
Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 2: Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns abzulehnen.
Begründung:
Thyssenkrupp sollte den Betrag von 93.379.761,15 € (0,15 € je Stückaktie) nicht als Dividende ausschütten, sondern für Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, die schnellere Erreichung von Klimazielen und die Erhaltung von Arbeitsplätzen nutzen.
Während sich das Unternehmen in der Krise befindet, der Umsatz weiterhin sinkt, Arbeitsplätze gestrichen werden und weiterer Stellenabbau droht, soll nach dem Wunsch von Vorstand und Aufsichtsrat trotzdem eine Dividende ausgeschüttet werden. Das passt nicht zusammen und ist aus unserer Sicht unverhältnismäßig.
Schon im vergangenen Geschäftsjahr reduzierte Thyssenkrupp laut Lagebericht die Zahl der Mitarbeiter im gesamten Konzern um 1.861 – in den vergangenen vier Jahren waren es insgesamt mehr als 12.300 Beschäftigte. Nun kündigte der Vorstand an, weitere 11.000 Stellen in der Stahlsparte einsparen zu wollen, unter anderem durch die Schließung des Standorts Kreuztal-Eichen und die Ausgliederung beziehungsweise die Schließung der Hüttenwerken Krupp Mannesmann in Duisburg. Das bedroht Wohlstand und Lebensqualität in den betroffenen Regionen.
Die Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen muss auf soziale und ökologische Weise geschehen. Wenn von großen Modernisierungsdefiziten und einer Finanzierungslücke von etwa 1,3 Milliarden Euro im Stahlbereich die Rede ist, müssen dringend Investitionen in die Zukunft des Konzerns getätigt werden.
Angesichts dieser Herausforderungen sollte Thyssenkrupp kurzfristige Gewinne für langfristige Transformationsprojekte nutzen.
Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.
Begründung:
Der Vorstand der Thyssenkrupp AG wird seiner ökologischen und sozialen Verantwortung nicht gerecht, vernachlässigt wichtige Ziele und kommuniziert nicht sachgerecht.
Thyssenkrupp scheint Chance der klimafreundlichen Stahlproduktion zu verspielen
Es mangelt der Stahlbranche ja nicht an Problembewusstsein: „Die Umstellung auf CO₂-armen Stahl oder grünen Stahl ist von entscheidender Bedeutung dafür, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht“, sagt etwa Gunnar Gröbler, Vorstandsvorsitzender von Deutschlands zweitgrößtem Stahlproduzent, der Salzgitter AG und fügt hinzu: „Ohne grünen Stahl können keine nachhaltigen Produkte hergestellt werden – weder Elektroautos noch Windkraftanlagen. Wer klimaneutralen Stahl einkauft, kann auf diese Weise seinen eigenen CO2-Fußabdruck senken, kann damit die eigenen Klimaziele erreichen und kann bei Kunden mit einem zertifiziert nachhaltigen Produkt im Angebot punkten.“
Thyssenkrupp scheint diese Chance, klimafreundlichen Stahl zu produzieren und damit wieder wettbewerbsfähig zu werden, zu verspielen. Die deutsche Stahlindustrie bekommt für ihre grüne Transformation hohe staatliche Subventionen. Allein Thyssenkrupp erhält zwei Milliarden Euro staatliche Fördermittel für die Erzeugung klimafreundlichen Stahls. Anstatt mit Hilfe dieser Unterstützung möglichst schnell bei der Umstrukturierung weiterzukommen, verkauft Thyssenkrupp seine Stahlsparte und schließt Standorte. Die seit Jahren andauernde Unsicherheit und sich ständig ändernden Verkaufspläne geben wenig Vertrauen, dass der begonnene Prozess vom Vorstand nicht mit dem nötigen langfristigen und nachhaltigen Blick verfolgt wird.
Eskalierter Streit um Zukunft der Stahlsparte
Im April 2024 erwarb die Holding EPCG des tschechischen Investors Daniel Křetínský 20 Prozent von Thyssenkrupp Steel. Geplant sind weitere 50 Prozent und die Bildung eines gleichberechtigten Joint Ventures. Laut Handelsblatt hätte es einen anderen Investor gegeben, der das Unternehmen schonender umgebaut hätte.
Da die Nachfrage nach konventionellem – nicht klimafreundlich produziertem – Stahl sinkt, will Thyssenkrupp die Stahlproduktion von 11,5 Millionen Tonnen auf rund 9,5 Millionen Tonnen absenken und dafür 11.000 Arbeitsplätze streichen. Dies ging einher mit internen Personalkonflikten und der Vernachlässigung der Arbeitnehmerperspektive durch die Konzernleitung.
Im Prozess dieser Umstrukturierung wurde immer wieder von unangemessener Kommunikation berichtet: Der Umgang sei „unanständig“, es war von „schweren Vertrauensbruch“ und „Demütigungen“ die Rede, öffentlich in jeder Zeitung nachzulesen. In der Diskussion um die Zukunft der Stahlsparte kündigte der Vorstandsvorsitzender Miguel López drei Stahlvorständen. Der Streit drehte sich unter anderem um die Finanzierung der Verselbstständigung der Stahlsparte. Vier Aufsichtsräte von Thyssenkrupp Steel, darunter Sigmar Gabriel, traten daraufhin zurück, weil sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Thyssenkrupp AG nicht mehr für möglich hielten.
Die Arbeiternehmerseite wiederum beklagte die fehlende Mitbestimmung in diesem Prozess. Zudem kritisierte sie nachvollziehbar die Verunsicherung, die der Streit mit sich bringt, und die fehlende Garantie von Arbeitsplätzen.
Das ist keine professionelle Führung. Der Vorstand hat es unterlassen, eine respektvolle Unternehmenskultur zu entwickeln und den Konzern kompetent in die Zukunft zu führen. Auch versagt er darin, seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen.
Klimaschutz auf der Kippe: Fehlende Fortschritte und fehlendes Vertrauen
Es mangelt auch dem Vorstand nicht an Problembewusstsein: „In kaum einer anderen Industrie ist der Hebel zur Senkung der Emissionen so groß wie beim Stahl“, sagte der Vorstandsvorsitzende Miguel López. Trotz dieser Erkenntnis stellt er sich dieser Herausforderung nicht, sondern vergrößert Unsicherheit und Unklarheit bei den Zukunftsplänen für die Stahlsparte.
Der Einstieg des Milliardärs Daniel Křetínsky, der auch in der Braunkohleindustrie aktiv ist, werfen Fragen und Unsicherheiten zur grünen Zukunft des Unternehmens auf. Křetínsky selbst hat bisher Fragen des Betriebsrates zum industriellen Konzept, zur Finanzstruktur und zum Ordnungsrahmen nicht beantwortet.
Mit einem Treibhausgasausstoß von über 23 Mio. Tonnen CO2e ist Thyssenkrupp weiterhin einer der klimaschädlichsten Konzerne Deutschlands – und das seit Jahren. In den vergangenen sieben Jahren lagen die Emissionen von Thyssenkrupp stets über einem Wert von 20 Mio. Tonnen und waren mit leichten Schwankungen in etwa gleichbleibend.
Die aktuellen Unsicherheiten und der interne Streit schaffen nicht das Vertrauen, dass Thyssenkrupp langfristig die Maßnahmen zur Erreichung der eigenen Klimaziele schaffen kann. Der Verweis auf ebenfalls unsichere politische Rahmenbedingungen ist wichtig, doch der Vorstand selbst gibt nicht das Bild ab, der Herausforderung gewachsen zu sein und langfristige Perspektiven für den Konzern schaffen zu können.
Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.
Begründung:
Der Aufsichtsrat hat es unterlassen, den Vorstand beim Ausgleich von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu kontrollieren und die Einhaltung von Sorgfaltspflichten sicherzustellen.
Arbeitnehmerinteressen mehrmals ignoriert
Der Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm nutzte sein Doppelstimmrecht, um die Entscheidung über den Teilverkauf von Thyssenkrupp Steel zu fällen. Er überging damit zum zweiten Mal die Stimme der Arbeitnehmervertreter*innen. Besonders in einem Konzern wie Thyssenkrupp, in dem man bisher auf „eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmendenvertretungen“ stolz war, ist diese neue Unfähigkeit zum Kompromiss seitens des Aufsichtsrats auch ein Zeichen der Überforderung. Ohne die Beschäftigten mitzunehmen, wird die angestrebte Transformation des Konzerns nicht nachhaltig möglich sein.
Ziele zur Sicherheit am Arbeitsplatz verfehlt
Der Aufsichtsrat hat es versäumt, den Vorstand bei seinem selbst gesteckten Ziel, mehr Sicherheit am Arbeitsplatz zu erreichen, zu unterstützen.
Nach dem tragischen Todesfall von Refat Süleyman, der 2022 bei der Arbeit auf dem Betriebsgelände von Thyssenkrupp in Duisburg ums Leben kam, war die Arbeitsplatzsicherheit in aller Munde. Trotzdem sind keine sichtbaren Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern umgesetzt worden. Thyssenkrupp selbst schreibt in seinem Geschäftsbericht, Arbeitssicherheit und Gesundheit seien stets vorrangige Themen. Trotzdem sind im vergangenen Geschäftsjahr keine Verbesserungen zu sehen. Mit einer Unfallshäufigkeitsrate von 2,4 Arbeitsunfällen eigener Beschäftigter mit mindestens einem Tag Arbeitsausfall bezogen auf eine Million Arbeitsstunden hat sich die Unfallhäufigkeit im Vergleich zum Vorjahr nicht verbessert. Der Konzern hat damit sein selbst gestecktes Ziel verfehlt.
Intransparente Rüstungsexporte: Umsetzung von Sorgfaltspflichten unklar
Thyssenkrupp treibt den Konzernumbau voran. Da die Transformation der Stahlsparte Milliardeninvestitionen erfordert, plant der Konzern weiter die Abspaltung oder Verselbständigung der Rüstungssparte Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Presseberichten von Anfang Januar 2025 zufolge sollen die deutschen Unternehmen Deutz AG und Rheinmetall am Kauf von TKMS interessiert sein. Das Unternehmen hingegen würde weiterhin eine Börsennotierung für seine Rüstungssparte anstreben.
Seit Jahren steht die Rüstungssparte in der Kritik, nicht zuletzt wegen der Lieferung ihrer U-Boote, Fregatten und Korvetten an Länder wie u.a. Ägypten, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden und/oder die in völkerrechtsverletzende Kriegshandlungen verwickelt sind. TKMS rechtfertigt derartige, höchst problematische Lieferungen mit dem lapidaren Verweis auf vorliegende Exportgenehmigungen seitens der Bundesregierung. Der Konzern negiert somit eigene menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. Nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte liegt es jedoch auch in der Verantwortung der Unternehmen, selbst zu prüfen und zu bewerten, ob sie mit ihren Produkten, Dienstleistungen und Aktivitäten indirekt zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Eine solche Prüfung scheint Thyssenkrupp aber zu unterlassen. Thyssenkrupp hat sich auch immer gegen die Entwicklung strengerer interner Richtlinien für Waffenexporte gewehrt und hat nie Informationen geliefert, die eine Zusammenarbeit beim Bau von Atomwaffensystemen eindeutig ausschließen würden.