„Befürworten Sie den Einbezug des Versicherungs- und Finanzsektors in das geplante EU-Lieferkettengesetz?“: Rede von Jonas Neiber

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, sehr geehrte Aktionär*innen,

mein Name ist Jonas Neiber und ich spreche hier heute für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf unsere Gegenanträge aufmerksam zu machen. Wir beantragen zu Tagesordnungspunkt 3 den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.

Wir begründen dies damit, dass es der Vorstand der Talanx AG abermals nicht geschafft hat, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz umzusetzen. Ausgeführt hat dies im Detail bereits Anna Lena Samborski von Urgewald, weshalb ich hier nicht näher darauf eingehen werde.

Außerdem beantragen wir zu Tagesordnungspunkt 8 den Beschlussvorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand abzulehnen, den Vorstand zu ermächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können. Dies wiederum begründen wir wie folgt: Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen.

Schon mit der Entscheidung, die diesjährige Hauptversammlung rein virtuell durchzuführen, hat der Vorstand unter Beweis gestellt, neue Möglichkeiten für eine aktionärsfreundliche Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten nicht nutzen zu wollen. So hat der Vorstand darauf verzichtet, den Aktionär*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen schon vorab schriftlich einreichen zu können und die Antworten dazu auch für alle transparent zu machen. So hätte das Frage- und Informationsrecht aller Aktionär*innen besser umgesetzt und zudem die Diskussion in der Hauptversammlung auf wichtige Punkte und Nachfragen fokussiert werden können.

Darüber hinaus wird auch nicht die gesamte Hauptversammlung öffentlich übertragen – hier sind andere Aktiengesellschaften transparenter, auch gegenüber der interessierten Öffentlichkeit.

Sie sagten vorhin, Sie erhoffen sich bei einer virtuellen Durchführung der Hauptversammlung eine höhere Präsenz der Aktionäre.

  • Wie hoch ist denn die Beteiligung heute?
  • Wie viele Aktionär*innen nahmen an den Hauptversammlungen seit 2018 pro Jahr teil?

Weiterhin habe ich ein paar Fragen zu Ihren CO2 Kompensationsmechanismen. Im Januar dieses Jahres wurde eine Recherche von Zeit, Guardian und SourceMaterial publik, die den Zertifizierer von CO2 Zertifikaten Verra kritisiert. Verra wird vorgeworfen, Projekte zu zertifizieren, die auf stark übertriebenen Grundannahmen basieren und real weniger zur CO2 Einsparung beitragen, als versprochen. Viele große deutsche Unternehmen, darunter auch die Hannover Rück, kauften Zertifikate, die durch Verra als solche freigegeben wurden. Hierzu nun meine Fragen:

  • In welchem Umfang kaufte die Talanx AG im Geschäftsjahr 2022 Co2-Zertifikate?
  • Von welchem Unternehmen wurden diese Zertifiziert?
  • Können Sie Angaben machen, um welche Projekte es sich im Detail handelt?
  • Ziehen Sie in Erwägung, in Zukunft CO2 Zertifikate zu kaufen, die von Verra zertifiziert wurden?
  • Wie stellen Sie sicher, dass die von Ihnen erworbenen Zertifikate tatsächlich zur Co2 Einsparung beitragen?

Da aus Ihrem Geschäftsbericht hervorgeht, dass sie große Sorgfaltspflicht an den Tag legen, wenn es um ESG-Kriterien geht, habe ich außerdem ein paar Fragen zur geplanten europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (kurz CSDDD). Die CSDDD soll Unternehmen dazu verpflichten, ihre Lieferketten mit Menschenrechts- und Umweltkriterien in Einklang zu bringen. Unklar ist noch, ob und wie stark die CSDDD für Unternehmen aus dem Finanzsektor gelten soll.

  • Befürworten Sie den Einbezug des Versicherungs- und Finanzsektors in die geplante CSDDD?
  • Welche Erfahrungen haben Sie mit der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt gemacht? Bspw. In Form von Ausschlüssen von Projekten, durch die Menschenrechte verletzt werden.

Der europäische Rat hat vorgeschlagen, dass die einzelnen Mitgliedstaaten selbst über den Einbezug von Finanzakteuren bestimmen sollen.

  • Welche Herausforderungen sehen Sie bei unterschiedlichen Anforderungen an den Finanzsektor in verschiedenen Mitgliedstaaten?

Ich bin gespannt auf Ihre Antworten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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