Rede von Verena Bax

Aus Zeitgründen war es Verena Bax leider nicht möglich, diese Rede auf der Hauptversammlung zu halten. Wir wollen sie unseren Leserinnen und Lesern dennoch nicht vorenthalten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Verena Bax und ich spreche mit Zustimmung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Ich arbeite bei der Christlichen Initiative Romero, und dem bundesweiten Zusammenschluss „Arbeitskreis Rohstoffe“, der ein Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen ist. Wir möchten fehlende menschenrechtliche Sorgfalt beim Abbau von Rohstoffen und deren massive Umweltauswirkungen beenden.

Siemens lieferte im Jahr 2013 und 2014 Gas- und Dampfturbinen- Kraftwerke an ein Tochterunternehmen von Grupo México. Dazu lieferte Siemens im letzten Geschäftsjahr ein Steuerungssystem für die Kupfermine Buenavista del Cobre, das dem Bergbaukonzerns Grupo Méxiko gehört. Dieser Bergbaukonzern ist dafür bekannt, dass er Menschenrechte, Sozial-, Arbeits- und Umweltrechte missachtet. Grupo Méxiko produziert Skandale am laufenden Band. Christian Russau, Vorstand des Dachverbandes der kritischen Aktionäre und Aktionärinnen zitierte auf Ihrer Hauptversammlung 2016 den mexikanischen Bischof Raul Vera, der Grupo México sogar als Serienmörder bezeichnet.

Am 6. August 2014 verursachte Grupo México der Regierung Mexikos zufolge das größte ökologische Desaster in der Geschichte des Landes. 40.000 Kubikmeter Kupfersulfat traten durch ein Leck in der Mine Buenavista del Cobre aus und verschmutzten Flüsse der Region. In sieben Gemeinden mit 22.000 Einwohner*innen führte dies durch Mangel an sauberem Wasser zu Krankheiten und Umweltschäden. Die Landwirtschaft, Lebensgrundlage der Menschen, wurde wegen verschmutztem Wasser zerstört. Drei Jahre später hat Grupo México weder Schäden behoben noch eine zugesagte Kläranlage gebaut. Eine Einwohnerin der Gemeinde Bacanuchi sagte der mit uns befreundeten Organisation EMPOWER in Mexiko: „Die Firma übernimmt keine Verantwortung für das, was hier im Dorf passiert“. Auch finanzielle Unterstützung zur medizinischen Versorgung bleibt bis heute aus. Im Detail können Sie dies in unserer Studie „Mexiko: Gewaltrohstoffe für Deutschlands Industrie?“ nachlesen.

Ebenfalls keine Verantwortung übernahm Grupo México für die schlechten Arbeitsbedingungen in der Mine Buenavista del Cobre. Erst im Mai 2016 starben drei Arbeiter, weil sie durch einen Lastenwagen der Mine zerquetscht wurden. Unmenschliche Arbeitszeiten von über 12-Stunden am Stück wären für das Unglück verantwortlich, sagten Kollegen der verstorbenen Arbeiter der mexikanischen Tageszeitung Excelsior.

Ihr Kunde Grupo México verstößt damit gegen essentielle Menschenrechte des sogenannten Sozialpakts, einer der wichtigsten Menschenrechtsverträge der UN: Das Recht auf Wasser, das Recht auf Nahrung, das Recht auf Sicherheit. Diese Rechte sind von Ihrem Endkunden gebrochen wurden. Laut den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten liegt es in Siemens Verantwortung seiner Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Lieferkette nachzukommen, auch bei Geschäftstätigkeiten im Ausland. Sie müssen Ihre Kunden sorgfältig auswählen und überprüfen.

Stattdessen macht Siemens keinen Halt davor, Geschäfte mit diesem skrupellosen Konzern abzuwickeln. Sie lieferten ein Steuerungssystem für die Kupfermine Buenavista del Cobre, das dem Bergbaukonzern Grupo México gehört. Durch dieses sei das Unternehmen nun, ich zitiere Sie, auf einem guten Wege hin zu einem „intelligenten Bergbau“. Sie brüsten sich damit, ich zitiere Ihren Einseiter zu Buenavista del Cobre in Cananea, Mexiko, „Siemens konnte die Ausfallzeiten in der Mine Buenavista del Cobre um 60 Prozent reduzieren und deutliche Kosteneinsparungen“ erzielen. Auch Grupo México weist in seinen Halbjahresberichten darauf hin, dass es das Minenunternehmen mit den niedrigsten Produktionskosten weltweit ist und, dass ein bedeutender Anteil dieser niedrigen Produktionskosten aus der Mine Buenavista del Cobre stammt. Laut unserer befreundeten Organisation EMPOWER aus Mexiko sind die Kosteneinsparungen in der Mine Buenavista del Cobre jedoch möglicherweise durch die Missachtung von Arbeitsrechten , die Einsparung an Gehältern und Sozialleistungen entstanden. Regelmäßig wurden in dieser Minen von Grupo México in der Vergangenheit Arbeitsrechte missbraucht. Kennzeichnend sind mangelnde Sicherheits- und Hygienebedingungen, geringe Löhne und menschenunwürdige Arbeitszeiten. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen werden systematisch benachteiligt, indem sie beispielsweise über keine soziale Absicherung verfügen.

Ich möchte nun um die Beantwortung der folgenden Fragen durch den Vorstand und den Aufsichtsrat von Siemens bitten:

In Ihrem Einseiter zu Grupo México heben Sie die angebliche „Zero Harm“-Kultur des höchst sicherheitsorientierten Minenkomplexes Buenavista del Cobre hervor. Dies widerspricht den Informationen, die wir von mexikanischen Organisationen vor Ort, wie EMPOWER und PODER erhielten, und den eben zitierten Fällen. Es ist ein Widerspruch, dass ein Unternehmen mit angeblich strikten Sicherheitsvorkehrungen nachweislich, so zeigen Studien der mexikanischen Regierung, aufgrund einer nachlässigen Sicherheitspolitik und mangelhafter Installationen für die schlimmste Umweltkatastrophe des Landes verantwortlich ist.

Siemens verpflichtet sich innerhalb seines Einflussbereichs zur Akzeptanz und Förderung der Menschenrechte, der grundlegenden Arbeitnehmerrechte, der Umwelt und der Korruptionsbekämpfung als integralem Bestandteil seiner Geschäftsstrategie und seiner Geschäfte selbst. Sie erwarten von Ihren Geschäftspartnern weltweit die Übereinstimmung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, ILO-Kernarbeitsnormen, OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UN-Konvention gegen Korruption. Wie ordnen Sie die Missachtung von essentiellen Menschenrechten bei ihrem Kunden Grupo México mit ihren „Siemens Business Conduct Guidelines“ ein? Wie stellen Sie sicher, dass ihre Geschäftspartner diese Normen einhalten? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, wenn ein Geschäftspartner, wie Grupo México, gegen die sie verstößt? Planen Sie mit dem Unternehmen in den Dialog zu treten, damit dieses Menschenrechte einhält, für den Zugang zu sauberem Wasser sorgt und die Gemeinden, die vom Leck der Mine Buenavista del Cobre betroffen sind, angemessen entschädigt? Und wird es weitere Lieferdienste an Ihren Kunden Grupo México geben?

Herr Kaeser, Sie hatten bei einem Besuch in Mexiko Investitionen in Höhe von rund 200 Millionen Dollar über zehn Jahre angekündigt. Dies bestätigten Sie im Siemens Nachhaltigkeitsbericht 2017. Mit dem mexikanischen Wirtschaftsminister unterzeichneten Sie eine Absichtserklärung über neue Projekte, berichtete der Spiegel. Sie sagten dem Spiegel:

„Wir unterstreichen unser Engagement in Mexiko. Mexiko kann auf Siemens zählen“.

Mexiko zeichnet sich laut dem Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung 2016 als Konflikt- und Hochrisikogebiet aus. Neben bewaffneten Konflikten, Gewalt und organisiertem Verbrechen, gibt es einen Krieg unter Drogenkartellen. Kriminelle Gruppen profitieren beispielsweise von dem Handel mit Eisen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie mit Ihren Geschäftstätigkeiten nicht Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Mexiko fördern? Werden Sie menschenrechtliche Auswirkungen, zu denen Sie durch Ihre Geschäfte beitragen würden, ermitteln und bewerten, wie es die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten vorsehen? Werden Sie Vorsorgemaßnahmen ergreifen, um zukünftig eine Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen zu verhindern? Und die Auswahl Ihrer Geschäftspartner je nach Ergebnis überdenken?

Siemens derzeit „implementierte Prozesse, um menschenrechtliche Risiken zu identifizieren“ sind nicht ausreichend. Wir fordern, dass Siemens die Verantwortung bezüglich seiner menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten gemäß der UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten nachkommt –durch die Überprüfung seiner Endkunden und der Verantwortungsübernahme Ihres Unternehmens bei Geschäften im Ausland. Bitte beantworten Sie unsere Fragen und schicken Sie die Antworten auch schriftlich an die Ihnen bekannte E-Mailadresse an den Dachverband der kritischen Aktionär*innen.

Ich möchte Sie, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, jetzt auffordern:

Votieren Sie dafür, dass Siemens sich bei seinen Kunden in ernstzunehmenden Schritte für eine faire Entschädigung durch Grupo Mexiko einsetzt, sowie eine angemessene Risikoanalyse für die Auswahl Ihrer Kunden implementiert, um zukünftig derartige Vorkommnisse auszuschließen.

Stimmen Sie solange gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, bis die genannten Fragen beantwortet und eine nachvollziehbare Planung zur Einhaltung der menschenrechtlichen- Sorgfaltspflichten von Siemens vorgenommen wurde.

Solange die Sorgen über die Menschenrechtsverletzungen bei Ihren Endkunden. nicht ausgeräumt sind, ist es auch mir nicht möglich, für eine Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates zu stimmen.

Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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