Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
ich bin Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Südzucker deutlich effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz der Umwelt und Biodiversität ein.
Angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise erwarten wir von Ihnen deutlich mehr Investitionen und Unterstützung der Landwirtschaft – Ihre Finanzlage und Gewinne lassen dies ohne Zweifel zu. Dies hatte ich letztes Jahr angemerkt und betone es heute nochmal, denn – dies hat Herr Pörksen ja ausführlich erläutert – Sie haben im letzten Geschäftsjahr das operative Konzernergebnis um über 34 Prozent auf fast eine Milliarde Euro steigern können.
Zum Segment Zucker:
Herr Pörksen, ich kann Ihrem Argument für an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel, die bestimmte Grenzwerte an Zucker, Fett und Salz überschreiten, nicht ganz folgen.
Einerseits sagen Sie, dass es nicht einzelne Nährstoffe oder Lebensmittel seien, die Übergewicht bei Menschen verursachen, sondern eine unausgewogene Kalorienbilanz und unregelmäßige Essgewohnheiten. Andererseits hat auch gezielt an Kinder gerichtete Werbung von Süßigkeiten einen Anteil daran, dass diese sich mit höherer Wahrscheinlichkeit unausgewogen ernähren. Können Sie denn belegen, dass solche Werbung überhaupt keine Auswirkungen auf Essgewohnheiten, insbesondere von Kindern, hat?
Die wissenschaftliche Studienlage ist hierzu vielfältig, aber entscheidend ist hier, dass Sie einen Teil Ihrer Verantwortung für Übergewicht und schlechte Gesundheit allein auf das Verhalten der Konsument:innen abschieben wollen. Was Unternehmen bisher eher zu Veränderungen von Rezepturen bewogen hat, ist eine Zuckersteuer, die fällig wird, wenn bestimmte, unverhältnismäßige Grenzwerte überschritten werden. Wie stehen Sie zu einer solchen Zuckersteuer?
Ich habe mir auch Ihren Eintrag im Lobbyregister angesehen. Zum Teil liest sich dieser genau so, wie ich es vom Klischee einer rückwärtsgewandten Industrieinteressensvertretung erwarten würde: Rhetorisch überall im Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft und Erhalt der Lebensgrundlagen, doch im Detail eine reine Verhinderung von Maßnahmen für eine effektive Energiewende, die Reduzierung von schädlichen Pestiziden und eine gesunde Ernährung.
Sie bestätigen mit Ihren Lobbyaktivitäten unseren Vorwurf an die Südzucker AG, an einem „business as usual“, an einem Weiter-so in der industriellen Landwirtschaft festhalten wollen, statt die sozial-ökologische Wende in der Landwirtschaft voranzubringen.
Daher dazu ein paar Fragen, da auch Sie, Herr Pörksen, vorhin auf Ihre Forderungen an die Politik im Detail eingegangen sind:
Wie genau haben Sie Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz und zur Ernährungsstrategie genommen?
Der EuGH hat die Notfallzulassungen für extrem schädlichen Neonicotinoide Anfang 2023 endgültig verboten. Vor 2023 hatten auch Sie Zuckerrübenanbauer:innen mit entsprechend gebeiztem Saatgut versorgt. Wie ist nun Ihre Bilanz bisher dazu, auch ohne Neonics auszukommen?
Sie haben die Probleme durch Stolbur erwähnt. Sie beklagen auch gleich, ganz im Modus herkömmlicher Landwirtschaft, dass es keine wirksamen Insektizide als Mittel gegen die Ausbreitung von Stolbur gäbe. Viele Rübenanbauer:innen gerade bei Ihnen im Südwesten Deutschlands sind betroffen. Die Krankheit ist eine Folge der Klimakrise, weil sich Zikaden bei den höheren Temperaturen besser vermehren und die Rübe als neuen Wirt nutzen. Wenn nun ohnehin keine Pestizide helfen und durch die eskalierende Klimakrise weitere Probleme und Schäden zu erwarten sind, wie reagieren Sie hierauf?
Ihrem Geschäftsbericht entnehme ich zur Anpassung an die Klimakrise, dass Sie schon im vorletzten Geschäftsjahr für fast 100 Ihrer Produktionsstandorte eine „Klimawandel-Szenarioanalyse“ durchgeführt hatten, insbesondere das Klimarisiko für die Zuckerrübe. Doch Sie schreiben wenig Konkretes über die Ergebnisse und Ihre Schlussfolgerungen daraus. Daher hier die Frage: Warum so intransparent? Vor allem aber: Was sind die konkreten Ergebnisse Ihrer „Klimawandel-Szenarioanalyse“ jeweils für das optimistische und das pessimistische Szenario bis 2029, 2040 und 2060? Und welche konkreten Schritte haben Sie daraus abgeleitet, haben Sie Ihre Strategien und Investitionspläne geändert und falls ja, wie genau?
Stichwort Klimakrise: Seit Jahren kritisieren wir, dass Ihr Einsatz von Erneuerbaren Energien praktisch stagniert. Sie hatten auch im letzten Geschäftsjahr einen fossilen Energieeinsatz von fast 85 Prozent. Entsprechend miserabel ist Ihre Klimabilanz. Halten Sie daher Ihre Klimaziele 2030 weiterhin für erreichbar und wenn ja, welche neuen Maßnahmen ergreifen Sie nun dazu? Denn so wie in den letzten fünf Jahren kann es definitiv nicht weitergehen, wenn Sie Ihre Klimaziele erreichen wollen.
Hier sind wir ja auch bei einem Kernpunkt in der Diskussion um die Agrardiesel-Subventionen angekommen. Landwirtinnen und Landwirte hatten Anfang des Jahres deutlich gemacht, wie angewiesen Sie weiterhin auf fossile Energien und insbesondere die Agrardiesel-Subventionen sind. Viele haben aber auch deutlich gemacht, dass es um grundlegendere Probleme bei der Bewältigung der Transformation, Energie- und Agrarwende geht. Einzelne Höfe können diese nicht leisten. Aber von einem Konzern, der einen Jahresüberschuss von 648 Millionen Euro vorweist und weiterhin maßgeblich vom Rübenanbau angewiesen ist, trotz aller Diversifizierung, da sollte doch deutlich mehr in die Unterstützung Ihrer Landwirte und Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werden statt eine hohe Dividende auszuzahlen.
Mehr können Sie beispielsweis in Agri-Photovoltaik (Agri-PV) investieren, dies sollte mit dem Rübenanbau vereinbar sein. Zum Teil können hier bessere Bedingungen und auch Ertragsanstiege beim Rübenanbau erzielt werden, wie erste Studien zeigen. Unterstützen Sie Agri-Photovoltaik-Projekte im Rübenanbau bzw. würden dies in Erwägung ziehen? Wenn nicht, aus welchen Gründen?
Zum Segment Spezialitäten und den Tiefkühlpizzen von Freiberger:
In Ihrer Folie hieß es: „Aktuelle Trends wir Bio, Vegan oder Plant-Based (…) werden konsequent analysiert und ggf. in das Sortiment integriert“. Heißt das also, das Freiberger aktuell weder Bio- noch vegane Pizzen anbietet? Wenn ja, warum und wenn nicht, was ist der Anteil der nicht-veganen und nicht-Bio-Pizzen?
Heer Pörksen, wie passt das zu Ihrer Aussage, dass Sie als Anbieter pflanzenbasierter Lösungen Ihren Beitrag leisten wollen, Umwelt und Klima zu schützen, wenn Sie selbst bei Ihren eigenen Tiefkühlpizzen keine rein pflanzenbasierten Lösungen nachfragen?
Zur Energiewende, alternativen Kraftstoffen und CropEnergies:
Wie ist Ihre Einschätzung zu den alternativen Kraftstoffen rund um Diesel HVO100 und möglichen Geschäftsfeldern für Sie? Wie bewerten Sie die Auswirkungen und Risiken für CropEnergies?
Herr Pörksen, Sie haben gesagt, dass Sie „gespannt den offiziellen Entwurf der nationalen Biomassestrategie“ erwarten. Die energetische und sinnvolle Nutzung für den Klimaschutz von Biomasse muss differenziert betrachtet werden, gerade wenn es um Holz geht. Die Flächeneffizienz von Bioenergie ist immer schlechter gegenüber Wind und Solar.
Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes kann pro Hektar im Jahr rund 40-mal mehr Strom durch Photovoltaik-Neuanlagen (ca. 800 MWh) erzeugt werden, als beispielsweise beim Maiseinsatz in Biogasanlagen (im Mittel 20 MWh). Interessant wird es jedoch, wenn Abfall- und Reststoffen aus der Landwirtschaft genutzt werden, doch das Potential ist relativ gering.
Herr Pörksen, da Ihre Ausführungen zu Ihren Erwartungen und Forderungen an die nationalen Biomassestrategie nicht ganz eindeutig waren: Setzen Sie sich auch dafür ein, dass vor allem Abfall- und Reststoffen für Biogas genutzt werden sollen? Oder hoffen Sie vielmehr, bald großflächig Zuckerrüben allein für die Verwendung für Biogas anbauen zu lassen?
Auch hier komme ich auf Ihre Lobbyaktivitäten zurück: Laut Lobbyregister setzten Sie sich dazu ein, dass die Definition erneuerbare Energieträger weiterhin auch Biomasse enthält. Wollen Sie an einer nicht differenzierenden Definition von Biomasse festhalten oder setzen Sie sich vielmehr dafür ein, dass Abfall- und Reststoffe aus der Landwirtschaft als erneuerbare Energieträger gelten dürfen?
Zu Wasserstoff: Sehen Sie für Ihre Geschäftsfelder einen möglichen Einsatz von Wasserstoff? Haben Sie eine Wasserstoff-Strategie und wenn ja, wie sieht diese aus?
Abschließend noch eine Frage zu TOP 6, der Wahl des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts: Was genau hat Sie dazu bewogen, dazu die KPMG AG vorzuschlagen? Einfach nur, weil die KPMG ohnehin schon die Abschlussprüfung übernehmen soll? Oder gab es hier gute Gründe, welche die KPMG gegenüber anderen Nachhaltigkeitsberichtsprüfern besser qualifizieren?
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.