Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Uniper deutliche effektivere Maßnahmen für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.
Herr Lewis, Sie haben es vorhin angesprochen: Heute vor 80 Jahren wurde Europa vom nationalsozialistischen Terrorregime endgültig befreit. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie, zusammen mit vielen weiteren Vorstandsvorsitzenden deutscher Unternehmen jene Erklärung unterzeichnet haben, in dem Sie sich aus der daraus folgenden Verantwortung, die keinen Schlussstrich kennen kann, bekennen. Danke für Ihre klaren Worte, dass eben vor allem auch deutsche Unternehmen dazu beitrugen, ich zitiere: „die Herrschaft der Nationalsozialisten zu festigen. Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt.“
Wir sind uns auch einig darin, dass, wie Sie vorhin gesagt haben, Energie kein soziales Risiko sein darf. Über die konkreten Maßnahmen dazu sind wir bei vielen Maßnahmen nicht einer Meinung. In oben genannter Erklärung heißt es ja auch völlig richtig: „Demokratie lebt vom Mitmachen – und vom Widerspruch.“
Wir können auch dieses Jahr Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Wir haben entsprechende Gegenanträge eingereicht, die ich hiermit auf formal stelle. Auf unsere Kritikpunkte bei Ihren Maßnahmen zum Klimaschutz ist Herr Leiner ja bereits eingegangen. Ich möchte Ihnen zusätzlich einige Fragen zur Umsetzung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, insbesondere in Bezug auf Ihre Steinkohlelieferketten, und Ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung stellen:
Kraftwerkstrategie und neue Bundesregierung:
Herr Lewis, in Ihrer (vorab veröffentlichten) Rede haben Sie sich mit deutlicher Kritik an der neuen Bundesregierung und der Kraftwerksstrategie zurückgehalten. Dies hat Anfang April noch anders:
- Uniper hatte in einem Papier die Pläne von Union und SPD, alte Kohlekraftwerke aus der sogenannten Netzreserve wieder häufiger zu nutzen, deutlich kritisiert. Bleiben Sie bei Ihrer Kritik und wenn ja, wie werden Sie diese nun gegenüber der neuen Bundesregierung formulieren?
Transparenz und Kohlelieferkette:
So sehr wir es begrüßen, dass sie nun nach den neuen Berichtsregeln der EU berichten, so sehr ärgert es uns, dass ihr aktueller Geschäftsbericht teils deutlich weniger informativ ist als ihr sonstiger Nachhaltigkeitsbericht. Daher muss ich Sie fragen:
- Aus welchen Ländern und von welchen Lieferanten haben Sie in 2024 wie viele Mengen Steinkohle bezogen?
- Welche direkten Kohle-Abnahmeverträge bestehen mit welchen Unternehmen in welchem Umfang bis zu welchem Jahr?
- Wie sieht der Kontakt Unipers mit Organisationen und betroffenen Gemeinden aus? Informiert sich Uniper vor Ort? Hat Uniper mit Betroffenen gesprochen und wenn ja wann, mit wem und worüber?
- Fragen zum „Just Transition Framework“ und „Just Transition Statement“: Was ist hier konkret in Bezug auf die Kohlelieferketten und den Strukturwandel/Kohleausstieg entlang Ihrer Kohle-Lieferketten geplant?
- Erkennen Sie eine historische Verantwortung gegenüber den vom Kohleabbau betroffenen Gemeinden insbesondere in Kolumbien und Südafrika an und wenn ja, in welcher Form?
Fragen zu Datteln 4:
Im Geschäftsbericht schreiben Sie auf S. 296: „Im Zusammenhang mit der Kündigung eines langfristigen Vertrags zur Vermarktung eines Teils der Kapazität des Kraftwerks Datteln 4 und der dadurch deutlich geringeren zu erwartenden Erlöse aus dem Kraftwerksbetrieb wurde im dritten Quartal 2024 eine außerplanmäßige Wertminderung in Höhe von 159 Mio € erfasst.“
- Wer genau hat hier was gekündigt? Wer hat nun noch langfristige Abnahmeverträge des Stroms aus Datteln 4, gehört die Deutsche Bahn hier weiterhin dazu?
- Mit welchem Wert in Euro steht Datteln 4 aktuell bei Ihnen in der Bilanz?
- Mit welcher Auslastung rechnen Sie dieses Jahr und in den nächsten Jahren?
- Herr Lewis, was genau bedeutet es, dass in den Bezug auf den Verkaufsprozess von Datteln 4 – ich zitiere: „alle Maßnahmen wirtschaftlich solide, mit Augenmaß und in enger Abstimmung mit den Behörden“ erfolgen?
- Was ist der aktuelle Stand zum Verkaufsprozess? Sind sie hier schon mit konkreten Käufern in Verhandlungen? Wenn ja, mit wem?
- Datteln 4 steht immer wieder still, u.a. wegen eines Transformatorbrandes. Dazu kommt der jahrelange Rechtsstreit zu der Frage, ob das Kraftwerk überhaupt legal erbaut worden ist. Wie wirkt sich das auf den Verkaufsprozess aus?
- Ist ein Kohleausstieg bis 2030 Teil der Gespräche mit potentiellen Käufern?
- Könnten Sie sich vorstellen, zusammen mit der Bundesregierung über einen Verkaufsprozess abzustimmen, der einen schnellen, sozial-gerechten Schließungsplan für das Kohlekraftwerk vorsieht?
Kosten Berichtspflichten
Bisher gab es keine verbindlichen Vorgaben für Nachhaltigkeitsberichte. Deswegen sollte seriöse Kritik an den anfallenden Kosten in Relation zu den bisherigen und langfristig anfallenden Kosten sowie den allgemeinen Kosten der Finanzberichterstattung geäußert werden.
Derzeit stellen viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte um auf die neuen Vorgaben der EU im Rahmen des European Green Deals – konkreter: die Umsetzung der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, CSRD. Die Einführung bzw. Umstellung mag zunächst zusätzliche Kosten verursachen, die aber im Blick auf ihren langfristigen Nutzen verhältnismäßig und gerechtfertigt sind. Doch wie hoch diese Kosten tatsächlich für verschiedene Großunternehmen sind, insbesondere im Vergleich zu sonstigen Kosten der Finanzberichterstattung, ist derzeit schlicht nicht bekannt.
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten (Vollkosten sind optional) im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Finanzberichterstattung nach HGB und IFRS? Dies bezieht sich nur auf alle Kosten, die für die Konzernabschlüsse anfallen.
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr 2024 und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Berichterstattung nach den ESG-Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) oder, wenn die ESRS nicht genutzt wurden, dann einem anderen verwendeten Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (z. B. GRI, ISSB)?
- Wie hoch waren Ihre gesamten finanziellen Aufwendungen für Werbung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr?
Aktionärsrechte und virtuelle Hauptversammlung
Unsere Begründung, warum wir diese Ermächtigung des Vorstands ablehnen, bleibt auch nach zwei Jahren Erfahrungen mit virtuellen Hauptversammlungen unverändert: Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung – und nicht der Vorstand – darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen.
Die Hauptversammlung sollte darüber entscheiden können, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.
Höchst problematisch ist allgemein das von Aktionärsseite schwindende Interesse an Hauptversammlungen, wenn diese nur virtuell stattfinden. Viele schalten ihren Computer erst gar nicht an, dies ist auch ein Abstimmen mit den Füßen über dieses Format.
Daher kritisieren wir auch die Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat, die diesjährige Hauptversammlung rein virtuell durchzuführen.
- Haben Sie konkret geprüft oder planen Sie, eine hybride Hauptversammlung durchzuführen, an der sowohl in Präsenz als auch digital teilgenommen werden kann?
- Was wären die Mehrkosten einer hybriden Hauptversammlung gegenüber eine virtuellen oder Präsenz-Hauptversammlung?
- Wie sehen dahingehend Ihre Pläne für die Hauptversammlung 2026 aus?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.