Rede Barbara Happe

Sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand und Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG, werte Aktionäre und Aktionärinnen,

mein Name ist Barbara Happe und ich spreche hier heute für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Alles was schwimmt, geht. Das war die goldene Regel, die der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher in den achtziger Jahren für deutsche Rüstungsexporte ausgegeben haben soll. Und das scheint bis heute auch die Handlungsmaxime von TKMS (ThyssenKrupp Marine Systems) zu sein. Aktuelle Zahlen zeigen, dass das Auslandsgeschäft der deutschen Werften immer weiter ausgebaut wird. Über 2/3 Ihrer Produktion hängt nach Schätzungen von Branchenkennern mittlerweile am Exportgeschäft.

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Kunden aus Krisen- und Spannungsregionen stetig zu. Für Proteste in den letzten Jahren sorgten v.a. Lieferaufträge in Länder wie Ägypten, Algerien, Singapur oder Israel. Länder, in denen es immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. Nehmen wir z.B. Algerien: dort gehen Polizei und Militär immer wieder gewalttätig gegen Demonstranten vor, genießen aber zugleich Straffreiheit. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Algerien gilt laut dem jüngsten Bericht des Bonn International Center for Conversion (BICC) „zu den problematischsten Empfängerländern“ deutscher Rüstungsgüter und der Export nach Algerien widerspricht gleich in mehreren Punkten dem EU Verhaltenskodex für Rüstungsexporte. Auch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) betrachtet die weiter steigende Bedeutung nordafrikanischer Staaten und Länder aus dem Nahen und Mittleren Osten als Abnehmer deutscher Rüstungsgüter mit großer Sorge.

Sie, werte Herren vom Vorstand, verteidigen Ihr Engagement damit, dass Sie derartige Exportgeschäfte nur dann tätigen, wenn auch die erforderlichen staatlichen Genehmigungen dafür vorliegen. So nach dem Motto: alles, was schwimmt geht und alles, was legal ist, geht!

Aber was, meine Herren, ist, wenn dann nachher mit Ihren Schiffen in irgendeinem Land im Nahen Osten Dinge gemacht werden, die auch Sie ganz und gar nicht gutheißen können, wenn damit z.B. regionale Konflikte angeheizt werden oder wenn die Marine eingesetzt wird, um Ziele auf feindlichem Territorium unter Feuerbeschuss zu nehmen?

Oder wenn Israel das von TKMS im letzten Jahr ausgelieferte U-Boot mit atomwaffenfähigen Marschflugkörpern bestückt?

Herr Fitschen als Vorstandschef der Deutschen Bank hat auf einer Podiumsdiskussion mal zu mir gesagt: „Alles, was durchaus legal sein kann, was aber in der Öffentlichkeit als illegitim angesehen wird, werden wir in Zukunft nicht mehr machen“. Es mag dahingestellt sein, inwiefern er selbst sich an sein Credo hält, aber ich möchte gerne wissen, wie hier Ihr Credo lautet:

  • Sind für Sie sämtliche Exportgeschäfte ok, solange sie offiziell legal sind? Inwiefern haben Sie sich als Konzern eigene Restriktionen auferlegt, nicht in Länder zu liefern, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden?
  • Inwiefern haben Sie in der Vergangenheit auf Geschäfte verzichtet, weil Ihnen die Menschenrechtslage im Exportland als zu prekär erschien?

 

Medienberichten zufolge hat die Bundesregierung vor einigen Tagen sämtliche Exportgeschäfte mit dem Königreich Saudi-Arabien wegen der schlechten Menschenrechtslage dort auf Eis gelegt.

  • Inwiefern beeinflusst diese Entscheidung der Bundesregierung ihre Exportstrategien in Richtung Naher und Mittlerer Osten oder in Länder mit ähnlich prekärer Menschenrechtslage?

 

Und ich habe noch ein paar weitere konkrete Fragen an Sie:

  • Wie sieht aktuell Ihre Auftragslage für die Lieferung von Schiffen aller Art aus?
  • In welche Länder liefern sie in den nächsten Jahren welche Arten von Schiffen und in welchem Auftragswert?
  • Welchen Stellenwert nehmen Schiffslieferungen in Krisenregionen dieser Welt wie nach Nordafrika oder in den Nahen und Mittleren Osten ein? Haben Sie aktuelle Aufträge für Saudi-Arabien in ihren Büchern? Und wenn ja, in welchem finanziellen Umfang und wofür?
  • Inwiefern können Sie ausschließen, dass die israelische Marine die von TKMS gelieferten U-Boote der Dolphin-Klasse mit atomwaffenfähigen Marschflugkörpern ausstatten kann?

 

Die aktuellen Entwicklungen in der Welt zeigen: die „Doktrinen“, dass alles, was schwimmt, geht und dass alles, was legal ist, geht – die gelten heute nicht mehr. Dafür sind die Schiffe, die Sie liefern, heute viel zu vielseitig einsetzbar und können zu große Schäden anrichten. Steuern Sie um und schwimmen Sie endlich in eine andere, friedlichere Richtung!

Besten Dank!

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