Folgen des Einsatzes hochgiftiger Pestizide, neue Klimaziele und Zucker als Gesundheitsrisiko: Unsere Fragen an den Vorstand von Südzucker

Fragen zum Einsatz von Neonikotinoiden/Notfallzulassung für illegale Pestizide

Drei Neonikotinoide (darunter auch Thiomethoxam) sind seit 2018 im Freiland verboten, da sie sehr gefährlich unter anderem für Honig- und Wildbienen sind. Durch die Hintertür des legalen Instruments der „Notfallzulassung“ kommen sie dennoch wieder zur Anwendung. Neonikotinoide sind hoch bienengefährlich und schädigen auch andere Tierarten wie Bodenorganismen und Vögel. Sie sind hoch toxisch, langlebig und wasserlöslich. So verbreiten sie sich weit in der Umwelt und richten noch Jahre nach ihrer Ausbringung Schaden an. Seit einem Moratorium 2013 dürfen die drei giftigsten Neonikotinoide in der EU nicht mehr eingesetzt werden. Dennoch findet man Rückstände dieser Stoffe breit verteilt in Gewässern. Die Ausbringung von Neonikotinoiden ist mitverantwortlich für das Insektensterben und damit für den Verlust an Biodiversität.

In Bayern verbreiten sich diese hochgefährlichen Pestizide nach einer weiteren „Notfallzulassung“ nun sehr schnell. Untersuchungen eines akkreditierten Labors wiesen letztes Jahr nach, dass die Konzentration rund 50-mal höher ist, als das, was noch als akzeptabel gilt (siehe https://taz.de/Nach-Notfallzulassung-eines-Pestizids/!5799734/). Solche massiv überschrittenen Grenzwerte lassen sich überall in Deutschland nachweisen (siehe: Liess et al. 2021: Pesticides are the dominant stressors for vulnerable insects in lowland streams, Water Research 201, https://doi.org/10.1016/j.watres.2021.117262)

Dabei haben schon sehr kleine Mengen fatale Auswirkungen auf die gesamten betroffenen Ökosysteme. Auf der letzten Hauptversammlung meinte Dr. Thomas Kirchberg, die Neonikotinoide würden sehr gezielt gegen Blattläuse wirken. Doch die Untersuchungen in Bayern zeigen, dass die Auswirkungen bei weitem nicht auf die Blattlaus und auch nicht nur auf die Felder beschränkt sind, auf denen Neonikotinoide eingesetzt worden waren. Südzucker berichtet, dass 2021 20.600 Hektar mit neonikotinoidbehandeltem Saatgut bestellt wurden.

  • Braucht es angesichts dieser Untersuchungen nicht eine Neubewertung der Umweltrisiken von Pestiziden, insbesondere von Neonikotinoide, durch die Südzucker AG, welche die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse mit einbezieht? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
  • Neonikotinoide bleiben über Jahre im Boden und werden von Nachfolgepflanzen aufgenommen werden, die dann auch wieder Insekten anziehen. Bleibt der Vorstand bei der eigenen Einschätzung, dass der Einsatz von Neonikotinoiden wie Thiomethoxam eine „sehr gezielt“ wirkende Maßnahme gegen Läuse wäre?
  • Inwieweit setzt sich die Südzucker AG dafür ein, dass es nicht zu Verstößen gegen Vorgaben wie die der Allgemeinverfügung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft über Risikominderungsmaßnahmen zur Nutzung von Zuckerrübensaatgut kommt?
  • Im Fall des Einsatzes von Neonikotinoiden: Es scheint unterschiedliche Angaben von Südzucker darüber zu geben, ob anhaftende Erde an Zuckerrüben direkt auf Felder ausgebracht oder für bis zu drei Jahre auf Werksgelände gelagert wird. Was genau passiert mit anhaftender Erde von Feldern, auf denen zuvor Saatgut mit Neonikotinoiden eingesetzt worden war?
  • Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat im November 2021 einen Antrag auf eine erneute Notfallzulassung für das Neonikotinoid Thiamethoxam abgelehnt. Wie beurteilen Sie diese Ablehnung und können Sie bereits die Folgen bzw. Auswirkungen auf die Ertragslage benennen, die den Faktor Schädlingsbefall berücksichtigt?
  • Inwieweit setzen Sie Maßnahmen zur politischen Einflussnahme fort, z.B. Kontakte mit politisch verantwortlichen Personen, Ministerien und Verbänden, um sich für eine erneute „Notfallzulassung“ für verbotene Pestizide auszusprechen?
  • Inwieweit setzt sich die Südzucker AG dafür ein, die biodiversitätsschädigenden Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden allgemein zu minimieren?
  • Für das aktuelle Geschäftsjahr prognostizieren Sie für das Zuckergeschäft ein operatives Ergebnis zwischen 0 und 100 Mio. Euro. Welche Faktoren (wie Energiepreise, Krieg gegen die Ukraine, Folgen der Klimakrise, Pestizideinsatz etc.) sehen Sie dafür als entscheidend an?

Fragen zum Klimaschutz

  • Sie haben nun Ihre Klimaziele aktualisiert und wollen nun bis 2030 gegenüber 2018 die Hälfte Ihrer direkten Treibhausgasemissionen (Scope 1 und 2) einsparen, statt wie zuvor nur 30 Prozent. Gleichzeitig stellten im letzten Geschäftsjahr über 86 Prozent nicht erneuerbare Energien den maßgeblichen Anteil für Ihre sehr energieintensiven Produktionsprozesse. Dabei ist ihr absoluter Energieverbrauch sogar ganz leicht angestiegen, trotz aller Mühen um effizienten Energieeinsatz. Zwar konnten Sie den Anteil erneuerbare Energien um 15 Prozent steigern, doch dies führte nur zu einer CO2-Reduktion um 5 Prozent. Halten Sie Ihre Klimaziele bei diesem Tempo für realistisch?
  • Angesichts von Klimakrise, Energiepreiskrise und Abhängigkeit von fossilem Gas aus Russland: Sollten Sie nicht Ihre Anstrengungen und Investitionen in die absolute Senkung Ihres Energieverbrauchs und den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich erhöhen?
  • Welche konkreten Maßnahmen und Pläne haben Sie dazu seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in Angriff genommen, die über die bisherigen Pläne hinausgehen?
  • Für die indirekten Emissionen der Wertschöpfungskette (Scope 3) haben Sie nun erstmals ein Reduktionsziel; Sie wollen im Vergleich zu 2018 30 Prozent klimaschädliche Emissionen bis 2030 einsparen. Erst für das laufende Geschäftsjahr werden Sie Scope-3-Emissionsdaten nennen können. Für das Basisjahr 2018 haben Sie ermittelt, dass der Scope-3-Anteil an Ihrem CO2-Fußabdruck fast drei Viertel ausmacht, da sie vor allem Agrarrohstoffe einkaufen, für die bereits sehr viel CO2 emittiert wurde. Angesichts allgemein möglicher längerer Nutzung von fossilen Energien: Halten Sie Ihr aktuelles Scope-3-Klimaziel weiterhin für realistisch?
  • Haben Sie schon erste Ergebnisse zu Ihren Analysen (Project Carbon Farming), wie beim Anbau insbesondere von Zuckerrüben Kohlenstoff gebunden und CO2-Emissionen eingespart werden können?
  • Laut Geschäftsbericht arbeiten Sie aktuell noch an Ihrer Richtlinie zur Erreichung Ihres Netto-null-Ziels bis 2050 gemäß den Anforderungen der FLAG-Richtlinie der Science-Based Targets Initiative. Wie ist dazu der aktuelle Stand und gibt es schon einen Ausblick, was genau sich ändern soll?

Fragen zu Nachhaltigkeit und EU-taxonomiefähige Aktivitäten

  • Laut Geschäftsbericht sind nur 11,1 Prozent Ihrer Umsatzerlöse EU-taxonomiefähige Aktivitäten, bei Ihren Investitionen sind es auch nur 11,3 Prozent und bei Ihren Betriebsausgaben sogar nur 8,6 Prozent. Haben Sie vor, diesen Anteil zu steigern, und wenn ja, wie genau? Bitte Zielangaben je für Umsatzerlöse, Investitionen und Betriebsausgaben nennen, falls vorhanden.
  • Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Anfang 2022 ihre Sicherheitsbewertung zu Zucker in der Nahrung und dem möglichen Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen abgeschlossen. Das wenig überraschende, aber valide Ergebnis: Die Aufnahme von zugesetzten und freien Zuckern sollte für eine angemessenen Ernährung so gering wie möglich sein. Wie bewerten Sie die Risiken möglicher EU-Regularien und Vorgaben zur Reduktion von Zucker in Lebensmitteln für Ihr Geschäft?
  • Inwieweit haben Sie zu diesem Thema Maßnahmen zur politischen Einflussnahme ergriffen oder planen dies, z.B. Kontakte mit politisch verantwortlichen Personen, Ministerien und Verbänden?

Fragen zu menschenrechtlicher Sorgfalt und Lieferketten

  • Sind Umweltrechts- oder Menschenrechtsverstöße in den letzten Audits bei Ihren Standorten bzw. Zulieferern festgestellt worden und wenn ja, wie viele und was genau?
  • Ab 2023 wird auch für Südzucker das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gelten. Südzucker sollte demnach selbst die menschenrechtlichen Risiken in den eigenen Lieferketten prüfen und auch ggf. präventive Maßnahmen ergreifen. Inwieweit sind Ihre bisherigen Managementsysteme und das Nutzen der SEDEX-Plattform und von SMETA-Audits darauf vorbereitet? Falls zutreffend, was haben Sie konkret bisher geändert?

Frage zur Hauptversammlung

  • Der Bundestag hat nun klare gesetzliche Regeln für die Durchführung zukünftiger virtueller Hauptversammlungen verabschiedet. Haben Sie auf dieser Grundlage bereits eine Präferenz, die nächste Hauptversammlung wieder in Präsenz, rein virtuell oder in hybrider Form durchzuführen? Mit welcher Begründung?

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