„Wir warteten nur auf die Folterer in ihren Masken. Mitten in der Nacht. Sie kamen normalerweise um 5:30 Uhr und betraten unser Haus. Wir warteten jede Nacht. Ich, meine Schwester und meine Mutter. Meine Mutter ist 86 Jahre alt.
Es gab keine Gnade.
Uns wurden die Armen so verbunden. Bis heute trage ich Wunden davon. Sie verbanden unsere Beine. Dann gab es eine Augenbinde, und hier eine Mundbinde. Sie zogen uns die Kleider aus und fingen an, mit ihren Händen…10 Männer, die mit ihren Fingern deinen ganzen Körpern anfassen.
Meine Mutter wurde die Augenbinde abgenommen, aber ihre Arme und Beine blieben verbunden. Das machten sie, damit sie sieht, wie ihre Töchter vergewaltigt werden.
Sie steckten ihre Hände in uns, einer fasste mir an den Brüsten.
Sie nahmen ein Stock und steckten es meiner Mutter vorne und hinten rein.
Ich kann Ihnen sagen, es gibt keine saharauische Frau, die nicht noch von marokkanischen Autoritäten vergewaltigt wurde.“
— Das sind die Worte von Sultana Khaya, eine saharausiche Frau, die ein Jahr und sieben Monate unter Hausarrest stand.
Sie durfte ihr Haus nicht verlassen. Warum waren sie unter Hausarrest?
Weil sie sich gegen die brutale militärische Besetzung Marokkos in der Westsahara einsetzt.
Und jedes Mal aufs Neue wurde sie dafür zusammengeschlagen. Und jedes Mal aufs Neue richtet sie sich auf und stand und steht ein für das Recht ihres Volkes auf Selbstbestimmung.
Sie lebt in Boujdour, somit in der besetzten Westsahara.
Boujdour ist dieselbe Stadt, in der Siemens Gamesa den Bau eines neuen Windparks in diesem Jahr fertigstellen soll.
Während ganz früh morgens marokkanische Siedler*innen sich auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz machen, finden meine Cousins — hochqualifiziert — keine Jobs, weil systematisch gegen Saharauis diskriminiert wird.
Während Marokko sich als afrikanischer Pioneer in Sachen erneuerbare Energien verkaufen kann, erlebt Sultana Khaya gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester eine unvorstellbar degradierende und traumatisierende Folter.
Während Siemens schön Kohle scheffelt, zementieren diese Infrastrukturprojekte die Besatzung weiter.
Aber Siemens ist stolz auf ihre Präsenz in der Westsahara.
„Wir haben 808 Bäume in Boujdour, Marokko, gepflanzt“, hieß es auf Website von Siemens Gamesa in 2022.
Ich weiß gar nicht, was ich hierzu sagen soll. Es ist grotesk, schockierend, einfach dystopisch.
Erst einmal ist das nicht Marokko, sondern die Westsahara.
Zweitens ist das, was sie betreiben Greenwashing. Ach ja, Menschenrechte werden aufs brutalste eingeschränkt, aber die Hauptsache: ein paar Bäume mehr.
Das Geld und das Image, dass sie dem marokkanischen Staat einbringen, macht es möglich, die starke Repression aufrechtzuerhalten und weiter aufzubauen.
Sie wissen, was in der Westsahara passiert. Sie geben dem Rückendeckung. Sie finanzieren das schön.
Aber einfach den Aktionär*innen wieder grüne Zahlen vorstellen, dann passt das schon.
Ich fordere sie auf, aufzuzeigen, was ihnen die grünen Zahlen einbringt. Laden Sie Sultana Khaya ein, damit sie ihnen erzählt, was sie nächtlich erleben muss. Zeigen Sie das Leben in den Flüchtlingslagern in Tindouf, wo Generationen aufwachsen, ohne einmal ihre eigene Heimat gesehen zu haben.
Wie können sie mit einem Staat wie Marokko arbeiten?
Unter dem Monarchen Mohammed VI werden die Grundrechte der Bürgerinnen und umso mehr der Saharauis stark eingeschränkt. Sowohl Amnesty international als auch Human Right Watch dokumentieren und kritisieren aufs Schärfste die Menschenrechtsverletzungen, die vom marokkanischen Staat ausgehen.
Auch Marocgate und die Pegasus-Spionageskandale zeigen mal wieder auf, dass Marokko kein vertrauensvoller Handelspartner ist.
Auch als Aktionär*innen müssen sie sehen, was ein Risiko eine Zusammenarbeit mit Marokko darstellt.
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Die Westsahara ist nicht Marokko.
Wie der Europäische Gerichtshof 2021 feststellte, hat die Westsahara einen separaten Status und Marokko keine Souveränität über das Gebiet. Auch heißt es im Urteil, dass jegliche wirtschaftliche Aktivitäten nur mit der Zustimmung des saharauischen Volkes stattfinden darf.
Der einzige legale Vertreter ist hierfür die Frente POLISARIO.
Jedes Jahr kritisieren wir bei den Hauptversammlungen, demonstrieren vor ihren Niederlassungen und fordern sie per Brief auf, sich zu ihren Tätigkeiten zu erklären.
Und jedes Jahr hören wir erneut nur Floskeln.
Es gibt keine Rechtfertigung und keinen Grund für die Präsenz von Siemens Energy in der Westsahara.
Bevor ich mich an den Vorstand wende, spreche ich mit Ihnen, Aktionären und Aktionärinnen.
Nehmen Sie Siemens Energy aus ihrem Portfolio, solange sie in der Westsahara entgegen dem Völkerrecht Präsenz zeigen. Nehmen Sie ein Beispiel an The Storebrand Asset Management, Norwegens größter privater Vermögensverwalter. 2021 haben sie sich bewusst entschieden, Siemens Energy und Gamesa aus ihren Investitionen auszuschließen.
Und nun vom Vorstand möchte ich wissen:
- Im vergangenen Jahr hat die Polisario Vertreterin in Deutschland Nadjat Hamdi zu ihnen in der Hauptversammlung gesprochen und gesagt, dass sie keine Zustimmung eingeholt haben. Haben Sie nun sich mit der Polisario in Kontakt gesetzt und wenn nicht wann gedenken das zu tun?
- Erwarten Sie mögliche Schadensersatzklagen ausgehend vom saharauischen Volk?
- Wie definieren sie Nachhaltigkeit? Kann ihrer Meinung nach ein Projekt nachhaltig sein, wenn es zwingend mit Gewalt, der Einschränkung von Grundrechten und militärischer Besetzung mit eingeht?
- Meinen Sie heute Nacht ruhig schlafen zu können, nachdem sie von den Erfahrungen von Sultana Khaya gehört haben?
- Angesichts der Besatzung, schrecklichen Menschenrechtsbilanz und die jüngsten Skandale, wie rechtfertigen sie die Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Regime?
- Sie sprechen oft von Legal Opinions, die ihre Projekte in den besetzen Gebieten angeblich legitimieren. Gab es auch Legal Opinions, die feststellten, welche Problematik das Boujdour-Projekt darstellt?
- Wie erfüllen Sie bei den Geschäften in Boujdour ihre Verantwortung unter Due Diligence?
- Und die für mich wichtigste Frage: wann zieht sich Siemens Energy endlich aus der Westsahara raus?