Deals, keine Menschenrechtsverletzung, fangen Sie an aufzuhören, mit dem fossilen Weiter-so immer tiefer in die Klimazerstörung. Und dann – dann kann auch der notwendige Ausbau der Erneuerbaren Energie die Wirkung entfalten, die wir so dringend brauchen.

Meine Fragen an Sie:
Wann und wie haben sie vor, die Scope 3 Emissionen ihres Unternehmens an einen 1,5-Grad konformen Reduktionsplan anzupassen?

Wann beenden Sie die Zusammenarbeit mit dem kriegstreiberischen Unternehmen Rosatom?

Und: Wann beenden Sie den Ausbau der Gasinfrastruktur, um noch eine Chance haben, die Pariser Klimaziele einzuhalten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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