„Engagement der Deutschen Telekom gegen Klimakrise und Korruption nur Makulatur?“: Rede von Markus Dufner

Sehr geehrte Damen und Herren,

kaum zu glauben: Nach zwei Jahren sehen wir uns tatsächlich wieder hier im World Conference Center in Bonn.  Nach 24 Monaten virtueller Hauptversammlungen gibt es wieder eine Präsenz-Versammlung. Dafür gebührt Ihnen, Herr Lehner und Herr Höttges, der Dank und Respekt von uns Aktionärinnen und Aktionären.

Siemens, Thyssenkrupp, die TUI AG sind 2022 nicht zur guten alten Aktionärsversammlung in der Halle zurückgekehrt. Was hat Sie, Herr Professor Lehner und Herr Höttges, dazu bewogen, es anders zu machen? Sie schreiben, die Deutsche Telekom [Zitat] „strebt durch verschiedene organisatorische Maßnahmen an, den Aktionärsdialog zu stärken …“. Sie haben also den direkten Kontakt mit uns, Ihren Aktionärinnen und Aktionären, vermisst. Unsere Reden und Fragen. Unser Nachhaken. Den unvergleichlichen Erkenntnisgewinn, den es nur in einer Debatte und Aussprache gibt. Und vielleicht auch ein bisschen die große Bühne und den Applaus für sich selbst.

Nun liegt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vor. Wer den Entwurf gelesen hat, wird zu dem Schluss kommen, dass er die Rechte von uns Aktionärinnen und Aktionären viel zu wenig berücksichtigt.

Unser Vorstandsmitglied Dr. Barbara Happe stellt fest: „Der Gesetzesentwurf bleibt an zentralen Stellen hinter den Zusagen aus dem Koalitionsvertrag zurück und schränkt Aktionärsrechte massiv ein, insbesondere beim Frage- und Rederecht. Wenn Unternehmen bereits im Voraus Anzahl und Länge von Redebeiträgen und Fragen nach eigenem Ermessen beschränken können, hebelt das grundlegende Aktionärsrechte aus und würde zu einem Verlust der Debattenkultur auf Hauptversammlungen führen.“

Wie viele andere Aktionärsvereinigungen hat der Dachverband im Februar zusammen mit Shareholders for Change (SfC) und CRIC (Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage) kritisch zu dem Referentenentwurf aus dem Hause von FDP-Minister Buschmann Stellung genommen Ich empfehle Ihnen die Lektüre auf der Webseite des Dachverbands (siehe https://www.kritischeaktionaere.de/virtuelle-hauptversammlungen/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-fur-virtuelle-hauptversammlungen/).

Nicht jede Aktionärin und jeder Aktionär kann physisch an Hauptversammlungen teilnehmen. Deshalb finde ich es richtig, dass Hauptversammlungen für alle Anteilseignerinnen und Anteilseigner und die interessierte Öffentlichkeit in Bild und Ton im Internet übertragen wird. Auch das macht die Deutsche Telekom richtig.

Ein neues Hauptversammlungsgesetz könnte sogar die Antragsrechte von uns Aktionärinnen und Aktionären zu Fragen der Geschäftsführung erweitern. Bisher kann die Hauptversammlung nur Beschlüsse zu einigen wenigen Punkten fassen, die in § 119 des Aktienrechts aufgelistet sind, etwa die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder die Verwendung des Bilanzgewinns. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt.

Um die Relevanz der Hauptversammlung als zentrales und unabhängiges Organ und sowohl die Verantwortung als auch die Mitspracherechte der Aktionärinnen und Aktionäre zu stärken, sollte der Hauptversammlung das Recht zugestanden werden, über zentrale strategische Ausrichtungen zu entscheiden und dem Vorstand entsprechend bindende Weisungen zu erteilen. Entscheidungen wären mit einfacher Mehrheit bindend. In England hat man mit sogenannten „Shareholder Resolutions“ gute Erfahrungen gemacht.

Eine letzte Frage zu diesem für uns alle wichtigen Thema: Wird die Deutsche Telekom auch 2023 und in den Folgejahren bei Präsenz-Hauptversammlungen bleiben?

Nun möchte ich Ihnen erläutern, warum wir trotz dieser guten Ansätze den Vorstand der Deutschen Telekom nicht entlasten konnten. Unternehmen tragen eine hohe Verantwortung für den Klimaschutz. In unserem Gegenantrag zu TOP 3 müssen wir aber feststellen: Der Vorstand der Deutschen Telekom ist beim Klimaschutz unglaubwürdig.

In einem Vergleich mit 24 weiteren globalen Großunternehmen schneidet die Deutsche Telekom nicht gut ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Corporate Climate Responsibility Monitor des NewClimate Institute in Zusammenarbeitmit Carbon  Market Watch). Dem Monitor für unternehmerische Klimaverantwortung zufolge sind die wenigen Aussagen, die die Deutsche Telekom zu ihren Klimaschutzmaßnahmen macht, nicht überzeugend. Zwar hat die Deutsche Telekom „ambitionierte Klimaziele“ ausgerufen, verschweige aber, was unternommen werden soll, um diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen. (https://newclimate.org/2022/02/07/corporate-climate-responsibility-monitor-2022/)

Dazu folgende Fragen:

1. Herr Höttges, ist Ihnen klar, dass es für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht allein ausreicht, auf Ökostrom zu wechseln?
Der Einfluss der wirtschaftlichen Aktivitäten der Deutschen Telekom auf den Klimawandel fallen vor allem durch die vor- und nachgelagerten Emissionen der Wertschöpfungskette (Scope 3, Upstream und Downstream) an. Diese machen 85 Prozent im Verantwortungsbereich der Deutschen Telekom aus.

2. Herr Höttges, Sie möchten die Deutsche Telekom bis 2040 klimaneutral werden lassen. Warum informieren Sie dann nur unzureichend über die Maßnahmen, wie genau die Emissionsreduzierung erreicht werden soll?

3. Wie stellt die Deutsche Telekom sicher, dass ihr Ziel von 100 % erneuerbarer Energie durch zusätzliche erneuerbare Kapazitäten erreicht wird? Durch den Kauf von RECs könnte sie einfach die Zuteilung von kohlenstoffintensiverer Energie auf andere Nutzer verlagern.

4. Hat die Deutsche Telekom die Optionen für die Installation von Kapazitäten für erneuerbare Energien vor Ort bewertet und maximiert, um ihr Ziel zu erreichen?

5. Herr Höttges, Scope 3-Emissionen machen derzeit etwa 85% des Fußabdrucks der Deutschen Telekom aus. Welche Maßnahmen wird die Deutsche Telekom ergreifen, um diese in vollem Umfang zu reduzieren?

6. Glaubt die Deutsche Telekom, dass die angekündigten Maßnahmen – z.B. effizientere Telefone und das Angebot eines „grünen Tarifs“ für Kunden – ausreichen werden, um die Scope-3-Emissionen zu bewältigen?


Antworten der Deutschen Telekom auf die Fragen 1 – 6:

Unsere Klimaschutzmaßnahmen umfassen die Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden und im Fuhrpark sowie der dazugehörige Ausbau der Elektromobilität – wir haben auch Fahrräder im Einsatz in großem Volumen – die Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten, um Nachhaltigkeit in den Beschaffungsprozessen zu berücksichtigen, die Effizienz von Produkten innerhalb unserer eigenen Produktentwicklung, Kundenschulungen zu emissionsarmen Lösungen für Arbeiten und Reisen und schlichtweg das Abmieten von sehr vielen Büroflächen in Deutschland, was dazu führt, dass wir den Strom gar nicht mehr brauchen.

Das ist ein sehr umfangreiches Thema, und ich bitte an der Stelle auch, auf unseren Nachhaltigkeitsbericht einzugehen. Ich glaube, dass das Thema PPAs (Power Purchase Agreements) und Nachhaltigkeit uns in den nächsten Jahren sehr stark beschäftigen wird, dass wir direkte Energienachweise, woher wir den Strom beziehen – aus erneuerbaren Energien – noch stärker akzentuieren werden.

Wir bieten umfangreiche Informationen zu all unseren Maßnahmen des Klimaschutzes. Zur Berichterstattung gehört der Online-Auftritt der Deutschen Telekom, die nicht-finanzielle Erklärungen im Geschäftsbericht und die jeweiligen Kapitel des CR-Berichts.

Die Deutsche Telekom ist der Meinung, dass bei dem Thema CO2-Emissionsreduzierung eine Standardisierung von Zielen und auch der Messverfahren extrem hilfreich wäre.

Wir prüfen kontinuierlich die Installation von Kapazitäten für erneuerbare Energien. An vielen Technikstandorten in Deutschland setzen wir schon auf Solarenergie. Für 2022 möchten wir das insbesondere auch an den Mobilfunkstandorten erreichen, dafür ist das ein interessanter zusätzlicher Energieträger.

Energieeffiziente Endgeräte und das Angebot eines Grünen Tarifs sind wichtige Themen für unsere Angebote und auch für unsere Klimastrategie.

Das Thema Circularity, also das Recyclen der gesamten Endgeräte, vom Router bis zu den Mobilfunkgeräten, ist ein neues, wichtiges Thema. Wir haben z. B. das Fairphone bei uns im Geschäft zu erwerben, wo Sie einzelne Komponenten auswechseln können. Es laufen Gespräche mit Tim Cook (CEO von Apple), wie wir auch beim iPhone viel stärker das Recycling von Funktionen bei Endgeräten, die Lebenslaufzeit von Endgeräten verlängern können.

Unser Ziel ist es, bis 2021 konzernweit den gesamten Strom komplett aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Dieses Ziel haben wir erreicht. Damit decken wir 90 % unseres gesamten Energiebedarfs heute über erneuerbare Energien ab. Wir produzieren diese Energie nicht selbst, sondern decken uns im Wesentlichen auch mit Zertifikaten ein. Unser Ziel ist es aber, davon unabhängiger zu werden und viel stärker über virtuelle oder direkte PPAs mit Energieversorgern unseren Energiebedarf durch CO2-neutrale Energiequellen zu decken. Im CR-Bericht finden Sie dazu weitere Auskünfte und Quellen.


Nun komme ich zu unserem Gegenantrag zu TOP 4. Wir können den Aufsichtsrat der Deutschen Telekom leider nicht entlasten, weil er seine Aufgabe nicht ausreichend wahrgenommen hat, den Vorstand zu überwachen und zu kontrollieren.

Herr Professor Lehner, die Deutsche Telekom bekundet vollmundig, dass sie jede Form von Korruption ablehne und einen Schwerpunkt auf Maßnahmen zu ihrer Vermeidung lege. Dem widersprechen Korruptionsvorwürfe gegen T-Systems Südafrika. Sie lassen das „Engagement gegen Korruption“ der Deutschen Telekom wie Makulatur erscheinen.

T-Systems, die IT-Tochter der Deutschen Telekom, profitierte möglicherweise in großem Umfang vom Korruptionssystem des Ex-Präsidenten Jacob Zuma. Dies berichtete die Wirtschaftswoche unter der Überschrift „Höttges´ Afrika-Problem“ in ihrer Ausgabe vom 15.12.2021. https://www.wiwo.de/my/unternehmen/it/t-systems-telekom-tochter-unter-korruptionsverdacht-in-suedafrika/27897216.html

Die Südafrika-Tochter der DTAG wird in einem Bericht der britischen Antikorruptionsinitiative Shadow World Investigations schwer belastet. Paul Holden, der aus Südafrika stammende Verfasser des Reports von Shadow World Investigations, sagte vor einer südafrikanischen Untersuchungskommission, der Zondo Commission, aus. Er ist sich sicher, dass die Kommission T-Systems als einen Nutznießer von Korruption unter Präsident Zuma an den Pranger stellen wird.

So sollen im Jahr 2009 IT-Großaufträge mit den staatseigenen südafrikanischen Unternehmen Eskom (Energieversorgung) und Transnet (Betreiber von Eisenbahnen, Häfen und Pipelines) offenbar nur zustande gekommen sein, weil T-Systems enge Verbindungen zur indischen Unternehmerfamilie Gupta pflegte. „Die war eng mit Präsident Zuma befreundet, kontrollierte staatliche Institutionen und somit wichtige Entscheidungen“, so die Wirtschaftswoche. Dank der Verbindungen zu den Guptas könnten die südafrikanischen Staatsunternehmen umgerechnet fast 700 Millionen Euro an T-Systems gezahlt haben, so die Recherchen von Antikorruptionskämpfer Holden.

Meine Frage hierzu:

7. Unter der Überschrift „Unser Engagement gegen Korruption“ behauptet die Deutsche Telekom:
„Zur frühzeitigen Vermeidung von Fehlverhalten führen wir jährlich das Compliance Risk Assessment durch“. Herr Professor Lehner, halten Sie es für möglich, dass das Compliance Risk Management bei T-Systems Südafrika versagt hat?

Ferner schreibt die Deutsche Telekom über ihr Compliance Risk Assessment: „Dabei überprüfen wir in unseren nationalen und internationalen Gesellschaften potenzielles Fehlverhalten und leiten gezielte Maßnahmen ab, um mögliche Risiken zur verringern und präventiv Verhaltensverstöße zu vermeiden. Ein Schwerpunkt hierbei ist das Thema Korruption.“ https://www.telekom.com/de/konzern/compliance/details/unser-engagement-gegen-korruption-336620

Dazu folgende Fragen:

8. Herr Höttges, Sie haben von 2009 bis zu Ihrer Berufung zum Vorstandsvorsitzenden im Januar 2014 als Mitglied des Konzernvorstands das Ressort Finanzen und Controlling geleitet. Bitte nehmen Sie Stellung zu den Korruptionsvorwürfen gegen T-Systems Südafrika.

9. Wie hoch war die Summe, die T-Systems Südafrika in der fraglichen Angelegenheit von südafrikanischen Staatsunternehmen bekommen hat?

10. Ist Ihnen Fehlverhalten bei T-Systems Südafrika aufgefallen? Wenn ja, wann war dies der Fall?

11. Was haben Sie gegen die mutmaßliche Korruption bei T-Systems Südafrika unternommen?

12. Haben Sie den Aufsichtsrat darüber unterrichtet? Wenn ja: wann? Wenn nein: warum nicht?

13. Welche Maßnahmen gegen die mutmaßliche Korruption bei T-Systems Südafrika wurden wann eingeleitet?

14. Warum haben Sie uns Aktionärinnen und Aktionäre nicht darüber informiert?

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn sich die Korruptionsvorwürfe gegen T-Systems Südafrika bewahrheiten, dann hat nicht nur das Compliance Risk Assessment unseres magentafarbenen Unternehmens versagt. Dann hat sich die Deutsche Telekom der Beihilfe zur kriminellen Übernahme der Republik Südafrika schuldig gemacht. Der Skandal, der auf Englisch „State Capture“ genannt wird, löste in Südafrika eine Staatskrise aus; Präsident Jacob Zuma wurde zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.


Antworten der Deutschen Telekom zu den Fragen 7 – 14:

Unmittelbar nach dem Erscheinen von Pressemeldungen im Jahr 2017, die in Bezug auf die State-Capture-Affäre Erwähnungen von T-Systems beinhalteten, wurden bei T-Systems umfassende Maßnahmen ergriffen. Unter anderem wurden externe Anwälte mit einer internen Untersuchung beauftragt und Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen mit lokalen Behörden geteilt. Anti-Korruptions-Schulungen wurden nachträglich durchgeführt. Die T-Systems Südafrika hat mit der zur Aufklärung der State-Capture-Affäre im Jahr 2019 eingesetzten Untersuchungskommission umfassend kooperiert und deren Arbeit durch Bereitstellung von Informationen unterstützt. Zwischen Dezember 2021 und März 2022 hat die Untersuchungskommission ihren Bericht in drei Teilen veröffentlicht. Der Bericht beinhaltet keine Empfehlung, gegen T-Systems Südafrika oder einzelne Mitarbeiter des Unternehmens Untersuchungen einzuleiten oder diese strafrechtlich zu verfolgen. Für Berichte des Unternehmens an Externe bestand kein Anlass; Vorstand und Aufsichtsrat wurden in gebührender Weise fortlaufend über den Vorgang informiert.



Markus Dufner ist Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre

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