„Sie sollten sich klarmachen: Geld, das aus Russland kommt, ist blutiges Geld“: Rede von Vladimir Slivyak, Ecodefense


Sehr geehrter Herr Kaeser, sehr geehrter Herr Bruch,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates,
sehr geehrte Aktionäre,

mein Name ist Vladimir Slivyak. Ich arbeite für die russische Nichtregierungsorganisation Ecodefense, die sich seit 35 Jahren für sichere Energie und Klimaschutz einsetzt. Wegen dieser Arbeit wurde Ecodefense von der russischen Regierung zu Unrecht beschuldigt und verfolgt. Im Jahr 2022 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die russische Regierung unsere Rechte verletzte (siehe „Ecodefense and others v. Russia“ 9988/13). Leider mussten meine Kollegen und ich Russland verlassen, um nicht ins Gefängnis zu kommen.

Es ist fast drei Jahre her, dass Russland einen unprovozierten und blutigen Krieg in der Ukraine begann, der sich zum größten Krieg in der europäischen Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelte. Nach den neuesten verfügbaren Daten wurden in diesem Krieg über eine Million Menschen getötet oder verwundet, und er ist noch nicht zu Ende. Es gibt nur einen Weg, diesen Krieg zu beenden, und das wird geschehen, wenn Russland nicht mehr genügend Ressourcen hat, um ihn fortzusetzen. Und das bedeutet, dass die demokratischen Länder die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der russischen Diktatur vollständig stoppen müssen.

Vor drei Jahren kündigte Siemens Energy an, seine Geschäfte in Russland einzustellen und folgte damit vielen europäischen Unternehmen, die Moskau nicht mit Geld für den Krieg versorgen wollten. Ich und meine Kollegen waren sehr froh, das zu hören. Aber dann stellte sich heraus, dass dies nur ein Teil der Wahrheit war. Denn Siemens Energy ist immer noch an einigen Verträgen mit der russischen Atomindustrie beteiligt.

Als Teil des Krieges attackiert und besetzt Russland Atomkraftwerke in der Ukraine. Das schafft Risiken für die nukleare Sicherheit nicht nur innerhalb der Ukraine, sondern für ganz Europa. Ich bin mir sicher, dass Sie sich dessen bewusst sind, zumal Siemens Energy immer noch mit einigen Nuklearunternehmen, darunter auch Russen, zusammenarbeitet.

Zu Ihren Partnern gehört der staatliche russische Atomkonzern Rosatom. Das ist nicht irgendein Wirtschaftsunternehmen, das sich aus dem Krieg in der Ukraine heraushält. Es ist der Staatszweig, der direkt an der Versorgung der russischen Armee beteiligt ist. Rosatom schickte sein Personal zum Betrieb des besetzten Kernkraftwerks Saporischschja in der Ukraine. Darüber hinaus hat der russische Staatskonzern angeboten, wichtige Güter zu beschaffen, die von der russischen Armee benötigt werden, wodurch die bestehenden Sanktionen umgangen werden könnten. Nicht zuletzt droht das Putin-Regime in Moskau regelmäßig damit, Atomwaffen gegen westliche Länder einzusetzen, und diese Waffen werden von Rosatom hergestellt. Der Aufsichtsrat von Rosatom in Russland besteht aus Regierungsbeamten und Geheimdienstoffizieren, die von vielen Ländern wegen ihrer Beteiligung am Krieg sanktioniert wurden.

Soweit ich weiß, setzt Siemens Energy die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem russischen Regime durch die Lieferung von verschiedenem Equipment an die russische Atomindustrie fort. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es dem russischen Regime, seinen politischen Einfluss in Europa und auf der ganzen Welt durch den Bau von Kernreaktoren und die Lieferung von Brennstoffen und Dienstleistungen auszuweiten. Das russische politische Regime bezahlt Siemens Energy sehr gut für seine Beteiligung an diesen Lieferungen. Aber eines sollten Sie sich klarmachen: Geld, das aus Russland kommt, ist blutiges Geld. Und indem Sie Ihre großen Technologien an Rosatom liefern, schwächen Sie die europäische Sicherheit und stärken die Abhängigkeit Europas von russischen Lieferungen. Und damit ist zum Beispiel gemeint, dass Siemens Energy immer noch an dem Projekt des ungarischen Kernkraftwerks Paks-2 beteiligt ist, das von Rosatom gebaut wird. Wenn dieses Kraftwerk gebaut wird, wird es noch fast ein Jahrhundert lang russische Brennstofflieferungen benötigen. Heute von dem russischen politischen Regime abhängig zu sein, das einen blutigen Krieg vor den Toren der Europäischen Union begonnen hat, klingt wie ein Albtraum, nicht wahr?

Ich fordere Siemens Energy auf, seine derzeitige Richtlinie zur Zusammenarbeit mit der russischen Atomindustrie zu revidieren, sei es bei Aufträgen in Europa oder in anderen Teilen der Welt. Jegliche Zusammenarbeit mit Rosatom muss sofort eingestellt werden, und ich hoffe zutiefst, dass Sie mir dies im nächsten Jahr auf der Aktionärsversammlung 2026 mitteilen werden.

Ich wollte zudem ein paar Fragen stellen:

  1. Wie viele von Rosatom gebaute oder im Bau befindliche Kernkraftwerke – in Russland oder anderen Ländern – könnten in Zukunft mit Ausrüstungen von Siemens Energy ausgestattet werden? Für wie viele sind die Verträge unterzeichnet?
  2. Hat Siemens Energy letztendlich Ausrüstung für das Kernkraftwerk Akkuyu in der Türkei geliefert? Wenn ja, was genau wurde geliefert und für welche Art von Ausrüstung wurde eine behördliche Ausfuhrgenehmigung erteilt?
  3. Hat Siemens Energy weitere Verträge mit Rosatom oder dessen Zulieferern für die Akkuyu-Blöcke und für welche Art von Arbeiten genau?
  4. Wird Siemens Energy die Mess- und Regeltechnik für das Kernkraftwerk Paks-2 in Ungarn liefern? Wurde von der deutschen Regierung bereits eine Ausfuhrgenehmigung für dieses Geschäft erteilt?
  5. Gibt es irgendwelche Beschränkungen für Exporte und die Zusammenarbeit mit Rosatom oder Bedingungen für den Export von Ausrüstungen im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und der nuklearen Sicherung?
  6. Gibt es einen Vertrag im Zusammenhang mit dem Bau des russischen Atomkraftwerks El Dabaa in Ägypten?

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/siemens-energy/sie-sollten-sich-klarmachen-geld-das-aus-russland-kommt-ist-blutiges-geld-rede-von-vladimir-slivyak-ecodefense/