Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir ein stärkeres Engagement von Siemens bei Menschenrechten und Klimaschutz.
Menschenrechte und Klimaschutz sind auch die Themen, auf die ich nun eingehen möchte. Schließlich werden die Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte und Umweltschutz auch in Ihren Lieferketten direkt von Ihnen, vom Vorstand, überwacht. Beim Schutz von Klima, Umwelt und Menschenrechten sehen wir weiterhin etlichen Nachholbedarf. Aus diesen Gründen werden wir auch dieses Jahr Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Dies möchte ich nun begründen, ich habe vor allem Fragen an Sie zur konkreten Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.
Thema virtuelle Hauptversammlung und Ablehnung TOP 9
Zunächst muss ich aber auch wie in den Jahren zuvor das Format der heutigen Hauptversammlung kritisieren, die wieder nur rein virtuell stattfindet. Ein Austausch mit anderen Aktionär*innen ist schlicht nicht möglich.
Unsere Begründung, warum wir die Ermächtigung des Vorstands unter ablehnen, die Sie uns wieder unter TOP 9 vorschlagen, bleibt auch nach zwei Jahren Erfahrungen mit virtuellen Hauptversammlungen unter den neuen gesetzlichen Bedingungen unverändert: Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung – und nicht der Vorstand – darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen.
Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden können, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.
Höchst problematisch ist allgemein das von Aktionärsseite schwindende Interesse an Hauptversammlungen, wenn diese nur virtuell stattfinden. Viele schalten ihren Computer erst gar nicht an, dies ist auch ein Abstimmen mit den Füßen über dieses Format.
Wir sind ja nicht die einzigen, die vehement auf die Nachteile des virtuellen Formats hinweisen und auch den Vorstand daher nicht entlasten werden. Auch die Ablehnung der virtuellen Hauptversammlung auf der TUI-Hauptversammlung diese Woche sollte Ihnen zu denken geben.
Herr Snabe und Herr Busch, wie jedes Jahr werden Sie nicht müde zu erklären, was die neue Siemens AG im Kern tut: die reale mit der digitalen Welt verbinden. Wenn es ein Hauptversammlungsformat gibt, dass zu Siemens passt, dann ist es nicht das virtuelle, sondern das hybride Format. Daher frage ich Sie wie letztes Jahr:
- Wenn es also ein Unternehmen geben sollte, das eine hybride Hauptversammlung durchführen können, an der sowohl in Präsenz als auch digital teilgenommen werden kann, sollte das ja wohl Siemens sein, oder? Haben Sie diese Option ernsthaft geprüft und wenn ja, diese etwa nur wegen geringer Mehrkosten verworfen?
- Wie sehen dahingehend Ihre Pläne für die Hauptversammlung 2026 aus?
Sie scheinen ja nicht so sicher, dass Ihr Vorschlag heute angenommen wird. In der Süddeutschen Zeitung ist zu lesen, dass Sie für alle Fälle schon die Münchner Olympiahalle für die Hauptversammlung 2026 reserviert hätten.
Wie letztes Jahr fordern wir Sie dazu auf, der Hauptversammlung auch die Option eines hybriden Formats zur Abstimmung vorzuschlagen, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung verbindet. Sie können es aber auch einfach halten und selbstständig auf der nächsten Hauptversammlung Ihren Aktionär*innen die Wahlfreiheit geben, wie sie an der Hauptversammlung teilnehmen möchten.
Nun aber zu meinen eigentlichen Themen und Fragen:
Thema Klimaschutz
Unser Hauptkritikpunkt bleibt, dass Sie sich mit der Abspaltung bzw. Spin-off von Siemens Energy zu leicht aus der Verantwortung gezogen haben, dort die Transformation von fossilen zu erneuerbaren Energien voranzutreiben. So wie es aktuell bei Siemens Energy aussieht, die nun versuchen, von einem möglichen Boom klimaschädlicher Energien unter Donald Trump zu profitieren, tun Sie dies auch nicht als weiterhin einer der größten Einzelaktionäre von Siemens Energy. Ein Divestment aus Klimaschutzgründen sieht anders aus, denn in erster Linie finanzieren Sie ja so die milliardenschwere Übernahme der Softwarefirma Altair. Im Eingangsvideo wurde so etwas als „Portfolio-Optimierung“ beworben. Daher frage ich Sie:
- Wie wollen Sie in Zukunft Ihrer Verantwortung gegenüber Siemens Energy gerecht geworden, angesichts der dort vorherrschenden fossilen Expansionspläne?
- Wie bewerten Sie die Beteiligungen von Siemens Energy an dem Ausbau fossiler Gas-Infrastruktur, die vor allen in Industrieländern im Widerspruch zu den erforderlichen Maßnahmen für die Erreichung internationaler Klimaziele steht?
- In welchen Umfang planen Sie, Ihre Anteile an Siemens Energy zu verändern? Ist dies Teil Ihrer Strategie, Ihre eigenen Klimaziele zu erreichen und ihr Portfolio bzw. Ihre Downstream-Wertschöpfungskette „grüner“ zu gestalten?
Herr Busch, wie auch in den letzten Jahren haben Sie in Ihrer Eingangsrede hervorgehoben, wie viele Tonnen CO2 Ihre Kunden mit dem im letzten Jahr erworbenen Siemens-Produkten einsparen werden. 2024 waren es ja immerhin 144 Millionen Tonnen CO2. Aber auch wie in den letzten Jahren muss ich leider Wasser in Ihren Wein kippen, denn weiterhin werden mit Ihren Produkten weiteraus mehr Emissionen freigesetzt als eingespart werden. Ihre entsprechenden Scope-3-Emissionen der Produkte, die Sie 2024 verkauft haben, belaufen sich auf fast 400 Millionen Tonnen CO2. So bleiben unter dem Strich immer noch Mehremissionen von über 250 Mio. t CO2e für 2024, die Sie, die Siemens zu verantworten hat. Sie bekommen erst ein Lob für Ihre Klimaschutzmaßnahmen, wenn Sie deutlich mehr helfen, CO2 einzusparen, als Sie selbst durch den Verkauf Ihrer Produkte zu verantworten haben.
Thema Siemens Mobility und Züge
Ich bin es aber leid, hier auf Ihren Hauptversammlungen nur oberflächlich Ihre Emissionen zu kritisieren. Denn Sie haben ja viel Potenzial für wirklich effektive Maßnahmen beim Klimaschutz. Und da gehören die Züge von Siemens Mobility seit jeher zu Ihrer Konzern-DNA, und immerhin gehört Siemens Mobility weiter zum Siemens-Konzern. Da muss ich auch fragen:
- Soll dies auch in Zukunft so bleiben oder gibt es Pläne, Siemens Mobility bzw. Ihre Zugsparte auszugliedern? Damit wir uns richtig verstehen: Wir fordern dies nicht, sondern interessieren uns für Ihre Pläne. Die Forderung zur Abspaltung ist auf der letzten Hauptversammlung von anderen gestellt worden, und heute erneut etwa von der DWS.
Herr Busch, neben der S-Bahn München war der ICE war ja bereits Thema in Ihrer Eingangsrede. Die Deutsche Bahn AG, eine Ihrer wichtigsten Kundinnen, hat für die neue Generation an Schnellzügen, den ICE 5, bisher ohne Erfolg ausgeschrieben. Sie scheinen sich auch beworben zu haben.
- Können Sie erläutern, wieso Ihre Bewerbung und Pläne für den ICE 5 nicht angenommen worden sind?
- Planen Sie, Ihr Angebot zu überarbeiten entsprechend den Anforderungen der Deutschen Bahn?
- Liegt es unter anderem daran, dass Sie keine Schellzüge möglichst barrierearm konstruieren können? Schließlich hat Ihr Konkurrent aus Spanien, Talgo, einen großen Auftrag der Deutschen Bahn für den ICE L ergattert, weil im Zugkonzept von Talgo ein möglichst ebenerdiger Zugang gewährleistet ist, im Gegensatz zu Ihren Zügen?
In Mexiko schreitet das Großprojekt unter dem Namen „Tren Maya“ weiter voran. Unverändert massiv ist auch die Kritik betroffener Gemeinden, vor allem indigener Gemeinden, hierbei nicht entsprechend geltender Gesetze um freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) gebeten worden zu sein. Wirklich nachhaltige Projekte müssen solche Rechte wahren, Menschenrechte und Klimaschutz dürfen niemals gegeneinander ausgespielt werden. Sie scheinen zu Beginn dieses Projektes Interesse gehabt zu haben, den Zuschlag für die Züge hat aber Ihr Konkurrent Alstom erhalten.
- Sind Sie dennoch an dem Projekt „Tren Maya“ in Mexiko beteiligt, etwa durch Lieferung von Signaltechnik etc.?
- Wie stellen Sie sicher, dass an den Projekten, an denen Sie sich beteiligen, auch explizit das Recht indigener Gemeinschaften auf vorherige, freie und informierte Zustimmung gewährleistet wird?
- Dies war auch eine der Hauptkritikpunkte Ihrer Beteiligung an den klimaschädlichen Kohle-Expansionsplänen von Adani in Australien. Haben Sie mittlerweile konzernweite Ausschlusskriterien für Beteiligungen oder Lieferungen an fossile Projekte, zumindest Kohleprojekte? Oder müssen wir davon ausgehen, dass Ihre Züge und Technik weiterhin bei der Expansion von Kohleminen zum Einsatz kommen? Falls Sie keine solchen Ausschlusskriterien haben, wie bringen sie mögliche Beteiligungen an klimaschädlichen Projekten in Einklang mit Ihren eigenen Klimazielen?
- Ihre Züge sind ja auch in China unterwegs, in Tianjin produzieren Sie Traktionsantriebe. Da Sie ja einen Ansatz „local for local“ verfolgen: Insbesondere die Rohstoff-Lieferketten, etwa bei Aluminium, haben weiterhin ein hohes Risiko von uigurischer Zwangsarbeit. Haben Sie Ihre Rohstoff-Lieferketten in China entsprechend Ihrem risikobasiertem Ansatz dahingehend geprüft und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Dies bringt mich zudem Thema Menschenrechte allgemein:
Thema Menschenrechte
Bei der Umsetzung des Green Deals der EU und beim Lieferkettengesetz gibt es massive Kritik von einigen Verbänden wie dem BDI: Die Umsetzung sei ein reines „Bürokratiemonster“. Doch für eine konstruktive Diskussion kommen bisher keine Vorschläge, wie es besser umgesetzt werden könnte. Lobbyverbände, in denen Sie auch Mitglied sind, haben sich gerade im aktuellen Bundestagswahlkampf nur darauf eingeschworen, geplante und schon beschlossene Regulierungen wieder ganz abschaffen zu wollen statt konstruktive und pragmatische Lösungen zu erarbeiten. Doch ohne einheitlichen Rahmen und verbindliche Zielvorgaben für alle Unternehmen wird es nicht funktionieren. Unternehmen, die sich ernsthaft um Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Prüfung ihrer Lieferketten kümmern, werden in dem aktuellen Status Quo strukturell gegenüber jenen Unternehmen benachteiligt, die sich nicht wirklich kümmern. Und ich zähle Siemens weiterhin zu jenen Unternehmen, die sich ernsthaft bemühen, und Sie wissen selbst, dass viele andere Unternehmen auch erstmal schauen, was und wie Sie die Umsetzung Ihrer Klimaziele und Risikomanagement-Systeme herangehen. Sie haben hier eine doppelte Verantwortung, wenn Sie weiterhin als Vorbild gehandelt werden möchten.
Wir haben das Lieferkettengesetz ja vor allem deshalb, weil deutsche Unternehmen daran gescheitert sind, freiwillig die Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) umzusetzen. Dazu haben Sie nicht gehört, aber umso mehr fehlt nun Ihre Stimme in der aktuellen Diskussion, wie in der Praxis das Lieferkettengesetz effektiv umgesetzt werden kann.
Ihr Wort hat daher auch in der aktuell nicht gerade konstruktiv geführten Diskussion um die Zukunft des EU Green Deals, von Berichtspflichten und des Lieferkettengesetzes, daher frage ich Sie:
- Wie sieht Ihre Position aus: Bekennen Sie sich zu den grundsätzlichen Vorhaben der EU im Rahmen des Green Deals und fordern eine bessere, unbürokratische Umsetzung; oder fordern Sie auch eine vollständige Abschaffung beschlossenen der EU-Richtlinien und des Lieferkettengesetzes?
Bei der konkreten Umsetzung scheint es nämlich massiv Probleme zu geben, aber weniger mit den gesetzlichen Vorgaben. Vielmehr scheinen sich die Unternehmen selbst unnötig Bürokratie aufzulasten und gerade große Konzerne sourcen Ihre Sorgfaltspflichten einfach anhand von Fragebögen an ihre direkten Zulieferer aus, statt risikobasiert selbst die Risiken in ihren Lieferketten zu analysieren. Daher frage ich Sie:
- Schicken Sie auch ohne Anlass Fragebögen allein an Ihre direkten Zulieferer? Falls ja, wie ist dies mit dem risikobasierten Ansatz vereinbar, den Sie ja verfolgen?
In anderen Konzernen scheinen Rechtsabteilungen oder externen Beratungen zu dem Schluss gekommen zu sein, dass nur so eine rechtskonforme Umsetzung des Lieferkettengesetzes aussehen kann, was vollkommen den Sinn und Anforderungen des Gesetzes hinsichtlich effektiver und präventiver Maßnahmen widerspricht.
Ich habe dazu auch Ihren aktuellen Bericht zum Lieferkettengesetz gelesen. Sie berichten von sieben Beschwerden, die Sie in Bezug auf mögliche Menschenrechtsverletzungen erhalten haben, von denen noch nicht alle geklärt werden konnten. Da es aus dem Bericht nicht hervorgeht und dieser ja auch nur den Zeitraum des letzten Geschäftsjahres umfasst:
- Um welche Fälle handelt es sich und konnten diese geklärt werden?
- Wie viele Beschwerden haben Sie bisher im laufenden Geschäftsjahr erhalten und können dies von Ihnen geklärt werden?
- Habe Sie aktuell im eigenen Geschäftsbereich oder bei Ihren Zulieferern Menschenrechtsverstöße aufgrund Ihrer Risikoanalysen identifiziert? Wenn ja, um welche Fälle handelt es sich und wie reagieren Sie?
- Wie viele Hinweise und Beschwerden haben Sie allgemein über Ihr Hinweisgebersystem erhalten? Was waren die Themen? Wurden konkrete Rechtsverstöße gemeldet und wenn ja, wie haben Sie reagiert und wie ist der aktuelle Stand noch nicht geklärter Fälle?
Fragen zu den Kosten Berichterstattung Konzernbilanz und Nachhaltigkeit
Last but not least das Thema der Kosten der Umsetzung der neuen EU-Richtlinien. Auch hier gibt es große Klagen, aber wenig Daten. Die Kosten für die Umsetzung sind nicht klar und scheinen sich von Konzern zu Konzern massiv zu unterscheiden.
Wir haben daher allen Dax-40-Konzerne folgende Fragen gestellt, um ein wenig Licht ins Dunkle bringen zu können, daher stelle ich auch Ihnen diese Fragen:
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten (Vollkosten sind optional) im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Finanzberichterstattung nach HGB und IFRS? Dies bezieht sich nur auf alle Kosten, die für die Konzernabschlüsse anfallen.
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr 2023 und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Berichterstattung nach den ESG-Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) oder, wenn die ESRS nicht genutzt wurden, dann einem anderen verwendeten Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (z. B. GRI, ISSB)?
- Wie viele Prüfungsgesellschaften haben Sie für die Prüfung Ihres Nachhaltigkeitsberichts aus welchen Gründen diskutiert? Was qualifiziert PricewaterhouseCoopers denn nun so besonders? Wenn es nur der Grund ist, dass PWC ohnehin den Konzernabschluss prüft, reicht uns das nicht aus.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.