TUI ist die Nummer eins für Abschiebeflüge: Unsere Gegenanträge

Vorstandsvorsitzender Fritz Joussen muss sich fragen lassen, ob TUI die Nummer eins unter den Fluggesellschaften für Abschiebeflüge aus Großbritannien bleiben will. (Fotocollage: Dachverband TUI HV 2021, Kampagnenplakat von stoptui in Großbritannien)

Zu TOP 2: Den Mitgliedern des Vorstandes wird die Entlastung verweigert.

Begründung: Der Vorstand der TUI AG wird seiner Verantwortung gegenüber den eigenen Beschäftigten nicht gerecht und verstößt gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten.

1. Verantwortung gegenüber Arbeitskräften trotz staatlicher Beihilfen missachtet
TUI hat knapp fünf Milliarden Euro an deutschen Steuergeldern bekommen, um die Konsequenzen der Corona-Pandemie schultern zu können. Damit hat das Unternehmen nach der Lufthansa die höchsten Unterstützungszahlungen in Deutschland erhalten.

Der Forderung von Verdi, die Mittel „zukunftsgerichtet zu verwenden und den Beschäftigten sichere und vor allem auch existenziell absichernde Arbeitsplätze zu garantieren“, ist TUI unzureichend nachgekommen. So wurden trotz der Milliarden-Zahlungen mindestens 8000 Jobs gestrichen und die Verträge von über 6000 saisonalen Mitarbeitenden an den Urlaubsdestinationen beendet. Sie zählen zu den großen Verlierern der Krise. Und das, obwohl gerade saisonale Arbeitskräfte mit der Erholung von der Krise erneut gebraucht werden.

Diese mangelnde Unterstützung von Arbeitskräften in den Krisenjahren steht im Kontrast zu der Begründung für die Notwendigkeit der Staatshilfe für den TUI-Konzern: So argumentierte CEO Friedrich Joussen, TUI sei unter anderem auch deshalb systemrelevant, weil es eine „stabilisierenden Rolle in Südeuropa und Nordafrika“ spiele – schließlich würde TUI für Investitionen, Infrastruktur und Jobs sorgen (https://www.bloomberg.com/press-releases/2020-12-10/tui-ag-acs-annual-financial-report-part-2). Doch weder in Deutschland, noch in den beliebtesten Urlaubsdestinationen sorgten die Hilfszahlungen dafür, dass Arbeitskräfte entsprechend abgesichert und in der Krise unterstützt werden.

2. Unterstützung menschenfeindlicher Migrationspolitik
Der Vorstand der TUI AG unterstützt menschenfeindliche Migrationspolitik in Europa, indem Charterflüge von TUI Airways für Deportationen von Geflüchteten benutzt werden und Druck auf Hotels gemacht wird, damit sie Menschen auf der Flucht nicht unterstützen.

TUI ist mittlerweile die Nummer eins unter den Fluggesellschaften für Abschiebeflüge im Großbritannien und hat allein zwischen Januar und Oktober 2021 21 Massenabschiebungen durchgeführt (https://www.dailyrecord.co.uk/news/scottish-news/glasgow-tui-protest-planned-holiday-25284794); eine Entwicklung, die sich schon ab August 2020 abzeichnet, als TUI inmitten der Corona-Krise zu Großbritanniens Top-Abschiebe-Fluglinie aufstieg (https://corporatewatch.org/the-two-sides-of-tui-crisis-hit-holiday-giant-turned-deportation-specialist/).

Um die Solidarität von Passagieren mit (abgelehnten) Asylbewerber*innen zu umgehen, nutzt das britische Innenministerium seit längerem nicht-kommerzielle Charterflüge, um erzwungene Abschiebungen durchzuführen. Ziel dieser Flüge sind oft Länder, die früher Opfer des britischen Kolonialismus waren, darunter Jamaika, Nigeria und Simbabwe, aber auch Vietnam. (https://cityofsanctuary.org/2021/08/27/stop-tui-drop-deportations-weekend-of-action-28th-29th-august/). Die Fluglinien, die diese Deportationen durchführen, haben selbst keine Möglichkeiten, die Rechtsmäßigkeit dieser Abschiebungen zu überprüfen.

TUI präsentiert sich zwar gerne als weltoffenes und familienfreundliches Unternehmen, profitiert aber aktiv von der menschenfeindlichen Politik des britischen Staates gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten. Und nicht nur dort, sondern auch in Spanien: Dort hat der Konzern im Jahr 2020 Hotels auf den Kanarischen Inseln unter Druck gesetzt und gedroht, keine Tourist*innen mehr auf die Inseln zu schicken, sollten die Hotels weiterhin afrikanischen Geflüchteten Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen. (https://cadenaser.com/emisora/2020/11/25/radio_club_tenerife/1606308585_651149.html)

3. Investoren drohen mit Rückzug, wenn TUI seine Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitenden (in Anstellung sowie saisonal) nicht wahrnimmt und wenn Abschiebepraxis weitergeführt wird
Die Einhaltung von Umwelt, Sozial- und Unternehmensführungsstandards (ESG-Kriterien) wird für institutionelle Investoren immer wichtiger. Zu diesen Kriterien gehören auch verlässliche Arbeitsbedingungen. Das wiegt umso schwerer, wenn ein Unternehmen finanzielle Unterstützung in Höhe von mehreren Milliarden vom Staat erhält. Untersuchungen bestätigen, dass zwischen der Berücksichtigung von ESG-Kriterien und der Performance von Unternehmen ein positiver Zusammenhang besteht. Nachhaltig wirtschaftende und gut geführte Firmen sind die besseren Anlagekandidaten. Die Übereinstimmung des Images der TUI AG (weltoffen, familienfreundlich, auf Nachhaltigkeit bedacht) mit den tatsächlichen Praktiken des Unternehmens wird für institutionelle Investoren immer wichtiger. Es verträgt sich hierbei nicht, wenn ein international operierender Konzern wie die TUI AG menschenfeindliche Abschiebepraktiken unterstützt, deren Rechtmäßigkeit er zu prüfen nicht in der Lage ist, und Hotels unter Druck setzt, die sich mit Geflüchteten solidarisieren und ihnen Unterschlupf bieten.

Sie können sich dem Gegenantrag anschließen, indem Sie bei dem entsprechenden Tagesordnungspunkt mit „NEIN“ stimmen.


Zu TOP 3: Den Mitgliedern des Aufsichtsrats wird die Entlastung verweigert.

Begründung: Der Aufsichtsrat der TUI AG ist nicht seiner Verantwortung nachgekommen, den Vorstand für das Nicht-Erreichen wesentlicher Klimaschutzziele zu sanktionieren.

Zwar sprach der TUI-Vorstandsvorsitzende Fritz Joussen am 01.11.2021 in einem Brief an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer „Dekade der Transformation“ und wie TUI zu einem „nachhaltigen Tourismus“ beitragen werde. (https://www.tuigroup.com/de-de/medien/storys/2021/2021-11-03-tui-ceo-fritz-joussen-zum-thema-nachhaltigkeit) Im zurückliegenden Geschäftsjahr hat die TUI AG aber wesentliche Klimaschutzziele verfehlt. Die Nichterreichung dieser Ziele schlägt sich in der Vergütung der meisten Vorstandsmitglieder nicht nieder; so stieg etwa die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden Joussen um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (siehe TUI Geschäftsbericht, S. 137)

1. TUI Airlines verfehlt CO2-Reduktionsziel
Die TUI hat das im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie „Better Holidays, Better World“ gesetzte Ziel einer Reduzierung der CO2-Intensität um 10 % bis 2020 im Airline-Bereich verfehlt. Das Ziel habe auf Effizienzsteigerungen und dem geplanten Flottenerneuerungsprogramm basiert. Als Grund hierfür gibt die TUI das „Grounding“ der Boeing 737 Max und die damit verspäteten Auslieferungen an. (Zu „Grounding“: Das Passagierflugzeug Boeing 737 Max musste zwischen März 2019 und Dezember 2020 weltweit am Boden bleiben – in vielen Ländern länger –, nachdem 346 Menschen bei zwei Abstürzen ums Leben gekommen waren.) Dadurch seien die Fortschritte bei der Zielerreichung „leider erheblich beeinträchtigt“ worden. Darüber hinaus sei die Realisierung des Ziels einer weiteren Verbesserung der relativen CO2-Emissionen, das auf Auslastungen und Treibstoffverbräuchen beruht, aufgrund der anhaltenden COVID-19-Krise unmöglich geworden. (TUI Geschäftsbericht, S. 78)

Der relative CO2-Ausstoß von TUI Airlines stieg im Geschäftsjahr 2021 um 15 %. Auch dies sei auf das Grounding der Flotte aufgrund der COVID-19-Krise zurückzuführen. Sie habe zu einem erheblichen Rückgang des Flugbetriebs und der Auslastungen aller TUI Airlines geführt. Infolge eines höheren Frachtanteils bei einigen TUI Airlines stieg das Gewicht der Maschinen, was zu einem Anstieg des Treibstoffverbrauchs führte. (TUI Geschäftsbericht, S. 78)

2. Steigender CO2-Ausstoß bei TUI Cruises
Im Geschäftsjahr 2021 stieg der spezifische CO2Ausstoß im Kreuzfahrtsegment um 83,8 %. Pro Kreuzfahrtpassagier wurden 240 kg Kohlendioxid pro Nacht emittiert (gegenüber 130 kg im Jahr 2020). Die TUI AG erklärt den Anstieg durch „die erhebliche Verringerung der Auslastungen infolge von COVID19“. (TUI Geschäftsbericht, S. 79)

Bei den Hotels kam es im zurückliegenden Geschäftsjahr zu einem Anstieg der CO2Emissionen, des Wasserverbrauchs und des Abfallaufkommens pro Übernachtung. Wieder gibt die TUI AG als Grund die Auswirkungen der COVID19Krise an; sie habe „zu der vorübergehenden Schließung von Hotels und insgesamt niedrigeren Auslastungen“ geführt. (TUI Geschäftsbericht, S. 79)

3. Tourismus-Industrie muss Portfolio umstellen
Sowohl die Politik, die Tourist*innen als auch die Tourismus-Industrie ist gefordert, zum Erreichen der Klimaziele beizutragen. „Die Unternehmen können einiges tun“, fordert Wolfgang Strasdas, Forschungsleiter des Zentrums für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Eberswalde, und schlägt konkret folgende Maßnahmen vor: „Ihr Portfolio umstellen, Flüge kompensieren, den Zug statt den Flug anbieten oder auch die Kosten pro Reisetag aufzeigen.“ Dann werde für die Kunden ersichtlich, dass längere Reisen pro Reisetag günstiger seien. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tourismus-klimaschutz-nachhaltigkeit-101.html

Der TUI-Vorstandsvorsitzende Fritz Joussen wird sich an seinen Worten messen lassen müssen: „Wir werden uns weiterhin darauf konzentrieren, unseren ökologischen Fußabdruck deutlich zu verringern. Dabei zielen wir nicht nur auf unsere Emissionen, sondern auch auf die Themen Wasser, Energie und Abfall. Mit unserer Nachhaltigkeitsagenda wollen wir Vorreiter für die nachhaltige Entwicklung der Tourismusindustrie sein.“ Ob den Worten auch Taten folgen, werden die kommenden Jahre zeigen. (aus „Dekade der Transformation“)

Sie können sich dem Gegenantrag anschließen, indem Sie bei dem entsprechenden Tagesordnungspunkt mit „NEIN“ stimmen.

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