Sehr geehrter Vorstand,
sehr geehrter Aufsichtsrat,
sehr geehrtes Aktionariat,
wir befinden uns an einem gesellschaftlichen Wendepunkt – sowohl als Gesamtheit als auch im wirtschaftlichen Sektor. Mein heutiges Anliegen handelt um ein altbekanntes, jedoch nach jüngsten Ereignissen äußerst wichtiges Thema: es geht um Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Dies sind die Werte, welche die Deutsche Telekom gerne nutzt, um ihr unternehmerisches Profil darzustellen. Dies sind Werte, welche nicht nur als leere Schlagworte auf ihren Webseiten stehen sollten, sondern das Fundament sind, auf denen sie ihre Unternehmenskultur aufgebaut haben. In Ihrem aktuellen Geschäftsbericht zeigen Sie stolz auf, dass der Anteil der Frauen bei den Beschäftigten im Top-Management bei 28 Prozent liegt, Tendenz steigend. Auch der Anteil an Nicht-Männern bei den Beschäftigten insgesamt liegt bei etwas über einem Drittel. Der Anteil an Menschen mit Behinderung macht 5,8 Prozent aus. Bei den knapp 200.000 MitarbeiterInnen weltweit handelt es sich um circa 10.000 Arbeitende, die sich für diese Firma fast täglich einsetzen, um Ihnen den Profit zu bringen und so zu einem der führenden Telekommunikations-Unternehmen weltweit machen.
Die Frage, was passiert, wenn politischer Druck und finanzielle Interessen in direktem Konflikt mit ethischen Grundsätzen geraten, werden durch die jüngsten Entwicklungen in den USA beantwortet:
Die Tochtergesellschaft T-Mobile in den USA hat kürzlich eine Entscheidung getroffen, die nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für Sie als Muttergesellschaft weitreichende Folgen hat. Berichten zufolge hat T-Mobile die meisten seiner Diversitätsinitiativen (DEI) eingestellt – ein Schritt, der im direkten Zusammenhang mit der Genehmigung der Übernahme des Glasfaseranbieters Lumos durch die Federal Communications Commission (FCC) steht. Die US-amerikanische Behörde machte ihre Zustimmung von der Bedingung abhängig, dass T-Mobile seine DEI-Maßnahmen drastisch zurückfährt. Wie der Nachrichtendienst Fierce Network berichtete, wurde sogar die DEI-Landingpage von T-Mobile während der Prüfung der Übernahme von Lumos aus dem Netz genommen, was als klares Signal für das Verlassen des bisherigen Kurses gedeutet werden kann.
Dieser Schritt lässt mich innehalten: Was bedeutet es, wenn ein global agierendes Unternehmen, das sich der Förderung von Vielfalt verschrieben hat, in einem so entscheidenden Moment seine Prinzipien zugunsten eines finanziellen Ziels aufgibt? Welche langfristigen Konsequenzen hat dieser Kurswechsel für die Glaubwürdigkeit und die Werte der Telekom als Ganzes? Wie können Sie sich als Deutsche Telekom, die sich auf Diversität und Inklusion beruft, den Rückzug von T-Mobile aus der DEI-Initiative rechtfertigen? Was bedeutet dieser Schritt für ihr Engagement auf globaler Ebene, und wie gehen Sie mit den Forderungen von externen politischen Akteuren um, die dieses Handeln in Frage stellen?
Es ist nicht nur die Entscheidung von T-Mobile, die uns beunruhigen sollte. Es ist auch der politische Kontext, in dem diese Entscheidung stattfindet. Unter der Regierung von Donald Trump haben die USA in letzter Zeit eine aggressive Linie gegen Diversitätsprogramme gefahren. Seit Beginn seiner Amtszeit hat Trump Maßnahmen zur Förderung von „Diversity“, „Equity“ und „Inclusion“ in der öffentlichen Verwaltung reduziert, und jüngst wurde ein Memorandum veröffentlicht, das alle DEI-Büros in den Bundesbehörden schließen soll. Diese Hetzpolitik wird zurecht von vielen als ein Rückschritt hin zu einem leistungsorientierten, rein meritokratischen Ansatz kritisiert, bei dem soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit keinen Platz mehr finden. Doch während die US-Regierung diese Maßnahmen verfolgt, sollte man sich die Frage stellen, wie man an seiner eigenen Integrität festhalten kann, auch wenn Sie eventuell gegen gesetzliche Vorschriften in anderen Ländern verstößt; in einem Zeitpunkt wie diesen ist es wichtig, sich für jene einzusetzen, die am Aufbau und Erhalt des eigenen Unternehmens beteiligt sind.
Dass die Deutsche Telekom sich gerne von den Taten ihrer Tochterunternehmen distanziert, ist keine Überraschung: Als das Magazin „Mitbestimmung“ vor über einem Jahrzehnt einen kurzen Fragekatalog bezüglich der menschenrechtsverletzenden und gewerkschaftsfeindlichen Vorfälle des Tochterunternehmens T-Mobile an die Telekom-Zentrale in Bonn geschickt hat, erhielt sie darauf Antworten, welche zusammengefasst zum Ausdruck bringen, dass vielleicht bei T-Mobile Fehler gemacht worden sein könnten, nicht aber bei der Telekom selbst.
Die Illusion, dass das Handeln der Telekom und ihrer Tochterunternehmen sich aufteilen ließe; dass es rechtens ist, sich an Gesetzmäßigkeiten zu halten, nur weil diese eben bestimmt wurden, unbeirrt durch die anscheinend eigenen wichtigen Werte, erweckt bei der Deutschen Telekom den Eindruck, dass Gleichstellung nur wichtig ist, wenn es den gewünschten Profit bringt, und sich auch gerne mal umstimmen lässt, solange nur das Geld stimmt.
Ich frage Sie, Herr Höttges und Herr Appel: Wie wollen Sie als Verantwortliche eines Unternehmens, das sich zur Gleichstellung bekennt, auf die wachsenden politischen und wirtschaftlichen Druckwellen reagieren, die aus Ländern wie den USA kommen? Ist Ihnen Lumos so wichtig, dass Sie bereit sind, das Vertrauen und die Sicherheit Ihrer Beschäftigten aufs Spiel zu setzen?
Welche finanziellen Vorteile versprechen Sie sich von der Lumos-Übernahme? Können Sie diese in Euro beziffern? Wäre die Übernahme wirklich gescheitert, wenn Sie die DEI-Maßnahmen wie bisher weitergeführt hätten?
Wie lässt sich diese Entscheidung im Bezug auf die Gesetzgebung in anderen Ländern rechtfertigen, wie etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland?
Die Diskussion um Diversität hat eine tiefere moralische Dimension. Der politische Druck, der insbesondere auf US-Unternehmen lastet, stellt auch die Telekom vor die Frage, ob sie als globale Organisation ihre Werte und Überzeugungen weiterhin unerschütterlich vertreten können – oder ob sie sich dem Wind der Zeit beugen und ihre (ohnehin schon ethisch fragwürdigen) Prinzipien zugunsten kurzfristiger Gewinne und politischer Zugeständnisse über Bord werfen. Telekoms Unternehmenswerte, die sich nach eigenen Angaben immer wieder durch Vielfalt, Inklusion und Chancengleichheit auszeichnen, dürfen nicht nur in den Bereichen gelten, in denen es bequem ist. Sie müssen auch dann Bestand haben, wenn der Druck von außen stärker ist.
Die Frage ist nicht nur, wie die Deutsche Telekom in den USA handeln will. Es geht auch um eine grundsätzliche Haltung gegenüber den gesellschaftlichen und politischen Normen, die immer rudimentärere Zustände annimmt. Es ist wichtig, dass ein solch großer Konzern wie die Telekom Verantwortung übernimmt und sich auch die Frage stellt: Wer wird bereit sein, auch in schwierigen Zeiten für die Chancengleichheit und den gesellschaftlichen Fortschritt zu kämpfen, nicht nur, wenn es sich finanziell lohnt, sondern auch sonst, zum Wohle aller, die am Unternehmen beteiligt sind?
Ich möchte meinen Beitrag mit einer klaren Botschaft enden: Diversität ist kein Luxus, den man sich leisten kann, wenn die Bedingungen stimmen. Sie ist ein unverzichtbarer Grundsatz – und, um es für den Vorstand etwas attraktiver umzuformulieren: ein unverzichtbarer Bestandteil des Erfolgsmodells eines Unternehmens, wenn es nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft eine führende Rolle spielen will.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.