
Sehr geehrte Damen und Herren im Vorstand und Aufsichtsrat von Thyssenkrupp, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!
Mein Name ist Markus Dufner, ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Der Dachverband spricht im Namen seiner 29 Mitgliedsorganisationen und vertritt auf der heutigen Hauptversammlung Aktien zahlreicher Kleinaktionärinnen und -aktionäre. Ich freue mich, dass wir wieder von unserem Kooperationspartner Fondazione Finanza Etica, einer Bankstiftung mit Sitz in Florenz, begleitet werden. Die Stiftung gehörte zu den Gründern der Shareholders for Change, des europäischen Netzwerks für nachhaltiges Investorenengagement.
Virtuelle Hauptversammlung
Herr López, Herr Professor Russwurm, vor einem Jahr haben Sie uns noch zu einer Aktionärsversammlung nach Bochum eingeladen. Der Protest Ihrer Beschäftigten und der IG Metall vor dem RuhrCongress muss sie dermaßen erschreckt haben, dass Sie bei der diesjährigen Hauptversammlung ins virtuelle Format geflüchtet sind. Da kommt Ihnen dann auch keiner zu nahe, da bekommen Sie von den Emotionen Ihrer Mitarbeiter, die Sie entlassen wollen, nichts mit. Und auch wir Aktionärinnen und Aktionäre sind weit entfernt. Herr Russwurm, was immer Sie vorhin über die Vorteile einer virtuellen Hauptversammlung gesagt haben: Für uns überwiegen die Nachteile.
Die Krupp-Stiftung und der Niedergang von Thyssenkrupp
Die Thyssenkrupp AG sorgt wieder einmal für negative Schlagzeilen: „Der Niedergang. Wie Eigentümer und Vorstand den Stahlriesen zerstören“, titelt das Manager Magazin im Januar. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen Sie, Frau Professor Gather. Als Vorsitzende der Krupp-Stiftung, die immer noch 20 Prozent der Thyssenkrupp-Anteile hält, hätten Sie die Möglichkeit, für das Unternehmen eine zukunftsträchtige Strategie zu entwickeln. Stattdessen lassen Sie aber zu, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Siegfried Russwurm und der Vorstandsvorsitzende Miguel López Thyssenkrupp zerlegen, massenhaft Arbeitsplätze abbauen, Standorte schließen und die Arbeitnehmer brüskieren. Wenn Sie so weiter agieren, wird von dem einst florierenden Stahlkonzern bald nicht mehr viel übrig sein.
Meine Frage an den Aufsichtsrat und Vorstand: Wie wollen Sie den Niedergang von Thyssenkrupp verhindern, ohne den Konzern zu zerschlagen?
Unsere Gegenanträge
In unseren Gegenanträgen zu TOP 3 und TOP 4 hatten wir beantragt, den Vorstand und den Aufsichtsrat von Thyssenkrupp nicht zu entlasten. Bei der heutigen namentlichen Abstimmung werden wir zu TOP 4 differenzieren und nur die Arbeitgeber-Vertreter nicht entlasten. Die Arbeitnehmer-Seite werden wir dagegen entlasten.
In einem Unternehmen wie Thyssenkrupp, in dem man bisher stolz war auf eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmer-vertretungen, hat der Aufsichtsrat demonstriert, dass er kompromissunfähig ist. Herr Russwurm, als Aufsichtsratsvorsitzender machten sie zweimal von Ihrem Doppelstimmrecht Gebrauch, um die Entscheidung über den Teilverkauf von Thyssenkrupp Steel zu fällen.
Meine Fragen: Gab es für Sie keine andere Möglichkeit, als sich zweimal Mal über den Willen der Arbeitnehmervertreter*innen hinwegzusetzen?
Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die so viel gepriesenen Kommunikations- und Kompromissfähigkeit zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu fördern?
Warnung vor Investor Daniel Křetínský
Ich warne davor, weitere Teile der Tochtergesellschaft Thyssenkrupp Steel Europe an Investoren zu verscherbeln, die bisher nicht für Klimaschutz bekannt waren. So soll die EP Group des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský, die bereits seit Ende Juli 2024 20 Prozent der Anteile hält, mit weiteren 30 Prozent beteiligt werden. Die Folge wäre ein gleichberechtigtes 50/50-Joint Venture. Křetínský ist bereits Eigentümer des Lausitzer Braunkohle-Energiekonzerns LEAG.
Bereits im April 2024 hat sich die Arbeitnehmerseite skeptisch zum Einstieg der EP Group bei Thyssenkrupp Steel geäußert. Der Gesamtbetriebsrats-vorsitzende von Thyssenkrupp Steel, Tekin Nasikkol, „eine Zerschlagung oder Schrumpfkur“ von Thyssenkrupp ab. Das tun wir auch.
Herr López, bitte beantworten Sie folgende Fragen:
Welche Absichten hat EPCG-Eigentümer Křetínský?
Wie sieht sein Konzept aus?
Welche Zugeständnisse haben Sie ihm gemacht?
Wie hält es Křetínský mit der betrieblichen Mitbestimmung?
Herr López, der frühere Vorstand der Stahltochter Thyssenkrupp Steel Europe, den Sie entlassen haben, war mit Ihrem Kurs nicht einverstanden. Für die Art und Weise, wie die Auseinandersetzung darüber geführt wurde, sind auch Sie mit verantwortlich. Vom neuen Vorstand müssen Sie nun wohl keine Kritik befürchten.
Unzureichende Klimaschutzziele
Herr López, auch wegen der unzureichenden Klimaschutzziele von Thyssenkrupp werden wir den Vorstand nicht entlasten. Wir haben dazu einen entsprechenden Gegenantrag eingereicht, den ich hiermit auch formal stelle.
Mit einem Treibhausgasausstoß von über 23 Mio. Tonnen CO2e ist Thyssenkrupp weiterhin einer der klimaschädlichsten Konzerne Deutschlands – und das seit Jahren. In den vergangenen sieben Jahren lagen die Emissionen von Thyssenkrupp stets über einem Wert von 20 Mio. Tonnen und waren mit leichten Schwankungen in etwa gleichbleibend.
Die aktuellen Unsicherheiten und der interne Streit schaffen nicht das Vertrauen, dass Thyssenkrupp langfristig die Maßnahmen zur Erreichung der eigenen Klimaziele schaffen kann. Wie schon mein Vorredner, Herr Speich, verlange ich vom Thyssenkrupp-Vorstand ein Say on Climate.
Wir sind nicht allein mit unserer Kritik an Ihren unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen. Nach den Daten der Climate Action 100+ Initiative bzw. der Transition Pathway Initiative (TPI) haben Sie weiterhin keine angemessenen Ziele zur Reduktion Ihrer Treibhausgasemissionen ausgearbeitet. Demnach sind Ihre Reduktionspläne nicht eindeutig an dem Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ausgerichtet, die Erderhitzung auf maximal 1,5° Celsius zu begrenzen.
Die nationale Wasserstoffstrategie und die Hoffnung auf grünen Stahl
Herr López, Thyssenkrupp sieht in der EP Corporate Group einen „strategischen Partner, der seine Kompetenzen einbringen wird, um eine ausreichende Versorgung mit Energie in Form von Wasserstoff, Grünstrom sowie der Bereitstellung von anderen Energierohstoffen zu gewährleisten.“ (https://www.thyssenkrupp.com/de/newsroom/pressemeldungen/pressedetailseite/thyssenkrupp-und-ep-corporate-group-schliessen-strategische-partnerschaft-253065)
Meine Frage: Worin liegen die Kompetenzen von EPCG im Bereich Wasserstoff und Grünstrom?
Noch gibt es die Hoffnung, dass Thyssenkrupp mit Hilfe staatlicher Fördermilliarden die Kurve kriegt und von einem der größten CO2-Emittenten Europas zum Hersteller von grünem Stahl wird. Wenn das so käme, würde Thyssenkrupp einen ökologisch und gesellschaftlich immens wichtigen Beitrag leisten. Die Nachfrage ist da, weil auch andere Branchen wie z.B. die Automobilindustrie durch die Verwendung von grünem Stahl ihre CO2-Bilanz verbessern können.
Im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung spielt auch Thyssenkrupp eine große Rolle.ins Spiel: Sie sieht vor, dass in Deutschland bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens zehn Gigawatt aufgebaut wird.
Bis 2030 werden allein in Deutschland bis zu 130 Terawattstunden grüner Wasserstoff jährlich benötigt. Mehr als doppelt so viel wie heute. Doch wo soll der ganze Wasserstoff herkommen?
Welchen Anteil wird die Thyssenkrupp beisteuern? Immerhin sind Sie ja mit 50,2 Prozent an dem Elektrolyse-Anlagenbauer Thyssenkrupp Nucera AG beteiligt.
Meine Fragen:
Aus welchen anderen Ländern wird TK grünen Wasserstoff beziehen?
Sie nannten in ihrer Rede den Oman, auf ihrer Webseite finden sich die Länder Neuseeland, Australien, Chile, Namibia, Südafrika und auch Norwegen, die aufgrund ihrer guten Voraussetzungen zur Produktion von erneuerbarer Energie durch Photovoltaik und Windkraft als vielversprechende Wasserstoffproduzenten gelten.
Meine Fragen:
Mit welchen Kooperationspartnern sind Sie in diesen Ländern im Gespräch?
Sagen Sie mehr zur Kooperation mit dem Oman.
Welche Richtlinien gelten bei Thyssenkrupp für Kooperationen mit Partnern in autoritären Staaten?
Wie gelangt der grüne Wasserstoff und seine Derivate zu seinem Einsatzort in Deutschland?
Neben Thyssenkrupp ist auch Deutschlands zweitgrößter Stahlkonzern, die Salzgitter AG, dabei, mit dem Verfahren SALCOS nahezu klimaneutralen Stahl zu produzieren.
Meine Frage: Kooperiert Thyssenkrupp bei der Herstellung von grünem Stahl mit Salzgitter oder sehen Sie das Unternehmen als reinen Konkurrenten?
Und nun komme ich abschließend noch zu einem Rechtsstreit, der seit Jahren zwischen der ThyssenKrupp Presta Mülheim GmbH und dem ehemaligen Betriebsrat Markus Wurst schwelt.
Die im Jahr 2014 erfolgte Verschmelzung der ThyssenKrupp Presta Steer Tec Gmbh auf die ThyssenKrupp Presta Mülheim GmbH war rechtswidrig. Dem Kläger Markus Wurst, Betriebsrat der ThyssenKrupp Presta Mülheim GmbH, wurde der Verschmelzungsvertrag nicht vorgelegt. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 5 III Umwandlungsgesetz (UmwG) vor, der zur Nichtigkeit des Beschlusses führt. Der Kläger Markus Wurst hat am 29.05.2024 über seine Anwälte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 21.03.2024 (Aktenzeichen 12 C 46/23) eingelegt. Bei beiden Gesellschaften handelt es sich um Tochtergesellschaften der Thyssenkrupp AG.
Bitte nehmen Sie dazu Stellung. Was gedenkt Thyssenkrupp in dieser Angelegenheit zu tun?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin gespannt auf die Beantwortung der Fragen.