Rede von Andrea Lammers

Sehr geehrter Herr Kaeser, sehr geehrter Herr Dr. Cromme,
sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Andrea Lammers. Ich bin Honduras-Referentin des Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit hier in München. Vor knapp zwei Jahren, am 2. März 2016, wurde die honduranische Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres ermordet. Eine unabhängige internationale Expertengruppe hat inzwischen den Fall untersucht. Sie kommt zu dem Schluss,-dass die Konzessionsvergabe für das Wasserkraftwerk Agua Zarca illegal war. Sie widersprach auch internationalen Menschenrechtsstandards, unter anderem der ILO-Konvention 169.

  • dass Management und Aktionäre der Betreiberfirma Desarrollos Energéticos S.A. (DESA) politischen Einfluß ausgeübt haben, um unter tätiger Mithilfe staatlicher Institutionen jegliche Opposition gegen Agua Zarca von Anfang an zu kontrollieren, zu neutralisierem und schließlich auszuschalten.

Die Strategie kulminierte im Mordkomplott gegen Berta Cáceres. Es waren  Mitglieder der Führungsspitze der DESA, die dieses Komplott mindestens seit November 2015 schmiedeten. Mitglieder der honduranischen Armee waren an der Planung und Ausführung beteiligt.

Einen Monat vor dem Mord an Berta Cáceres, haben wir Sie hier bei der Hauptversammlung 2016, vor kriminellen Praktiken der DESA gewarnt. Vergeblich.

Bis heute wird in Honduras gegen die Auftraggeber der Vernichtungskampagne, des Mordes und  seiner Vertuschung nicht ermittelt. Diese Hintermänner waren die Geschäftspartner von Voith Hydro. Laut Expertengruppe liegen genügend Beweise vor, um  gegen DESA-Führungskräfte und ihre Verbündeten  auch wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Konspiration, Verdunkelung eines Verbrechens und Behinderung der Justiz zu ermitteln. Nichts davon geschieht.

Das ganze Ausmaß des Geflechtes von DESA-Angehörigen im Bündnis mit staatlichen Sicherheitskräften und kriminellen Parallelstrukturen konnte vor einigen Jahren noch niemand genau kennen:  Aber wir haben seit 2014 auf die Terrorisierung der Bevölkerung vor Ort und die systematische Verfolgung und Kriminalisierung von Kraftwerksgegnern hingewiesen. Und wir haben von der Erschießung des Gemeindevorstehers Tomas Garcia berichtet. Der chinesische Staudammbauer Sinohydro zog damals die Konsequenz und stieg aus. Voith Hydro-Siemens nicht.

Die internationale Expertengruppe stellt fest, dass auch die internationalen Geldgeber, darunter zwei europäische Entwicklungsbanken, Kenntnis von den Praktiken der DESA vor Ort, in den Gemeinden, hatten. Auch sie haben nichts unternommen, um die Achtung der Menschenrechte der indigenen Bevölkerung sicherzustellen. Sie haben erst recht nichts unternommen, um das Leben von Berta Cáceres zu schützen. Deshalb spricht die Expertengruppe in diesem Zusammenhang von „bewusst sorgfaltswidrigem Handeln“.

Voith Hydro suspendierte zwar im Frühjahr 2016 die Turbinenlieferung, sah aber noch bis Sommer 2017 – bis die Banken dann nach langem Hin-und Her ausstiegen –  ihre Vertragstreue zur DESA als prioritär an.

Eine derartige Tragödie darf sich nicht wiederholen!

Wir sehen im Siemens Sustainability Report 2017 durchaus Ansätze für bessere Vorsorgemaßnahmen – zumindest auf dem Papier.  Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass Sie Herr Kaeser, sich letztes Jahr hier an dieser Stelle gegen den Begriff  „Komplizenschaft“ gewehrt haben. Dass Sie aber durchaus von einer „Mitverantwortung“ gesprochen haben und davon, dass Sie sich für eine juristisch korrekte Aufklärung des Mordes an Berta Cáceres einsetzen wollten.

Angesichts der Erkenntnisse über die Hintergründe des Mordes, angesichts der Handlungsunwilligkeit und -unfähigkeit der honduranischen Justiz wäre das in der Tat wichtig und ein bedeutendes Signal.

Wir sind also gespannt darauf, was Sie uns dazu mitteilen werden.

Mit Blick auf die Zukunft haben wir außerdem drei weitere Anmerkungen und Fragen:

  1. Herr Kaeser, Sie sagten im vergangenen Jahr, ich zitiere: „Für die Genehmigung von Projekten ist in erster Linie der Betreiber und damit Generalunternehmer verantwortlich und wenn die Genehmigung in einem demokratischen Land rechtsverbindlich erteilt ist, dann gehen wir davon aus, dass das auch alles seine Ordnung hat.“ Und Sie haben ja in der Tat eisern, Jahr für Jahr, auch noch einen Monat vor der Ermordung von Berta Cáceres, die angebliche „Legalität“ von Agua Zarca verteidigt – obwohl erhebliche Zweifel an den honduranischen Genehmigungsverfahren aufgetaucht waren.

Das könnte den Eindruck nahelegen, dass Ihnen eine pro forma rechtsstaatliche, formal demokratische Fassade ausreicht. Dahinter könnte  dann – wie in Honduras, aber auch in Mexiko und anderen Ländern – nach Belieben unter dem Schutzschild der institutionalisierten Straflosigkeit menschenrechtswidrig gehandelt, könnten weiter Komplotte zwischen Unternehmen, staatlichen Stellen und dem organisierten Verbrechen gestrickt werden.

Das hieße dann, geschützt durch die formale Legalität, testet man – mit verbesserter Risikoabwägung –  halt mal an, ob ein Projekt läuft. Wenn es  Probleme gibt, kann man sich immer noch darauf zurückziehen, man habe ja nicht alles von Anfang an vorhersehen können.

Wollen Sie in Zukunft etwas verändern, um solche Szenarien zu vermeiden? Wenn ja, was?

  1. Sie sagten ebenfalls, Geschäftspartner von Siemens müssten sich, ich zitiere, „auf die Einhaltung des Code of Conduct und auch auf die ILO-Konventionen verpflichten“. Das sei für Siemens „eine ganz grundsätzliche Voraussetzung“.

Projekte, die indigene Gemeinschaften betreffen, rangieren inzwischen erfreulicherweise offenbar ganz oben in Ihrer menschenrechtlichen Risikoabschätzung: Werden Sie in Zukunft auch die ILO-Konvention 169 in Ihre Leitlinien und damit in die Verpflichtung für Geschäftspartner einbeziehen?

Wenn nein, warum nicht?

  1. Unsere dritte und letzte Frage: Wann und wie werden Sie – im Sinne des Transparenzgebotes der UN-Leitlinien für Unternehmen und Menschenrechte – veröffentlichen, welche Vorsorgemaßnahmen Sie im Rahmen des verbesserten Compliance Risk Assessment im Detail treffen?

Insbesondere auch im Hinblick auf die Beteiligung von Siemens an Voith Hydro und die damit verbundene, indirekte Beteiligung an hochproblematischen Wasserkraftprojekten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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