„Zweiklassengesellschaft unter Deck“: Rede von Markus Dufner

Kreuzfahrten ohne Rücksicht auf Klimaschutz und Menschenrechte

Rede von Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre

Sehr geehrte Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Markus Dufner. Ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre. Ich spreche zum ersten Mal auf der Hauptversammlung der TUI AG.

Meine Damen und Herren, wer möchte nicht gern in den Genuss einer Traumreise kommen? An Bord eines Luxusliners gehen, sich an Deck kulinarisch verwöhnen und angenehm unterhalten lassen? Traumziele in der Karibik ansteuern und beim Landgang malerische Städte besuchen? Solche Träume können wahr werden! Aber den Preis für solch oft sehr günstige Traumreisen zahlen nicht die Touristen aus der ersten Welt, sondern andere Menschen.

Zweiklassengesellschaft unter Deck
Ganz so heil ist die Welt an Bord von „Mein Schiff 1-6“ nämlich nicht.
„Während sich die Touristen auf dem Oberdeck sonnen, arbeiten die Beschäftigten oft nonstop – gerade in den unteren Lohngruppen“, berichtete der NDR im September 2019. (https://www.ndr.de/nachrichten/info/So-hart-ist-die-Arbeit-auf-Kreuzfahrtschiffen,kreuzfahrt754.html).

Bei den Beschäftigten auf Kreuzfahrtschiffen kann man von einer „Zweiklassengesellschaft“ sprechen. Zu diesem Ergebnis kam die Stiftung Warentest. Die wenigen höher qualifizierten Angestellten, zum Beispiel Versorgungsoffiziere, bleiben nicht länger als drei Monate an Bord. Sie sind meist EU-Bürger.

Dagegen müssen sich Küchen- und Deckhilfen neun bis elf Monate am Stück verpflichten. Es sind Menschen aus Nicht-EU-Staaten, meist aus Asien, sehr viele darunter aus den Philippinen. „Sie verdienen weniger und erhalten vom Arbeitgeber nach Verlassen des Schiffes keine soziale Absicherung.“ (Test-Heft 1/2019: „So klappt es mit der Traumreise“)

Wie sieht der Alltag des Servicepersonals an Bord eines Kreuzfahrtschiffes aus?
14 Stunden am Stück kellnern, in fensterlosen Räumen bügeln oder Kabinen putzen, sieben Tage in der Woche arbeiten, monatelang kein Urlaub – das ist üblich!

Sehr geehrter Herr Joussen, hierzu einige Fragen:
1. Kennen Sie diese Arbeitsverträge?
2. Halten Sie solche Arbeitsbedingungen für human?
3. Werden die Verträge zwischen dem Servicepersonal und externen Agenturen geschlossen, mit denen die TUI Group nichts zu tun hat?
4. Bitte nennen Sie die Agenturen, die Servicepersonal an TUI Cruises vermittelt!
5. Was sollte in den Arbeitsbedingungen geändert werden?
6. Welche Anstrengungen wird die TUI unternehmen, um humanere Arbeitsbedingungen zu erreichen?

Missachtung des UN-Sozialpakts
TUI Cruises erfüllt wesentliche Verpflichtungen aus dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) nicht. Zu den in diesem Pakt verankerten Rechten zählen insbesondere Rechte im Arbeitsleben, etwa bezahlter Urlaub, das Recht auf soziale Sicherheit und viele weitere Rechte. Kostengünstige Traumreisen für Passagiere und Rekordumsätze bei TUI Cruises basieren auf niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten, vielen Überstunden und Sozialdumping der meist asiatischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Niedriglöhne, Überstunden, kaum Urlaub
Die Löhne sind weit unter mitteleuropäischen Standards. So erhalten etwa manche Mitarbeiter in der Wäscherei ein monatliches Grundgehalt von 368 Dollar für 40 Stunden pro Woche. Zusammen mit Zuschlägen für sieben Tage Arbeit in der Woche à 8 Stunden, darüber hinaus noch einmal bis zu 60,62 Überstunden pro Monat und Abgeltung für Urlaub kommen sie auf 770 Dollar (knapp 700 Euro). Dafür müssen sie aber auch bis zu etwa 300 Stunden lang arbeiten. Macht einen Stundensatz von weniger als 2,40 Euro.

Sehr geehrter Herr Joussen, meine nächsten Fragen:
7. Können Sie diese Angaben, die aus einem internen Dokument von „Mein Schiff“ hervorgehen, bestätigen? Das Dokument liegt dem Magazin DER SPIEGEL vor (https://www.spiegel.de/wirtschaft/tui-mein-schiff-6-profite-auf-kosten-von-personal-und-steuerzahler-a-1150225.html)

8. Frage: Wenn diese Angaben nicht mehr stimmen, dann nennen Sie bitte die aktuellen Zahlen, auch den Stundenlohn, der aus Ihrer Sicht der zutreffende ist.

9. Sollte der Stundenlohn die Höhe des deutschen Mindestlohns betragen?

Schlechte soziale Absicherung und menschenunwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen
Der Kontakt mit Angehörigen zu Hause ist durch die hohen Kosten für das WLAN an Bord, die die Arbeitnehmer selber tragen müssen, sehr eingeschränkt. Das Leben an Bord ist auch durch die Unterbringung eingeschränkt: Zwei Arbeitnehmer teilen sich eine kleine Kabine, es gibt praktisch keine Privatsphäre. Nicht selten leiden die Arbeitskräfte noch nach der Kreuzfahrt unter psychischen und gesundheitlichen Problemen wie zum Beispiel chronischer Übermüdung. Höchstens im Krankheitsfall bekommen die Arbeitnehmer mal einen Tag frei und müssen sonst während der Laufzeit ihres Vertrags durcharbeiten.

Sehr geehrter Herr Joussen: zwei grundsätzlicher Fragen zu diesem traurigen Thema Lebens- und Arbeitsrealität bei TUI Cruises:
10. Lebt der Mensch um zu arbeiten oder arbeitet der Mensch um zu leben?
11. Möchten Sie unter solchen Bedingungen arbeiten und leben?

TUI und UN-Nachhaltigkeitsziele
Aber vielleicht gibt es ja Grund zu ein bisschen Hoffnung. Die TUI hat richtig erkannt, [ZITAT] dass „die touristische Wertschöpfungskette […] eng mit vielen Sektoren verbunden [ist]. Dadurch haben wir die Möglichkeit, Fortschritte in allen 17 SDGs zu beeinflussen, wobei drei Ziele sich besonders auf nachhaltigen Tourismus beziehen: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum (SDG 8), nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion (SDG 12) sowie Leben unter Wasser (SDG 14).“ (https://www.tuigroup.com/de-de/verantwortung/strategie/SDGs)

Herr Joussen, Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung:
12. Wann dürfen wir mit der Umsetzung dieser Ziele rechnen?

Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten
Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat, ich komme jetzt zu unseren Gegenanträgen.

Sie beinhalten die Punkte meines Vorredners, Daniel Rieger vom Nabu. Fasse ich seine Argumentation zusammen, so veranstaltet die TUI AG Kreuzfahrten ohne Rücksicht auf Klimaschutz. Ich muss hinzufügen: Sie machen Kreuzfahrten ohne Rücksicht auf Menschenrechte.

Der TUI-Konzern behauptet, sich „für mehr Nachhaltigkeit im Tourismus“ einzusetzen und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu unterstützen. Der Anspruch ist lobenswert, aber in der Realität sind sie noch weit von einem nachhaltigen Tourismus entfernt. Bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht aus, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung müssen auch umgesetzt werden. Aus diesem Grund wird der Dachverband der Kritischen Aktionäre dem Vorstand und Aufsichtsrat der TUI AG die Entlastung verweigern.

Vielen Dank, dass Sie so aufmerksam zugehört haben.

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