„Ziehen Sie Konsequenzen aus zahlreichen Problemen von LNG-Infrastruktur?“: Rede von Regine Richter, urgewald

Sehr geehrter Herr Leue, Herr Haas, sehr geehrter Vorstand, Aufsichtsrat und sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Regine Richter, ich arbeite bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und habe Stimmrechte vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre erhalten.

Bei urgewald treibt uns besonders die Klimakrise um und welche Rolle Versicherungen bei ihrer Bekämpfung spielen können. Zu dem Themenkomplex und Menschenrechten habe ich eine Reihe von Fragen.

1) Seit letztem Jahr haben Sie eine neue Öl- und Gasrichtlinie, die wir sehr begrüßen, weil sie die Versicherung neuer Öl- und Gasfelder ausschließt. Im Ölbereich gibt es zudem weitere Ausschlüsse. Es gibt jedoch die Ausnahme, dass in sehr kohleabhängigen Ländern doch neue Gasfelder abgesichert werden können. Ist diese Ausnahme im letzten Jahr genutzt worden? Und ist geplant, sie abzuschaffen, da sie den klimawissenschaftlichen Anforderungen nicht entspricht?

2) Im Februar ist ein Bericht erschienen „Risk Exposure: The Insurers Secretly Backing the Methane Gas Boom“, in dem die Organisationen Rainforest Action Network und Public Citizen Versicherungszertifikate für US LNG Terminals erfragt und ausgewertet haben. Erhalten haben sie Informationen zu 35 Versicherern (Sach- und Haftpflichtversicherungen) von sieben existierenden, im Bau befindlichen sowie für eine Erweiterung vorgesehenen LNG-Terminals. Bei zwei von diesen waren Tochtergesellschaften von Talanx beteiligt: Cameron LNG in Louisiana und Gulf LNG in Mississippi an der US-Golfküste. Für beide sind Erweiterungen geplant.

Flüssiggas aus den USA ist quasi gleichbedeutend mit Fracking, was eine besonders umweltschädliche Fördermethode darstellt. Zudem befinden sich viele der in Betrieb befindlichen und geplanten Terminals in Gemeinden, in denen Indigene, Schwarze oder People of Color leben, wodurch ein langjähriges Erbe des Umweltrassismus an der US-Golfküste fortgeschrieben wird. Zusammen mit weiteren petrochemischen Anlagen verschlechtern die LNG-Terminals die Luftqualität in diesen Regionen und steigern so das Risiko für Asthma, Herzkreislauferkrankungen oder bestimmte Krebsarten. Entlang der US-Golfküste, wo bis zu 20 neue Projekte geplant sind, organisieren sich die Betroffenen und leisten Widerstand gegen die Pläne.

Präsident Biden hat auf die Proteste und Klimaprobleme von Fracking sowie LNG reagiert und im Januar ein Moratorium für neue LNG-Exportgenehmigungen verhängt.

Dazu die folgenden Fragen:

a) Zieht Talanx Konsequenzen aus dem genannten und anderen Berichten zu den zahlreichen Problemen von LNG-Infrastruktur in den USA und steigt aus den genannten Projekten aus?

b) Der Bau neuer Gasinfrastruktur wie LNG-Terminals, Pipelines, oder Gaskraftwerke legt die jahrzehntelange weitere Nutzung fossiler Energiequellen fest und kann durch erhöhte Nachfrage zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder führen, was nicht mit dem 1,5°C-Ziel – zu dem Sie sich bekennen – vereinbar ist. Planen Sie eine Weiterentwicklung der Öl- und Gasrichtlinie vom letzten Jahr? Werden Sie die Versicherung von (neuen) LNG-Terminals und anderer Gasinfrastruktur ausschließen?

3) Die Kohlerichtlinie von Talanx schließt neue Kohlekraftwerke, -minen und -infrastruktur aus, erlaubt jedoch Ausnahmen für Länder mit hohem Kohleanteil und begrenztem Zugang zu Erneuerbaren Energien. Ist diese Ausnahme im vergangenen Jahr genutzt worden? Und ist geplant, sie abzuschaffen, da sie den klimawissenschaftlichen Anforderungen nicht entspricht?

4) 2038 soll keine Thermalkohle in Form von Kraftwerken, Minen oder Infrastruktur mehr im Versicherungsbestand und in der Kapitalanlage übrig sein. Ist geplant diese Zeitgrenze nach unten zu korrigieren, da sie nicht in Einklang mit den Forderungen der Klimawissenschaft ist, wonach EU und OECD Länder bereits 2030 den Kohleausstieg vollziehen müssen und 2040 der Rest der Welt?

Nun zu Menschenrechten:

5) Haben Sie konkrete Missstände in Bezug auf die Achtung von Menschenrechten in Ihrer Wertschöpfungskette identifiziert? Wenn ja, welche genau und was sind Ihre Maßnahmen, diese zu adressieren?

6) Wie viele Anfragen, Hinweise und/oder Beschwerden haben Sie über Ihren Beschwerdemechanismus in Bezug auf arbeits-, umwelt- und menschenrechtliche Missstände erhalten? Was waren die Inhalte, wie haben Sie reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?

7) Haben Sie die Versicherungen von Projekten und/oder Unternehmen aufgrund von umwelt- und menschenrechtlichen Bedenken/zu hohen Risiken in diesem Bereich abgelehnt? Wenn ja, um welche Fälle handelt es sich und aus welchen Gründen? 

8) Wir begrüßen es, dass Sie neben Tiefseebergbau-Projekten nun auch keine neuen Projekte versichern, wenn Ihnen im Vorfeld bekannt ist, dass für diese Projekte nicht der „free, prior and informed consent“ (FPIC) betroffener indigener Völker eingeholt wurde. Haben Sie aufgrund dieser beiden neuen Ausschlusskriterien (Tiefseebergbau und FPIC) Versicherungen abgelehnt oder prüfen derzeit noch Projekte? Wenn ja, wie viele und um welche handelt es sich? Prüfen Sie das Risiko auch bei Ihren Bestandskunden? Bezieht sich das genannte FPIC-Kriterium auch auf Ihre Investitionen? Wenn nicht, warum nicht? 9) Würden Sie sich für verbindliche, gesetzliche Regeln für die klima-, umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten des Finanzsektors auch für die downstream-Wertschöpfungsketten bzw. Kundenbeziehungen aussprechen? Teilen Sie hier die Auffassung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass dies nicht nötig sei?

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/talanx/ziehen-sie-konsequenzen-aus-zahlreichen-problemen-von-lng-infrastruktur-rede-von-regine-richter-urgewald/