„Wann haben Sie vor, die Scope-3-Emissionen ihres Unternehmens an einen 1,5-Grad konformen Reduktionsplan anzupassen?“: Rede von Moritz Leiner, urgewald

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

Ich heiße Moritz Leiner, ich arbeite bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und vertrete hier heute den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Sie, lieber Vorstand und Aufsichtsrat, stellen Siemens Energy gerne als wichtigen Partner der Energiewende dar. Herr Bruch, Sie sagten in ihrer Eröffnungsrede: „Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters. Das Zeitalter, in dem Elektrizität die Energiewelt bestimmt.“

Sie geben auch zu, dass die fossile Stromerzeugung derzeit unter Druck steht aufgrund des vorherrschenden Trends zu einer nachhaltigeren Stromerzeugung mit erneuerbaren Energiequellen.

Doch das hält Sie nicht davon ab, mitten in der Klimakrise das fossile Geschäft mit Gasturbinen und LNG-Infrastruktur massiv weiter auszubauen. In ihrer Rede, Herr Bruch, zeigen Sie sich stolz, „eine starke Nummer 2“ im klimazerstörerischen Geschäft mit großen Gasturbinen zu sein und eben redeten Sie davon, die Produktionskapazität für große Gastrubinen um rund 30% auszubauen. Ihre Scope-3-Emissionen aus 2024 sind mit über eine 1,3 Milliarden Tonnen CO2e riesig und im Vergleich zu 2023 sind diese sogar noch um über 20% gestiegen!

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:

  • Wie passt diese Geschäftsstrategie, die mit so dramatischen Emissionssteigerungen einhergeht, zusammen mit dem Ziel von Siemens Energy, die absoluten Scope-3-Emissionen aus der Nutzung der verkauften Produkte ausgehend vom Basisjahr 2019 bis zum Geschäftsjahr 2030 um 28 % zu reduzieren?
  • Siemens Energy spricht selbst von einer Reduktion von 11% bei den Scope-3-Emissionen der verkauften Produkte seit 2019. Wie passt das damit zusammen, dass diese Emissionen aktuell steigen? Wie ist der aktuelle Stand der Emissionsreduktion im Vergleich zu 2019?
  • Wann und wie haben Sie vor, die Scope-3-Emissionen ihres Unternehmens an einen 1,5-Grad konformen Reduktionsplan anzupassen?
  • Siemens Energy gibt auch „portfolio adjustments“ als wichtiges Instrument zur Erreichung dieses Scope-3-Ziels an. Können Sie genauer darlegen, welche Portfolioanpassungen geplant sind und wie diese zur Emissionsreduktion beitragen? Überlegen Sie, das Gasturbinengeschäft zu veräußern?
  • Gibt es bei Siemens Energy einen verbindlichen, 1,5°C-kompatiblen Fahrplan für den Gasausstieg, explizit für den Phase-Out des Geschäfts mit fossilen Gaskraftwerken und Komponenten für LNG-Infrastruktur? Falls ja, was sieht dieser Fahrplan vor?

Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat:

Ihre stark steigenden Scope-3-Emissionen sind nicht nur aus Klimaschutzperspektive höchst problematisch – es droht sich nun auch zum Problem für die Finanzierung des Konzerns zu entwickeln.

Wir haben aus Finanzdaten des Jahres 2023 die resultierenden „finanzierten Emissionen“ für Siemens Energy nach dem Financed Emissions Standard der Finanzbrancheninitiative Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF) ermittelt. Durch den vergleichsweise geringeren Unternehmenswert ergeben sich für Siemens Energy deutlich höhere finanzierte Emissionen sogar im Vergleich zu dem Upstream Öl- und Gasunternehmen Shell, obwohl Shell geringfügig höhere absolute Emissionen aufweist. Das lässt Shell im Vergleich zu Siemens Energy zwar besser erscheinen, als das Unternehmen mit Blick auf die ebenfalls enorm hohen absoluten Emissionen tatsächlich ist. Trotzdem sollte der hohe Wert für finanzierte Emissionen von Siemens Energy Ihnen, lieber Vorstand und Aufsichtsrat, Anlass zur Sorge sein. Denn der große fossile Geschäftsanteil im Bereich Gasturbinen und -kraftwerke sowie Flüssigerdgasterminals führt unweigerlich zu hohen Scope-3-Emissionen. Genau diese sollen bei PCAF-Mitgliedern ab diesem Jahr in ihre Emissionsberichte einfließen.

Die schlechte CO2-Bilanz im Kraftwerksbereich wird somit mittel- bis langfristig auch zum Risiko für die Refinanzierung von Siemens Energy – wir haben es heute gemerkt, meine Vorredner von Deka Investments und Union Investment haben ebenfalls kritisch nach dem Widerspruch zwischen ihren fehlenden langfristigen Scope-3-Zielen und den steigenden Scope-3-Emissionen gefragt.

Meine Fragen hierzu lauten:

  • Welche Transformationsrisiken ergeben sich für Siemens Energy durch politische Maßnahmen zur Bekämpfung der Erderhitzung und durch sinkende Gasverbrauchsprognosen?
  • Rechnet Siemens Energy mit finanziellen Risiken, weil Ihr Geschäft mit Gasturbinen/LNG aufgrund der extrem hohen und steigenden Scope 3 Emissionen für Finanzinstitutionen zunehmend unattraktiv wird?

Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat:

Mit dem 1,5°C-kompatiblen Phase-Out des CO2-intensiven Gasturbinengeschäfts könnten Sie nicht nur einen großen Beitrag gegen die weitere Erdüberhitzung leisten, sondern auch eigene finanzielle Risiken erheblich mindern.

Da dies nicht absehbar ist, empfehle ich allen Stimmberechtigten, den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.

Ich schließe mit folgenden Fragen:

  • Im asiatischen Markt wird am meisten zusätzlicher Stromverbrauch erwartet. Was sind Ihre Pläne für diesen Markt, im Bereich Gas und im Bereich Erneuerbare Energien? Setzt Siemens Energy Forderungen im asiatischen Raum zur „Lokalisierung“, wie Joe Kaeser in seiner Rede sagte, um und wenn ja, wie?
  • Wie viele ihrer Gaskraftwerksprojekte haben 2024 staatliche Bürgerschaften bekommen? Auf welche Gesamtsumme summieren sich die Bürgschaften? Welchen Anteil davon machen Exportkreditgarantien aus? Welcher Anteil davon entfällt auf EulerHermes, welcher auf andere Exportkreditagenturen?
  • Da auch im Jahr 2024 große Aufträge eingegangen sind: Wie entwickelt sich die Verfügbarkeit von Avalgarantien weiter, die 2023 nicht von Privatbanken gestemmt werden konnten? Plant Siemens Energy, im laufenden Geschäftsjahr weitere Rückbürgschaften bei der Bundesregierung zu beantragen?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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