„Höchstens ein dünner, grüner Farbanstrich“: Rede von Sonja Meister, urgewald

Mein Name ist Sonja Meister, ich bin Campaignerin für Energieunternehmen bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald. Ich spreche heute als Aktionärsvertreterin des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Sehr geehrter Herr Lewis, vielen Dank für Ihre Rede. Ich war erstaunt zu hören, dass schon in gut sechs Jahren die Farbe des Uniper Portfolios von grau auf grün gewechselt haben soll. Dass kann dann aber höchstens ein dünner, grüner Farbanstrich sein, mit dem zum Beispiel die neuen Gaskraftwerke angemalt werden. Denn was ich in ihrer Strategie und dem Geschäftsbericht sehe, ist bei allen Ambitionen vor allem ein fossiles Weiter so.

Uniper hat 2023 immer noch 84% seines Stroms aus fossilen Energien und Atom erzeugt. Etwa 8 Milliarden will Uniper jetzt in Wachstum und Transformation investieren, das ist zu wenig für einen echten Umschwung weg von fossilem Gas. Dieses Geld geht außerdem keineswegs nur in Erneuerbare und grünen Wasserstoff. Leider scheint ein erheblicher Teil der Gelder in fossiles Gas gehen zu sollen sowie in Luftschlösser wie CCS und Wasserstoffspeicher.

Uniper operiert immer noch unter begrenzten finanziellen Rahmenmöglichkeiten. Ich hoffe sehr, dass durch die bessere finanzielle Lage bald mehr in erneuerbare Energien fließen kann. Aber auch dann wird es nur eine echte Transformation geben, wenn Uniper keinen weiteren Cent mehr in fossiles Gas steckt.

Uniper hat angekündigt, neue flexible Gaskraftwerke bauen zu wollen. Diese werden Uniper auf lange Sicht weiter von fossilem Gas abhängig machen. Denn es ist technisch noch völlig unklar, ob diese wirklich bis 2035 auf grünen Wasserstoff umgestellt werden können. Grüner Wasserstoff wird absehbar ein teures und rares Gut bleiben, das kaum in der Größenordnung vorhanden sein wird, um in Kraftwerken als Brennstoff wirtschaftlich eingesetzt zu werden.

Das Uniper im Kontext der Gaskraftwerke auch von CCS und Offsetting spricht, macht es nur noch schlimmer. Denn das Offsetting keine Lösung ist, ist bekannt. CCS ist eine hochumstrittene Technologie, die seit Jahrzehnten gescheitert und gerade bei Gaskraftwerken äußerst ineffizient ist.

Meine Fragen hierzu:

-Sollen Investitionen für den Neubau von flexiblen Gaskraftwerken auch aus den geplanten 8 Milliarden Euro kommen, die bis 2030 für Wachstum und Transformation eingeplant sind? Wenn ja, in welcher Größenordnung?

-Wie viel von den geplanten 8 Milliarden Euro sollen in Wind und Solar sowie grünen Wasserstoff gehen?

-Wie viel davon in LNG Infrastruktur, Gaskraftwerke, blauen oder anderen fossilen Wasserstoff, CCS oder Wasserstoffspeicher?

-Falls sie hier nicht mit genauen Beträgen antworten können, wäre auch eine grobe Einordnung (Hälfte, ein Drittel oder Ähnliches) eine gute Antwort.

-Welche der drei angegebenen Optionen für die Umstellung der Gaskraftwerke (grüner Wasserstoff, CCS, Offsetting) hält Uniper für die wahrscheinlichste Variante? Ist eine davon nach Meinung Unipers bis 2035 in der Lage, Gaskraftwerke ersetzen zu können?

Beim Lesen ihrer Geschäftsberichte fiel mir auf, dass der „eigene Planungsfall“ für Unipers Klimaszenario in einem entscheidenden Punkt nicht mit dem 1,5-Grad Netto-Null Szenario der IEA übereinstimmt. Das Netto-Null-Szenario geht von einem weitaus schnelleren Rückgang der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen aus, insbesondere bei der Nachfrage nach Erdgas im Stromerzeugungssektor.

-Wieso kommt Uniper im „eigenen Planungsfall“ zu der Annahme, dass der Rückgang der Nachfrage nach fossilen Energien wesentlich langsamer ist als im Netto-Null Szenario? Rechnet sich Uniper hier das eigene, wesentlich auf Gas basierende Geschäftsmodell mit dem eigenen Planungsfall schön?

-Plant Uniper, wie es klimakonform bis 2035 komplett aus fossilem Gas aussteigen wird? Oder gibt es andere, konkrete Pläne, bis wann der Gasausstieg bei Uniper abgeschlossen sein soll?

-Wird Uniper weiter Gaslieferverträge abschließen, die über das Jahr 2035 hinaus gehen?

-In welchen Umfang plant Uniper eine Erweiterung des Flüssiggasgeschäftes? Wann ist der Peak erreicht, und wird es noch ein Wachstum in diesem Bereich in den nächsten Jahren geben?

Uniper hat langfristige Lieferverträge mit der staatlichen Ölgesellschaft Aserbaidschans, SOCAR. Bis 2045 will Uniper SOCAR fossiles Gas abkaufen. 2045 liegt natürlich weit hinter dem Datum eines klimakompatiblem, weltweiten Gasausstiegs, der in Deutschland sogar bis 2035 erfolgen müsste. Das sollte bekannt sein. Ich will hier vor allem auf die Lage in Aserbaidschan eingehen, die sich erheblich zugespitzt hat.

Als staatlicher Öl- und Gaskonzern untersteht der Konzern direkt dem aserbaidschanischen Diktator Aliyev. Der Konzern trägt mit seinen Gewinnen zum Staatshaushalt bei. Die monatelange Blockade Berg-Karabachs führte zu einer humanitären Notlage, und die Eroberung zur Flucht von etwa 100.000 Menschen. Aserbeidschan läuft in den oberen Rängen der repressiven und korrupten Regimes weltweit.

Wiederholt haben wir nach den Ergebnissen der Überprüfung ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber SOCAR gefragt. Wir haben nicht verstanden, wieso Uniper weiter an dieser Geschäftsbeziehung festhält. Jetzt verstehen wir es noch weniger.

Man kann bei einem Staatskonzern wie SOCAR nicht nur die üblichen due diligence Kriterien abhaken. Unipers Gashandel mit SOCAR trägt zu den Einnahmen des menschenrechtsverletzenden Regimes bei, das die humanitäre Krise in Bergkarabach verursacht hat. Uniper muss sich anschauen, wie Diktator Alijev die Einnahmen aus den Gasverkäufen verwenden kann, nämlich zur Finanzierung des aserbaidschanischen Militärs und zum Aufrechterhalten des Regimes. Ich war geschockt zu sehen, dass ungeachtet der Blockade und Eroberung Bergarabachs Uniper weiter Gespräche mit SOCAR geführt hat. Zeitungsberichten nach hat Uniper im Dezember 2023, also kurz nach der Eroberung Bergkarabachs, mit SOCAR ein Kooperationsprogramm für 2024 abgeschlossen. Uniper ist anscheinend entschlossen, seine Geschäftsbeziehung zu SOCAR weiter auszubauen. Dabei wäre es mehr als an der Zeit, diese Geschäftsbeziehung zu beenden, und in keinem Fall noch zu vertiefen.

Meine Fragen lauten daher:

-Was hat ihre letzte due von SOCAR ergeben? Was wird genau in dieser Prüfung bewertet?

-Werden die Auswirkungen der direkten Kontrolle von SOCAR durch das aserbeidschanische Regime und die Finanzierung des Staatshaushalt und damit auch des aserbeidschanischen Militärs in die Prüfung mit einbezogen? Gehen in die Bewertung auch die Menschenrechtsverletzungen des Regimes ein? Wenn nicht, warum nicht?

-Wird Uniper die Geschäftsbeziehung mit SOCAR nach der Unterzeichnung des Kooperationsprogramms im Dezember 2023 weiter ausbauen? Im Bereich Gas oder eher im Bereich Wasserstoff/Erneuerbare Energien?

-Was müsste das Regime in Aserbeidschan noch tun, damit Uniper dies nicht weiter ausbauen würde?

-Wie viele Verträge mit SOCAR hat Uniper über welche Laufzeiten und welche Mengen an abgenommenem Gas? Ist es nur der Vertrag von 2013 über bis zu 1,5 Milliarden m3 Erdgas bis 2045 oder gibt es noch weitere Verträge?

Sie haben 2023 auf einer HV gesagt, dass ihre Gaslieferungen aus Aserbeidschan ausschließlich aus dem Shah Deniz Gasfeld stammen. Der größte private russische Gas und Ölkonzern Russlands, Lukoil, hat fast 20% Anteile an dem Gasfeld. Lukoil selbst ist nicht von EU-Sanktionen betroffen, trägt aber weiterhin mit höheren Millionenbeträgen pro Jahr zum russischen Staatshaushalt bei.

-Wie bewertet hier Uniper, dass die Gasbezüge aus Aserbeidschan nicht nur den aserbeidschanischen Staat stärken, sondern auch Einnahmen für Lukoil bedeuten, das Steuereinnahmen in den russischen Staatshaushalt abführt?

-Wie viele Jahre reichen die Gasressourcen, die im Shah Deniz Gasfeld liegen? Plant Uniper, den Gasbezug bis 2045 aufrecht zu erhalten, und wenn ja, in welchen Mengen?

Last but not least zu Unipers Liefervertrag mit Woodside und das Gasprojekt Scarborough. Bekanntlich ist das Projekt ist in einem der kulturell und ökologisch bedeutendsten Gebiete Westaustraliens geplant. Wanderrouten von Walen sowie Delfine, Schildkröten und andere Arten sind gefährdet. Woodside hat ab Dezember 2023 seismische Tests durchgeführt. Unterschallschallkanonen erzeugen die lautesten Geräusche im Ozean und stellen eine extreme Gefahr für Wale und viele andere Lebewesen dar.

In Ihrem Geschäftsbericht heißt es, dass Uniper sich, angeregt durch Gespräche mit NGOs und anhaltende Proteste, zu einem Besuch bei Woodside in Australien entschlossen hat. Vertreter von Uniper waren im Oktober 2023 vor Ort und haben sich zu Schutzmaßnahmen für mögliche Umweltauswirkungen erkundigt.

Was sind die spezifischen Ergebnisse der Projektreise von Uniper im Oktober 2023 nach Australien? Wie sieht Uniper die Umweltauswirkungen des Projekts und die Schutzmaßnahmen Woodsides?

-Hat Uniper nur Woodside getroffen? Oder auch Betroffene vor Ort, lokale NGOs oder unabhängige Wissenschaftler? Wenn nicht, plant Uniper dies zeitnah zu tun?

Leider sehe ich weiter grau, wenn ich in die Zukunft Unipers schaue. Ich hoffe aber weiter auf etwas mehr grün, wenn Uniper jetzt die richtigen Weichen weg vom Gas stellt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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