„Kohleausstiegsplan nicht mit Anforderungen der Klimawissenschaft vereinbar“: Rede von Nora Klemm, urgewald

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Nora Klemm, ich arbeite bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und habe Stimmrechte vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre erhalten.

Bei urgewald treibt uns besonders die Klimakrise um und welche Rolle Versicherungen bei ihrer Bekämpfung spielen können. Dazu habe ich eine Reihe von Fragen:

  1. Dem Rainforest Action Network liegt ein Versicherungszertifikat vor, das belegt, dass Sie die Versicherungsbeteiligung über Ihr Tochterunternehmen HDI Global Specialty SE an dem US-LNG-Terminal Cameron LNG im letzten Jahr verlängert haben. Bereits letztes Jahr wiesen wir auf die zahlreichen Umweltprobleme u. a. durch Fracking sowie menschenrechtsbezogene Probleme wie Umweltrassismus im Zusammenhang mit der Versicherung von LNG-Terminals in den USA hin. Deswegen haben wir folgende Fragen dazu:
  2. Waren Sie im letzten Jahr an der Versicherung weiterer LNG-Terminals in den USA beteiligt?
  3. Wie bereits im letzten Jahr angemerkt, legt der Bau neuer Gasinfrastruktur wie LNG-Terminals, Pipelines, oder Gaskraftwerke die jahrzehntelange weitere Nutzung fossiler Energiequellen fest und kann durch erhöhte Nachfrage zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder führen, was nicht mit dem 1,5°C-Limit – zu dem Sie sich bekennen – vereinbar ist. Wir bedauern, dass im letzten Jahr keine weitere Anpassung Ihrer Öl- und Gasrichtlinie bezüglich des Ausschlusses von LNG-Terminals und Gasinfrastruktur stattfand. Wann planen Sie eine entsprechende Weiterentwicklung Ihrer Öl- und Gasrichtlinie?
  4. In der Richtlinie fehlen zudem weiterhin Ausschlüsse auf Unternehmensebene für Öl- und Gasunternehmen, die expandieren oder keinen 1,5°C-kompatiblen Ausstiegsplan haben. Arbeiten Sie an einer entsprechenden Erweiterung Ihrer Öl- und Gasrichtlinie?
  • Weiterhin besteht die Ausnahme in Ihrer Öl- und Gasrichtlinie, dass neue Gasfelder in stark kohleabhängigen Ländern abgesichert werden können. Ist diese Ausnahme im letzten Jahr genutzt worden und wenn ja, in wie vielen Fällen? Wann planen Sie, diese Ausnahme abzuschaffen, da sie den klimawissenschaftlichen Anforderungen nicht entspricht?
  • Ihre Ausschlusskriterien für konventionelle Öl- und Gasfelder beziehen sich weiterhin lediglich auf den Versicherungsbereich. Im Bereich der Investitionen gelten sie nicht. Zudem sind auch hier keine Kriterien für den Ausschluss von Öl- und Gasunternehmen, die expandieren oder keinen 1,5°C-kompatiblen Ausstiegsplan haben, formuliert. Sie kündigen jedoch in Ihrem Geschäftsbericht 2024 an, den Gesamtbestand Ihrer liquiden Unternehmensanleihen im Öl- und Gassektor von aktuell 5,7% (Ende 2024) in den nächsten fünf Jahren um 20% auf 4,5 % zu reduzieren. Unsere Fragen in dem Zusammenhang:
  • Welche Kriterien für Unternehmen gelten, damit sie in Ihre Bewertung als Öl- und Gasunternehmen eingehen?
  • Anhand welcher Kriterien wollen Sie den Bestand reduzieren? Wollen Sie Investitionen auslaufen lassen oder aktiv devestieren? Gibt es interne Kriterien, anhand derer Sie spezielle Öl- und Gasunternehmen zuerst aus ihrem Anlageuniversum entfernen wollen, um das genannte Reduktionsziel zu erreichen?
  • Der Talanx Konzern hält weiter an seinem Kohleausstiegsplan fest, der nicht mit den Anforderungen der Klimawissenschaft vereinbar ist. Der Ausstieg aus der Versicherung von Kohlekraftwerken und -minen sowie Kohleinfrastruktur und ein Rückzug bei Kapitalanlagen aus Kohleunternehmen bis 2038 ist zu spät. Vielmehr muss der Kohleausstieg in Einklang mit der Klimawissenschaft bis spätestens 2030 in der EU und OECD-Ländern und bis 2040 für den Rest der Welt erfolgen.

Sie wollen bis Ende 2025 Kohleminenbetreiber mit einer Fördermenge von über 100 Mio Tonnen abgebauter Kohle jährlich und Kohlekraftwerksbetreiber mit einer installierten Gesamtkapazität von 50 Gigawatt nicht mehr versichern. Sie bekennen sich weiterhin zu der Reduktion der Schwellenwerte bis Ende 2029 auf 50 Millionen Tonnen und 25 Gigawatt installierter Gesamtkapazität und bis Ende 2037 auf 20 Millionen Tonnen und 5 Gigawatt. Die geplanten Schwellenwerte der Reduktionsschritte sind viel zu hoch angesetzt, auch in Anbetracht dessen, dass ein kompletter Kohleausstieg eben in den OECD-Ländern bis 2030 erfolgen müsste. Unsere Fragen dazu:

  1. Planen Sie Maßnahmen, um Ihre Kohlerichtlinie weiter den Forderungen der Klimawissenschaft anzupassen?
  2. Werden Sie dementsprechend den Ausstiegsplan entlang des Zeithorizontes 2030 für OECD-Länder anpassen?
  3. Werden Sie die Reduktionsstritte der Schwellenwerte entsprechend anpassen?
  4. Sind Unternehmen vom Ausschluss anhand der obigen Schwellenwerte für Ende 2025 betroffen? Wenn ja, wie viele? Wurde mit diesen Unternehmen Engagement betrieben? Wenn ja, in welcher Form?
  5. Da ab nächstem Jahr die Phase mit verringerten Schwellenwerten beginnt: Gibt es bereits eine Übersicht, wie viele Unternehmen Stand jetzt betroffen wären? Ist geplant mit diesen Engagement zu betreiben? Wenn ja, in welcher Form?
  • In Ihrer Kohlerichtlinie besteht weiterhin eine Ausnahmeregelung für Länder mit hohem Kohleanteil und begrenztem Zugang zu Erneuerbaren Energien bezüglich der Versicherung von neuen Kohlekraftwerken, -minen und -infrastruktur. Ist diese Ausnahme im vergangenen Jahr genutzt worden? Wann planen Sie diese abzuschaffen, da sie den klimawissenschaftlichen Anforderungen nicht entspricht?
  • Im Vorwort zur Nachhaltigkeitserklärung machen Sie klar, dass das Unternehmen sich dafür einsetzt, die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu schwächen, die aus Ihrer Sicht zu wenig Vergleichbarkeit biete, zu hohen Aufwand bedeute und zu hohe Anforderungen an zu berichtende Emissionsdaten stelle. Talanx wünscht, nur noch eigenverursachte Emissionen zu berichten. Dies verkennt die bedeutende Rolle, die Finanzinstitutionen durch Investitionen in und Versicherungen für emissionsintensive Unternehmen spielen. Unsere Fragen zum Thema Berichterstattung:
  • Sie geben an, sich über die Lobbyverbände Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft und dem CFO Forum der börsennotierten europäischen Versicherer für eine entsprechende Abschwächung der Berichtspflichten einzusetzen. Wie viel Mitgliedsbeiträge haben Sie jeweils an die beiden Lobbyverbände im letzten Jahr gezahlt?
  • Sie geben in Ihrem Geschäftsbericht 2024 an, dass Sie an Methoden für die Ermittlung der Scope-3 Emissionen im Versicherungsbereich arbeiten. Was ist der Stand diesbezüglich? Werden Sie im nächsten Geschäftsbericht Informationen zur Methodologie und ermittelte Emissionszahlen veröffentlichen?
  • In den USA, Australien und teilweise auch in Europa führen klimabedingte Schäden und Risiken dazu, dass Versicherungen von z.B. Häusern immer teurer bis unbezahlbar werden. Damit zahlen aktuell vor allem Verbraucher*innen diese Versicherungskrise. Darüber hinaus wird über öffentlich-private Partnerschaften nachgedacht. Wird bei Talanx auch über das Verursacherprinzip nachgedacht – Also die Haupt CO2 Emittenten in die Pflicht für diese steigenden Kosten zu nehmen?
  • Zudem haben wir einige Rückfragen zu den berichteten Zahlen zu ESRS S1:
    • Wie genau ergibt sich das Verdienstgefälle zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmer*innen von über 32 Prozent und sehen Sie dies als gerechtfertigt an?
    • Sie berichten von acht Vorfällen von Diskriminierung einschließlich Belästigung in 2024. Worum handelt es sich dabei? Konnten diese Fälle geklärt werden und wenn nicht, was ist der aktuelle Stand?
    • Sie berichten von einer Beschwerde in 2024 im Zusammenhang mit sozialen und menschenrechtlichen Angelegenheiten. Worum handelt es sich dabei? Konnte der Fall geklärt werden und wenn nicht, was ist der aktuelle Stand?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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