Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Telekom-Tochter T-Systems

Rede von Markus Dufner auf der Hauptversammlung der Deutschen Telekom AG am 5. April 2023


Sehr geehrter Herr Dr. Appel, sehr geehrter Herr Höttges, sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrats und Vorstands, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre der Deutschen Telekom AG,

mein Name ist Markus Dufner. Ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Zur heutigen Hauptversammlung wurden uns die Stimmrechte für mehr als 300.000 Aktien übertragen.

Herr Höttges, Sie nutzten Ihre Rede schon sehr zur Image-Politur für die Deutsche Telekom. Einige unerfreuliche Aspekte, die Sie nicht erwähnten, werde ich nun darstellen.

T-Systems und State Capture in Südafrika, bereits in der Hauptversammlung 2022 sprach ich die Verwicklung von T-Systems in einen schweren Korruptionsfall in Südafrika an. Er ist unter dem Namen State Capture – bekannt geworden – auf Deutsch: Kapern des Staates und seiner Finanzen. T-Systems Südafrika, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, soll dabei vom Korruptionssystem des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma profitiert haben. 

Herr Höttges, da Sie im Zeitraum des Korruptionsfalls das Vorstandsressort Finanzen und Controlling der Deutschen Telekom leiteten, bat ich Sie, Stellung zu den Korruptionsvorwürfen gegen T-Systems Südafrika zu beziehen. Ich erhielt folgende Antwort1:

„Die T-Systems Südafrika hat mit der zur Aufklärung der State-Capture-Affäre im Jahr 2019 eingesetzten Untersuchungskommission umfassend kooperiert und deren Arbeit durch Bereitstellung von Informationen unterstützt. Zwischen Dezember 2021 und März 2022 hat die Untersuchungskommission ihren Bericht in drei Teilen veröffentlicht. Der Bericht beinhaltet keine Empfehlung, gegen T-Systems Südafrika oder einzelne Mitarbeiter des Unternehmens Untersuchungen einzuleiten oder diese strafrechtlich zu verfolgen.“

Nachdem Paul Holden von der Londoner Anti-Korruptionsorganisation „Shadow World Investigations“ Strafanzeige gegen die T-Systems erstattet hat, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Frankfurt.


Herr Höttges, wie erklären Sie uns Aktionär*innen diese für die Deutsche Telekom negative Entwicklung? Wie erklären Sie dem größten Telekom-Anteilseigner, dem deutschen Staat, dass das Compliance-Management-System dieses Unternehmens offenbar nicht funktioniert hat?

Nun komme ich zum Thema Lieferkette. Wie allgemein bekannt ist, trat in Deutschland am 1. Januar das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Zunächst gilt es für Unternehmen in Deutschland mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Damit betrifft es etwa 900 Unternehmen, darunter auch die Deutsche Telekom. Das Gesetz verpflichtet die unter den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten.

Ich freue mich, dass die Deutsche Telekom sich positiv zum Lieferkettengesetz äußert.

So schreiben unser Unternehmen auf seiner Webseite:

„National einheitliche Vorschriften und Rechtssicherheit bringen den Unternehmen durchaus Vorteile: Alle bieten ihre Produkte und Dienstleistungen unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt an. Wichtiger noch: „Saubere“ Lieferketten liegen bei Verbraucher*innen und Investor*innen „im Trend“.“

Wichtigste Inhalte des Gesetzes:
Im eigenen Geschäftsbereich muss das Unternehmen etwaige Verletzungen der Menschenrechte beenden; also geeignete Abhilfemaßnahmen finden und anwenden.
Meine Frage, Herr Höttges: Sind der Deutschen Telekom solche Verletzungen bekannt und – wenn ja – welche Maßnahmen wurden ergriffen?

Bei unmittelbaren Zulieferern, deren Zulieferung für die Herstellung des Produkts notwendig sind, muss das Unternehmen einen konkreten Plan zur Vermeidung und Minimierung erstellen.
Meine Frage: Sind Ihnen bei Ihren unmittelbaren Zulieferern Verletzungen der Menschenrechte bekannt? Wenn ja: Um welche Art von Verletzungen handelt es sich? In  welchem Land? Was hat die Deutsche Telekom dagegen unternommen?

Bei mittelbaren Zulieferern, also Vertragspartnern in der Kette bis zum Rohstoff, muss das Unternehmen handeln, wenn es von einem möglichen Verstoß erfährt.
Auch hier meine Frage: Sind Ihnen bei Ihren mittelbaren Zulieferern Verletzungen der Menschenrechte bekannt? Wenn ja: Um welche Art von Verletzungen handelt es sich? In  welchem Land? Was hat die Deutsche Telekom dagegen unternommen?

Eine Frage zum Hinweisgeber-System „TellMe“2: Bekamen Sie darüber Hinweise auf Gesetzesverstöße? Wenn ja: Nennen Sie die drei wichtigsten.

Der Aspekt nationale Sicherheit wird vom Lieferkettengesetz nicht erfasst.

Aber auch dieser Aspekt muss natürlich berücksichtigt werden. So nutzt die Deutsche Telekom Technologie des chinesischen Anbieters Huawei. Der Verfassungsschutz spricht von problematischen Kooperationen. Es bestehen möglicherweise Risiken für die nationale Sicherheit.

Die Chefs des rosa Riesen aus Bonn: Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Frank Appel (li.) und Vorstandsvorsitzender Tim Höttges glauben, dass sie weder naiv noch fahrlässig mit der Sicherheit ihrer Netze umgehen.

Im letzten Jahr mahnte die US-Regierung Deutschland wegen Huawei. Begründung: „Inakzeptable Risiken für die nationale Sicherheit.“

Auch die NATO warnt vor Huawei im deutschen Mobilnetz. Nicht nur die nationale Sicherheit sondern auch die Privatsphäre sieht die NATO als bedroht an.

Meine Frage, Herr Höttges: Macht die Deutsche Telekom Deutschland mit der Verbauung von Huawei Teilen erpressbar?

USA hat Huawei Geräte vom US-Markt verbannt. (Tagesschau 26.11.2022)
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-china-huawei-101.html

Der Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollausschusses, Konstantin von Notz, ist der Auffassung, es sei „einfach naiv und fahrlässig, Technologie aus autoritären Staaten wie China flächendeckend in den Lebensadern unserer Demokratie zu verbauen“. (Interview vom 9.3.2023 in der Wirtschaftswoche)
War auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom naiv – oder am Ende sogar fahrlässig?

Vor einer Woche schrieb das Handelsblatt (28.03.2023): Deutsche Telekom sicherte sich gegen US-Sanktionen ab. Die Verflechtungen der Telekom zu Huawei könnten enger sein als bisher gedacht. … Um US-Sanktionen auszuweichen, ließ die Deutsche Telekom offenbar Komponenten der Chinesen einlagern. Kritiker sehen eine „aktive Kollaboration“. Der Vertrag zwischen der Telekom und Huawei datiert auf den 11. April 2019.

Und auch in der Fachzeitschrift „Der Aktionär“ (22.03.2023) war zu lesen:
Deutsche Telekom: Vertrag mit Huawei – das könnte problematisch werden.
https://www.deraktionaer.de/artikel/medien-ittk-technologie/deutsche-telekom-vertrag-mit-huawei-das-koennte-problematisch-werden-20328836.html

Bundesregierung droht Huawei mit Rauswurf (Handelsblatt, 25.07.2022)Nach all diesen Warnungen und dem Druck der US-Regierung erwog die Bundesregierung im vergangenen Sommer, den Einsatz von Huawei-Technologie im deutschen Netz zu verbieten, auch nachträglich. Unternehmen müssten die Kosten für den Austausch selber tragen.
Das Innenministerium sagt laut Handelsblatt:
„Die Verwendung bereits verbauter Komponenten könne untersagt werden, wenn der weitere Einsatz die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik voraussichtlich beeinträchtigt, insbesondere, wenn der Hersteller der kritischen Komponente nicht vertrauenswürdig ist.“ https://www.handelsblatt.com/technik/cybersecurity/it-sicherheit-bundesregierung-droht-huawei-mit-rauswurf/28541284.html

Da schneidet sich der Staat als 30-Prozent-Anteilseigner der Telekom etwas ins eigene Fleisch.

Herr Höttges, sind all diese Bedenken unberechtigt? Werden Sie staatliche Hilfe beantragen, um die Kosten stemmen zu können?

Die Deutsche Telekom verweist selber auf Menschenrechte wie Meinungsfreiheit und ihre eigene Verantwortung die Privatsphäre zu schützen, wie passt das mit der Verbauung von Huawei Teilen zusammen.

Mein letztes Thema ist der Klimaschutz bei der Deutschen Telekom.
Im Corporate Responsibility Report 2022 wurde noch über die Deutsche Telekom berichtet.https://www.cr-bericht.telekom.com/2022/steuerung-fakten/strategie/cr-strategie-steuerung#atn-16423-16420,atn-16423-19978,atn-16423-16929,atn-16423-16207

Im diesjährigen Corporate Climate Responsibility Monitor erscheint unser Unternehmen nicht mehr.
Meine Frage, Herr Höttges: Was hat das zu bedeuten?

Bitte erklären Sie folgende die negative Entwicklung bei folgenden Indikatoren:

ESG KPI „Enablement Faktor“: Das Verhältnis zwischen CO2 –Einsparungen, die durch Nutzung unserer Produkte und Services ermöglicht werden, zu den CO2-Emissionen der Geschäftstätigkeit der Deutschen Telekom (Scope 1-3) für den Konzern DT in Deutschland ): 4,8 auf 3,76

ESG KPI „CDP Supply Chain Program“: Prozentsatz der Abdeckung des Einkaufsvolumens bei Lieferanten vom Supply Chain Programm (von 72% auf 52%).

ESG KPI „Rücknahme Mobilgeräte“: Anteil zurückgenommene mobile Endgeräte von 3,9% auf 2,3%.

ESG KPI „Nachhaltige Produkte“: Anteil nachhaltiger Produkte von 8% auf 6%.

Meine Frage: Welche „geeigneten Offsetting-Maßnahmen“ werden konkret genutzt bzw. in welche Projekte wird investiert, um Emissionen zu kompensieren?
(https://www.cr-bericht.telekom.com/2022/steuerung-fakten/umwelt/co2e-emissionen#atn-540-13606,atn-540-16351)

Meine Frage: Ab wann soll Klimaneutralität ohne Offsetting-Maßnahmen erreicht werden? Gibt es hierzu einen Plan bzw. eine Deadline?
(https://www.telekom-mobilitysolutions.de/index.php/magazin/co2-kompensation/)

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Anmerkungen:

1) Antworten der Deutschen Telekom auf der Hauptversammlung 2022 auf die Fragen des Dachverbands zu State Capture und Verwicklung von T-System in Korruption in Südafrika:

Unmittelbar nach dem Erscheinen von Pressemeldungen im Jahr 2017, die in Bezug auf die State-Capture-Affäre Erwähnungen von T-Systems beinhalteten, wurden bei T-Systems umfassende Maßnahmen ergriffen. Unter anderem wurden externe Anwälte mit einer internen Untersuchung beauftragt und Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen mit lokalen Behörden geteilt. Anti-Korruptions-Schulungen wurden nachträglich durchgeführt. Die T-Systems Südafrika hat mit der zur Aufklärung der State-Capture-Affäre im Jahr 2019 eingesetzten Untersuchungskommission umfassend kooperiert und deren Arbeit durch Bereitstellung von Informationen unterstützt. Zwischen Dezember 2021 und März 2022 hat die Untersuchungskommission ihren Bericht in drei Teilen veröffentlicht. Der Bericht beinhaltet keine Empfehlung, gegen T-Systems Südafrika oder einzelne Mitarbeiter des Unternehmens Untersuchungen einzuleiten oder diese strafrechtlich zu verfolgen. Für Berichte des Unternehmens an Externe bestand kein Anlass; Vorstand und Aufsichtsrat wurden in gebührender Weise fortlaufend über den Vorgang informiert.

2) Hinweisgeberportal „TellMe“

Trotz bester Präventionsmaßnahmen können in Unternehmen immer wieder Gesetzesverstöße und Pflichtverletzungen vorkommen. Über unser Hinweisgeberportal „TellMe“ können Beschäftigte und Externe Hinweise auf mögliche Compliance-Verstöße vertraulich an den Compliance-Bereich melden. 2022 sind über das „TellMe“-Portal 81 Compliance-relevante Hinweise eingegangen (Vorjahr: 87 Hinweise). Von diesen haben sich im zurückliegenden Jahr 39 Fälle als Fehlverhalten bestätigt und wurden entsprechend geahndet. Wir gehen allen Hinweisen, auch denjenigen, die uns über andere Kanäle erreichen, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten konsequent nach und sanktionieren tat- und schuldangemessen im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften. Als Steuerungs- und Überwachungsinstrument haben wir einen konzernweiten Reporting-Prozess implementiert

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