Rede Daniel Tapia Montejo

„Dort stehen dreißig und noch mehr ungeheure Riesen! ich werde ihnen entgegenreiten, und mit ihnen kämpfen auf Leben und Tod!“ – „Wenn das Riesen sind!“ erwiderte Sancho Pansa, – so will ich in meinem eigenen Fett gebraten werden! Es sind nur unschuldige Windmühlen!“

Miguel der Cervantes, Don Quixote.

Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren,

Wir haben einige Bemerkungen zum Engagement von Siemens an fünf Windenergie-Projekten auf dem Isthmus von Tehuantepec in Südmexiko.

Siemens macht dort die Vernetzung der Anlagen, sowie den Bau von zwei Umspannwerken. Vor etwa drei Jahren begleitete ich die Menschenrechtsverteidigerin Bettina Cruz aus Juchitan, Mexiko auf einer Rundreise durch die Bundesrepublik.

Bei einer Veranstaltung in Bremen, als die Diskussion nach dem Vortrag eröffnet wurde, meldete sich ein Mann, der gelegentlich als Tagelöhner in den Offshore-Windparks in der Nordsee arbeitet.

Er sagte: „Windenergie ist so was Gutes und diese … (Er sagte ein Wort, das ich hier aus Respekt vermeide) verderben alles, indem sie nur das Geschäft sehen!“

Auf dem Isthmus von Tehuantepec in Mexiko wird einiges für das Geschäft verdorben.

Zum Beispiel das soziale Leben in der Region. Tag für Tag entflammen neue Konflikte in den Gemeinden, aufgrund der inneren Spaltungen, die dort mit Absicht angezettelt werden.

Die Gesellschaft im Isthmus ist weltweit berühmt für die Rolle der Frauen, sie bestimmen die lokale Wirtschaft, was zu einem relativen Wohlstand führt.

Dieses Gesellschaftsmodel ist durch die Konflikte um die Windparks nun in Gefahr.

Die Menschenrechte der Bevölkerung werden nicht geachtet. In der Region lebt überwiegend indigene Bevölkerung. Deshalb muss allen Projekten, die dort geplant werden, eine freie, informierte und vorherige Befragung gemäß der Konvention 169 der ILO vorangehen. Siemens hat seine Teilnahme an den fünf Projekten in der Region als Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung oder englisch Clean Development Mechanism (CDM) ausweisen lassen. Das hätten Sie ganz klar unterlassen müssen, denn bezüglich der Windparks in Oaxaca fand bis jetzt KEINE Befragung nach den Richtlinien der ILO-Konvention 169 statt.

Auf der einen Seite werden die Indigenen auf dem Isthmus von Tehuantepec durch die Betreiber als „zurückgeblieben“ und „Entwicklungsfeinde“ gebrandmarkt, andererseits werben sie mit Namen in indigenen Sprachen für ihre Vorhaben. Ein Beispiel ist der Windpark Bii Stinu. Der Wind, meine Damen und Herren, ist für diese Menschen keine Ware! Er ist ihr Leben.

Aber nicht nur die menschlichen Gemeinschaften, auch die Umwelt nimmt in Namen der „Saubere Energie“ Schaden.

Die Fundamente der Turbinen stören den Grundwasserfluss. Darüber wird immer wieder diskutiert, Tatsache ist, dass die Bauern und Bäuerinnen in der Umgebung der Windparks über immer größer werdenden Wassermangel klagen.

Die Rotorblätter der Turbinen töten Vögeln und Fledermäuse. In diesem Fall hat dies ein besonders schlimmes Ausmaß, da die Windparks auf dem Isthmus, auf einer der weltweit meist benutzen Route von Zugvögeln, platziert wurden. Auch die Fledermäuse sind wichtig für Ökosystem: Sie kontrollieren die Insektenpopulation, insbesondere der Aedes Aegyptis, die das gefährliche Denguefieber verbreiten.

Aufgrund der ständigen Winde hat sich im Isthmus von Tehuantepec auch eine besondere, unersetzbare regionale Flora entwickelt. Sie wird für die Windparks zerstört. Um einen Windpark zu bauen, wird gerodet, gebuddelt, planiert und verdichtet… Wenn statt der Windmühlen die Mariensäule aufgebaut würde, hätten wir dort einen Nachbau des Marienplatzes.

Herr Cromme und Herr Kaeser haben heute an diesem 27. Januar besonders betont, wie sehr ihnen die Menschenrechte am Herzen liegen. Wenn in den Medien über Siemens und Menschenrechte Berichte erscheinen, sind diese allerdings in der Regel negativ. Sie, meine Damen und Herren, haben die Möglichkeit dies zu ändern. Unterstützen Sie unsere Anträge, nicht um den Vorstand und Aufsichtsrat zu bestrafen, sondern um eine Änderung der Haltung von Siemens zum realen, nicht nur verbalen Menschenrechtsschutz zu erreichen. Sehen Sie dies als Schritt nach vorne und alle werden gewinnen, insbesondere die Menschen, die von Projekten betroffen sind, an denen Siemens beteiligt ist.

Als wir draußen Informationen zu unseren Anträgen verteilten, haben wir viel Beifall bekommen, aber auch negative Rückmeldungen. Für den Beifall bedanke ich mich.

Jemand fragte uns, ob wir von der Luft leben. Nein, das tun wir nicht und ein Unternehmen wie Siemens auch nicht. Was wir aber verlangen ist, dass sich Siemens an die Spielregeln hält, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Bevor ich zu Ende komme, möchte ich zwei Fragen stellen. Eine an den Vorstand und eine weitere an den Aufsichtsrat:

Warum haben Sie nicht dafür gesorgt, dass für Windpark-Projekte in Oaxaca eine vorherige, freie und informierte Befragung nach den Richtlinien der ILO- Konvention 169 durchgeführt wurden?

An den Aufsichtsrat:

Viele von Ihnen haben sicherlich über das gewaltsame Verschwindenlassen von 43 Studenten der Lehramtsschule von Ayotzinapa durch stattliche Akteure gehört. Dies ist kein Einzelfall.

Was also halten Sie davon, dass der Vorstand Ihres Unternehmen Geschäfte macht in einem Land, in dem in den letzten Jahren 22.000 Menschen gewaltsam verschwinden gelassen wurden, über 100.000 ermordet und über 250.000 Menschen vertrieben wurden.

Zum Schluss wollen wir Ihnen, Herr Kaeser, ein kleines Präsent überreichen, damit Sie die Folgen für die Menschen im Isthmus von Tehuantepec nicht vergessen. Es ist ein Holzschnitt eines Künstlers aus Oaxaca. Als ich ihn fragte, ob er einverstanden wäre, dass ich Ihnen das Bild überreiche, hat er mir geantwortet: Er ist dafür, wenn Sie das Bild wirklich aufhängen. Wenn nicht, soll das Bild versteigert und der Erlös den sozialen Bewegungen in Tehuantepec übergeben werden. Ich frage Sie: Wollen Sie das Kunstwerk zum Aufhängen behalten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/siemens/rede-daniel-tapia-montejo/