Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Khadja Bedati, ich spreche für die Saharauische Jugend und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier die Windräder von Siemens Gamesa Renewable Energy in der von Marokko besetzten Westsahara kritisiere, die ohne die Zustimmung des saharauischen Volkes aufgestellt wurden. Letztes Jahr haben Sie, Herr Kaeser, mich an Siemens Gamesa verwiesen und mir Antworten versprochen, die ich bis heute nicht erhalten habe. Diese Antworten verlange ich heute von Ihnen, Sie können sich nicht weiter hinter ihrem Tochterunternehmen, bei dem Siemens Mehranteilseigner ist, verstecken.
Ich habe begrüßt, dass Siemens gegenüber der NGO Facing Finance im letzten Jahr eine Klarstellung bezüglich seiner Sichtweise auf den Rechtsstatus der Westsahara vorgenommen hat. In ihrer Antwort sprechen Sie von „Windparkaktivitäten auf dem besetzten Gebiet der Westsahara“ und beziehen im Übrigen ausdrücklich Stellung sowohl für die Siemens AG als auch für Siemens Gamesa. Sie akzeptieren also endlich, dass die Westsahara völkerrechtswidrig besetzt ist. Daher möchte ich wissen: Warum wenden Sie andere Geschäftspraktiken auf die besetzte Westsahara an als auf die von Russland besetzte Halbinsel Krim, mit der Sie unter keinen Umständen in Verbindung gebracht werden wollen?
Außerdem möchte ich eingehen auf den Irrglauben, dass Erneuerbare Energie zwangsläufig immer nachhaltig ist, da man sie nicht verbrauchen kann. Der Wind wird selbstverständlich auch noch nächstes Jahr in der Westsahara wehen, aber Sie sorgen dafür, dass die meisten Saharauis diesen Wind vielleicht nie wehen hören werden, da sie in Flüchtlingslagern in Algerien leben müssen. Sie stabilisieren die illegale Besatzung und sorgen so dafür, dass die Saharauis ihr unanfechtbares Recht auf Selbstbestimmung nicht ausüben können. Ihr Windpark in Foum el Oeud liefert den Strom für die illegal vom marokkanischen Staat betriebene Phosphatmine. Ihre Windparks machen die völkerrechtswidrige Plünderung der Ressourcen der Westsahara möglich und damit die Besatzung der Westsahara lukrativ für Marokko.
Ihre gegenüber Facing Finance angekündigte „Folgenabschätzung für die Windparkaktivitäten“ können sie sich im Übrigen sparen. Es ist völkerrechtlich völlig irrelevant, ob und wer von ihren Windrädern profitiert; einzig und allein entscheidend nach internationalem Recht ist die ausdrückliche Zustimmung der Saharauis bzw. ihrer einzigen international anerkannten Vertretung, der Frente Polisario. Dies wurde durch die Urteile des EuGHs noch einmal bestätigt. Da Sie jedoch der Meinung sind, dass diese Urteile keine Auswirkungen auf ihr Unternehmen haben, frage ich Sie: Der Rechtsprechung welchen Staates sind aus ihrer Sicht die „Windparkaktivitäten“ in der Westsahara unterworfen?
Natürlich gelten die Urteile des EuGHs zunächst einmal für die Wirtschaftsverträge zwischen der EU und Marokko. Ihre Kernaussage findet jedoch zwingend in der kompletten Rechtsprechung innerhalb der EU Anwendung. Nur um ein Beispiel zu nennen: die französische Firma Chancerelle wurde von der Polisario 2018 vor einem französischen Gericht verklagt, da es ohne die Zustimmung der Polisario saharauischen Fisch verkaufte.
Zudem hat die Polisario auf ihrem Volkskongress Ende Dezember 2019 den Beschluss gefasst, gegen alle Unternehmen, die in den besetzten Gebieten der Westsahara illegal investieren, Rechtsmittel einzulegen. Daher frage ich sie: Wie hat Siemens Gamesa die Zustimmung des saharauischen Volkes für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in der Westsahara eingeholt?
Die Polisario hat auf ihrem Volkskongress Ende Dezember 2019 die strategische Ausrichtung ihres Kampfes für Selbstbestimmung beschlossen. Fast 30 Jahre ist es her, dass sie dem Waffenstillstand der UN zustimmten, der die Durchführung eines Referendums zum Ziel hatte. Dieses Referendum gab es bisher nicht, und die Stimmen, die ein Ende des Waffenstillstands fordern, werden folglich immer lauter, vor allem unter den Jugendlichen. Ich glaube, dass es Ihnen immer noch nicht bewusst ist, dass sie mit ihren Geschäften die Blockade des Referendums unterstützen und damit dafür sorgen, dass die Kriegsgefahr in diesem Gebiet größer wird. Wie würden sie reagieren, wenn es wegen der anhaltenden Verzögerungstaktik Marokkos dem Referendum gegenüber zu einer Auflösung des Waffenstillstands kommen sollte?
Siemens Gamesa soll nun zusammen mit der Kraftwerkssparte Gas & Power in dem neuen Unternehmen Siemens Energy zusammengeführt werden. Meinen Sie, dass die Investoren, die die diesem Projekt sowieso schon kritisch gegenüberstehen, es gutheißen werden, dass dieses neue Unternehmen Profit aus einer völkerrechtswidrigen Besatzung schlägt? Was wäre denn, wenn sich beispielsweise der Pensions Fonds der Church of England, der Mitglied in der Climate 100+ Allianz ist, die Siemens als Zielunternehmen identifiziert hat, sich an den staatlichen Pensionsfonds aus Norwegen und Schweden orientiert? Diese haben die Betreiber der Phosphatmine in der Westsahara, OCP, aus ihrem Portfolio gestrichen. Also die Betreiber der Mine, die von Ihren Windrädern mit Strom beliefert wird. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, Herr Sen, als designierten Vorstandsvorsitzenden von Siemens Energy: Wird Siemens Energy die Umstrukturierung zum Anlass nehmen, seine Aktivitäten mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen und sich aus der besetzten Westsahara zurückziehen?
Laut eigener Aussage schaffen Sie sich, Herr Kaeser, mit der Gründung von Siemens Energy selbst ab; schaffen Sie doch zunächst einmal die völkerrechtswidrigen Aktivitäten ihres Unternehmens ab, die so vielen Menschen Leid bringen.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.