Rede von Khadja Bedati

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Khadja Bedati. Ich spreche für die Sahraouische Jugend und für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Ich bin hier, um meine Sorge darüber auszudrücken, dass Siemens es weiterhin unterlässt, die Rechte der Bevölkerung der besetzen Westsahara zu achten und weiterhin nicht um Zustimmung gebeten zu haben, in ihrem Land tätig zu werden.

Herr Kaeser, auf der letzten Hauptversammlung haben Sie die Position von Siemens deutlich gemacht: Die Projekte in der Westsahara seien „nach anwendbarem Recht hier zulässig“. Ich möchte darlegen, warum dies nicht der Fall ist.

Zunächst zu der Situation der Westsahara:

Die Sahrauis dürsten nach Gerechtigkeit. „Sahrauis“ nennen sich die indigenen Bewohnerinnen und Bewohner der Westsahara.

Dieses Land liegt in Nordwestafrika zwischen Marokko, Mauretanien und Algerien. „Sahara“ bedeutet im Arabischen „Wüste“, doch bietet unser Land mehr als Dürre und Sand: fischreiche Gewässer vor der Küste, Erdöl, Eisen und Gold und das zweitgrößte Phosphatvorkommen der Erde.

Nach dem Abzug der spanischen Kolonialherren 1975 wurde die Westsahara vom Nachbarland Marokko besetzt. Viele Sahrauis mussten vor der anrückenden Armee nach Algerien fliehen.

Während der Flucht wurden die Sahrauis mit weißem Phosphor und Napalm bombardiert.

Am 27. Februar 1976 wurde die Demokratische Arabische Republik Sahara proklamiert.

In den Flüchtlingslagern leben mehr als 160.000 Menschen, die vollständig von humanitärer Hilfe abhängig sind. Sie leiden unter dem Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven. Trotzdem gelten die Flüchtlingslager als gut organisiert.

Die Sahrauis im Exil haben eine staatliche Infrastruktur mit eigenem Verwaltungssystem aufgebaut, das vor allem die Versorgung der Flüchtlinge gewährleistet, die unter sehr harten klimatischen Bedingungen mit extremen Temperaturen im Sommer und im Winter aushalten müssen.

Unter den widrigen Lebensbedingungen des Lagerlebens ist es den Sahrauis gelungen, ein funktionierendes Schulsystem aufzubauen, die notwendigste Gesundheitsversorgung sicherzustellen und demokratische Regeln des Zusammenlebens durchzusetzen.

Das Leben in den Lagern wird hauptsächlich von Frauen organisiert. Sie sind bei der Verteilung der Lebensmittel, bei der medizinischen Versorgung, in Schulen und in Kindergärten tätig und stellen sogar im Parlament 30 Prozent der Abgeordneten.

Fast zwei Drittel der Westsahara hält Marokko besetzt, darin eingeschlossen die Phosphatvorkommen und fischreichen Gewässer entlang der Atlantikküste und alle größeren Städte des Landes.

Vielen Sahrauis bleibt bislang nur das Leben in der unwirtlichen Wüste und in den Flüchtlingslagern.

Mit einem verminten und von Armeeposten überwachten Sandwall, der „Mauer“, hat Marokko die besetzten von den befreiten Gebieten der Westsahara getrennt. Mit 2700 km ist dieser Wall 16 mal länger als die Berliner Mauer lang gewesen ist. Von den Sahrauis wird sie „Mauer der Schande“ genannt. Sie wurde mit ausländischer Rüstungshilfe, wie z.B. von Frankreich, Saudi-Arabien und den USA, errichtet und trennt die sahrauischen Familien.

Bereits 1991 wurde die UN-Friedenstruppe MINURSO beauftragt, die völkerrechtlich garantierte Selbstbestimmung der Sahrauis über ein Referendum zu organisieren – ein Referendum, das über den zukünftigen Status der Westsahara entscheiden soll. Die Abstimmung ist bis heute erfolgreich von Marokko blockiert worden.

Seit 27 Jahren herrscht bei uns weder Krieg noch Frieden. Die Sahrauis warten auf eine friedliche Lösung und fühlen sich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen.

Vor allem betrifft das die Jugendlichen, die in den Flüchtlingslagern geboren sind und keine Perspektive haben. Vor allem sie sind von der Situation total frustriert.

Im Bündnis mit Frankreich ist es Rabat bisher sogar gelungen zu verhindern, dass die MINURSO als einzige UN-Mission ein Mandat zur Überwachung der Menschenrechtssituation erhält.

Immer wieder werden sahrauische Kinder, Jugendliche, Frauen und ältere Leute in den besetzten Gebieten misshandelt. Folter ist in den Polizeistationen und Militärkasernen an der Tagungsordnung.

Kein Land auf dieser Welt hat die marokkanische Annexion der Westsahara anerkannt. Und doch zahlt die EU Millionen Euro jährlich an die Regierung von Marokko, damit diese EU-Schiffen erlaubt, in den Gewässern der Westsahara zu fischen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich im Dezember 2016 mit der Frage der Tätigkeiten der EU in der Westsahara befasst. Das Urteil vom Dezember ist eindeutig: Die Westsahara ist grundsätzlich von Marokko zu unterscheiden und ist davon getrennt zu behandeln. Marokko hat kein Recht, im Hinblick auf die Westsahara Verträge abzuschließen, ohne die Meinung der anerkannten Vertretung der saharauischen Bevölkerung anzuhören.

Gerade erst hat Generalanwalt Wathelet den Richtern des Europäischen Gerichthofes dargelegt, dass das zwischen der EU und Marokko geschlossene Fischereiabkommen ungültig ist, da es gegen das Selbstbestimmungsrecht des Volkes der Westsahara verstoßen.

Diese Argumentation gilt auch für die Projekte von Siemens in der Westsahara.

Siemens kooperiert hier mit einer Energiefirma, die sich im Besitz des marokkanischen Königs befindet, und am Aufbau eines Windparks in Foum El Qued in den besetzten Gebieten der Westsahara beteiligt ist. Die dort gebauten 22 Windräder liefern den Strom für den Abbau von Phosphat und dessen Transport von der Mine zur Küste, von wo der Rohstoff an Düngeproduzenten im Ausland exportiert wird.

Der Wert des Phosphats von drei Schiffsladungen entspricht etwa der Höhe der humanitären Hilfe, die die sahrauischen Flüchtlinge in einem Jahr erhalten. Dabei sind sie die rechtmäßigen Eigentümer der Rohstoffe.

Wir fühlen uns von Siemens im Stich gelassen.

Gasturbinen, die Siemens an Russland geliefert hatte, sind in der von Russland annektierten Krim aufgetaucht. Ein eindeutiger Verstoß gegen die Sanktionen der EU. Hier sind sie dagegen vorgegangen und haben in Russland geklagt, wenn auch nicht erfolgreich.

Es ist sehr besorgniserregend, dass sich Siemens so deutlich von Lieferungen in die besetzte Krim distanziert, während es gleichzeitig marokkanische Projekte in den besetzten Gebieten der Westsahara so stark unterstützt. Dies legt nahe, dass Siemens keine prinzipielle Haltung zur Einhaltung des internationalen Rechts hat.

Wieso halten Sie sich nicht an das Recht im Falle der besetzten Westsahara und verklagen ihre Geschäftspartner, welche die rechtswidrige Besetzung unterstützen und ausnutzen?

Angesichts solcher Plünderungen der natürlichen Ressourcen fordere ich Siemens auf, Projekte in der Westsahara, die mit der marokkanischen Regierung in Verbindung stehen, zu beenden.

Auch die klimafreundliche grüne Energie darf Menschenrechte nicht außer Kraft setzen.

Saubere Energie muss auch mit sauberen Methoden produziert werden!

Siemens geht ein reales finanzielles Risiko ein, denn ihre Verträge mit der marokkanischen Regierung sind ungültig und wertlos, da sie mit der falschen Regierung abgeschlossen wurden.

Gerade erst hat die Bundesregierung aus diesen Gründen deutlich gemacht, dass sie keine wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Unternehmen in der Westsahara unterstützt und auch keine Geschäfte über Exportkredit- und Investitionsgarantien absichert.

Daher habe ich folgende Fragen:

  1. Warum verweigert sich Siemens weiterhin, das Völkerrecht zu achten und die Zustimmung der Bevölkerung Westsaharas einzuholen?
  2. Aus welchen Gründen genau sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass die Projekte in der Westsahara angeblich nach anwendbarem Recht zulässig seien?
  3. Wie beurteilen Sie das Urteil des Europäischen Gerichthofes vom Dezember 2016, nach dem Marokko eindeutig kein Recht hat, im Hinblick auf die Westsahara Verträge abzuschließen?
  4. Wie hoch sind die finanziellen Kosten für Siemens, sollten die Verträge mit Marokko von dem Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig und ungültig erklärt werden?

Angesichts solcher Plünderungen der natürlichen Ressourcen fordere ich Siemens auf, Projekte in der Westsahara, die mit der marokkanischen Regierung in Verbindung stehen, zu beenden.

Auch die klimafreundliche grüne Energie darf Menschenrechte nicht außer Kraft setzen.

Saubere Energie muss auch mit sauberen Methoden produziert werden!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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