„Sie trainieren für einen Marathon und rauchen dabei jeden Tag eine Schachtel Zigaretten“: Rede von Moritz Leiner, urgewald

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich heiße Moritz Leiner, ich arbeite bei der gemeinnützigen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und vertrete hier heute den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Sie, Herr Lewis, haben in Ihrer Eröffnungsrede ja eine Metapher rund um den Düsseldorf Marathon vor zwei Wochen und Ihrer Teilnahme an einer Staffel bemüht. Ich möchte es Ihnen gleich tun: Stellen Sie sich vor: Sie trainieren für einen Marathon und rauchen dabei jeden Tag eine Schachtel Zigaretten. Sie werden mir zustimmen: das passt wirklich nicht zusammen. Genau das macht Uniper aber aktuell beim Versuch, Netto-Null Emissionen zu erreichen und gleichzeitig weiter in fossile Brennstoffe zu investieren: Statt frische Luft (also: klare Pläne für den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen zu formulieren, setzt Uniper weiter auf Rauchen (also: auf die Ausweitung des Geschäfts mit klimaschädlichem, fossilem Gas). Leider geht es hier nicht um Sport, sondern um unsere Zukunft und die unserer Kinder. Unipers anhaltende fossile Abhängigkeit verschärft die eskalierende Klimakrise und ist nicht vereinbar mit der 1,5°-Grenze.

Unipers Ziel ist es, bis 2040 auf Konzernebene klimaneutral zu sein (Scope 1, 2 und 3). Doch bis 2030 fordern viele IPCC-Szenarien eine weitere Reduktion für Scope-1-, -2- und -3-Emissionen bis 2030, als von Uniper angestrebt. Daher berichtet Uniper keine Übereinstimmung der Ziele für 2030 mit den Anforderungen an eine Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 °C gemäß dem Pariser Abkommen. Zudem hat Uniper 2024 das Ziel der Kohlenstoffneutralität für Scope-1- und -2-Emissionen um fünf Jahre von 2035 auf 2040 verschoben.[1] Begründet wird dies mit einem „zunehmend herausfordernden Marktumfeld[…] und der Verzögerungen bei der Entwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen, insbesondere im Bereich Wasserstoff[2]. Anstatt die ausbleibende Klimatransformation des Konzerns auf fehlende politische und regulatorische Gegebenheiten zu schieben, sollte Uniper selbst Verantwortung übernehmen und das eigene Geschäftsmodell schnellstmöglich an einen 1,5°C-kompatiblen Emissionsreduktionspfad anpassen.

Hierzu frage ich Sie:
    • Müsste Uniper seine Klimaziele in Zeiten eskalierender Klimakrise nicht eher verschärfen statt abschwächen?

    • Warum streben Sie trotz Ihrer erklärten Klimaambitionen keine 1,5°C-Kompatibilität in Übereinstimmung mit den 1,5°C-Szenarien von IPCC und IEA an? Wie passt das zusammen mit dem Klimaschutzgebot bei der Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen?

    • Bis wann wollen Sie Uniper auf einen 1,5°C-kompatiblen Pfad führen?

Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
Zur Erreichung der Klimaziele wollen Deutschland und die EU in weniger als 20 Jahren so gut wie kein fossiles Gas mehr nutzen. Trotzdem bindet sich Uniper weiterhin langfristig an den Handel mit fossilem Gas. So hat Uniper menschenrechtlich problematische[3] langfristige Gaslieferverträge mit der staatlichen, aserbaidschanischen Ölgesellschaft SOCAR abgeschlossen, die Uniper bis 2045 eine jährliche Gasmenge von bis zu 1,5 Mrd. Kubikmetern Erdgas garantiert. Zudem hat Uniper im September 2024 einen Pipeline-Gasliefervertrag mit ConocoPhillips für bis zu 10 Mrd. Kubikmetern Erdgas über die nächsten 10 Jahre unterzeichnet.[4] Laut Medienberichten will Uniper zudem ab 2027 Erdgaslieferungen von einer rumänischen Tochter des österreichischen OMV-Konzerns über einen Zeitraum von fünf Jahren und einer Menge von insgesamt 15 Terawattstunden beziehen.[5] Bereits 2023 hat Uniper mit dem australischen Unternehmen Woodside einen LNG-Liefervertrag mit einer Laufzeit bis 2039 abgeschlossen.[6] Zusätzlich hat Uniper Mitte April 2025 eine weitere LNG-Liefervereinbarung mit Woodside über zwei Millionen Tonnen pro Jahr bis 2039 unterzeichnet. Die Hälfte dieser LNG-Importe soll von ‚Woodside Energy Trading Singapore‘ kommen, die andere Hälfte von einem neuen US-Exportterminal aus dem US-Bundesstaat Louisiana.[7] Die hohe strukturelle Methanintensität, Umweltrassismus, Verlust von Biodiversität und Bedrohung der Lebensgrundlage für Fischer in Louisiana sind gut dokumentierte Auswirkungen im Kontext von US LNG Exportterminals. Ein Stakeholder-Dialog von deutschen Energieunternehmen und NGOs hat ergeben: LNG – insbesondere Fracking-Gas – weist erhebliche Menschenrechtsrisiken auf. Auf Grundlage des Lieferkettengesetzes sind Förderung, Verarbeitung und Importe von LNG und Fracking-Gas äußerst problematisch. Die strukturellen Menschenrechtsverletzungen müssen dringend adressiert werden.

Meine Fragen zu den Gaslieferverträgen lauten:

  • Wieso hat sich Uniper trotz hoher struktureller Methanintensität, Umweltrassismus, Verlust von Biodiversität und Bedrohung der Lebensgrundlage für Fischer*innen in Louisiana im April 2025 für den langfristigen Deal mit Woodside entschieden und wie adressiert Uniper die potenziellen Umwelt- und Menschenrechtsrisiken im Kontext dieses Deals?
  • Uniper-CCO Carsten Poppinga hat kürzlich erklärt, dass Uniper Wert auf Diversifizierung bei den Gasimporten lege. Das erhöhte Angebot aus den USA könne „nicht dazu führen, dass wir uns in eine totale Abhängigkeit begeben, und das werden wir auch nicht tun“. Wie geht das zusammen mit dem stark ausgeweiteten Handel mit US-LNG? Uniper entscheidet sich mit dem Einkauf von US Fracking-LNG erneut für einen unstabilen und unzuverlässigen Partner. Hat Uniper nichts aus der Vergangenheit gelernt oder hofft das Unternehmen erneut von den Steuerzahler*innen gerettet zu werden?
  • Plant Uniper, weitere Gaslieferverträge abzuschließen, die über das Jahr 2035 oder sogar über das Jahr 2040 hinausgehen?
  • In welchen Umfang plant Uniper eine Erweiterung des Flüssiggasgeschäftes?
  • Können Sie die Medienberichte über Unipers Erdgasbezüge von einer rumänischen Tochter des österreichischen OMV-Konzerns zudem ab 2027 über einen Zeitraum von fünf Jahren und einer Menge von insgesamt 15 Terawattstunden bestätigen?
  • Laut aktuellen Medienberichten soll der argentinische Gasexporteur YPF mit drei deutschen Unternehmen in Verhandlungen zu möglichen Langzeit-Gasverträgen sein. Ist Uniper hier beteiligt?

Außerdem zum Themenkomplex ‚Schadensersatzzahlungen aufgrund gekündigter russischer Gaslieferverträge‘: Uniper wurde vom zuständigen Schiedsgericht Schadensersatz in Höhe von mehr als 13 Mrd. € für die seit Mitte 2022 von Gazprom Export nicht mehr gelieferten Gasmengen zugesprochen. In Ihrem Dienstag veröffentlichten Quartalsbericht hieß es zur Gewinn- und Verlustrechnung: „Darüber hinaus sind Erträge aus Vollstreckungsmaßnahmen gegen Gazprom Export enthalten“.

  • Wie hoch sind diese Erträge?

Ein Uniper-Sprecher sagte am Dienstag, etwaige eingezogene Beträge würden abzüglich bestimmter Kosten an die Bundesregierung weitergeleitet.

  • Werden die an den Bund weitergeleiteten Erträge aus Vollstreckungsmaßnahmen gegen Gazprom Export als Teil der Rückzahlungen von Uniper an den Bund in Folge des Hilfspakets vom Bund an Uniper in Höhe von 13,5 Milliarden Euro gerechnet? Oder sind die Hilfspaket-Rückzahlungen an den Bund unabhängig von den Weiterleitungen der Erträge aus Vollstreckungsmaßnahmen gegen Gazprom Export?

Zusätzlich zum Gashandel-Geschäft plant Uniper aktuell außerdem den Bau neuer fossiler Gaskraftwerke. Sie, Herr Lewis, drängten die deutsche Bundesregierung in letzter Zeit verstärkt dazu, einen schnellen und starken Ausbau von Gaskraftwerkskapazitäten in Deutschland zu ermöglichen. Sie rechtfertigen das mit der Notwenigkeit, Versorgungssicherheit sicherzustellen, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend liefern.

Doch nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur muss der Stromsektor in den EU- und OECD-Ländern bis zum Jahr 2040 und im Rest der Welt bis zum Jahr 2045 dekarbonisiert werden, damit die Welt innerhalb der Grenzen des 1,5-Grad-Limits von Paris bleibt.

Zwar bringt Uniper bei der Diskussion um den Bau neuer fossiler Gaskraftwerke immer wieder eine künftige Umstellung auf Wasserstoff bzw. die Ergänzung einer CO2-Abscheidung (CCS) ins Spiel. Doch Gaskraftwerke mit CCS sind in großem Maßstab unerprobt, ineffektiv und teuer. Eine Umstellung auf fossilen, sogenannten ‚blauen‘ Wasserstoff ist auch sehr klimaschädlich. Die Umstellung auf durch Erneuerbare Energieträger erzeugten ‚grünen‘ Wasserstoff ist zweifelhaft, denn dieser wird absehbar nur in sehr geringen Mengen verfügbar sein. Zudem ist die Verbrennung von Wasserstoff zur Stromerzeugung wenig effizient. Unter dem Strich bedeutet der Bau neuer fossiler Gaskraftwerke eine langfristige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Stattdessen sollte sich Uniper darauf konzentrieren, saubere Lösungen auszubauen, die die Kosten senken, heimische erneuerbare Energien fördern und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffimporten aus teils undemokratischen Regimen beenden können.

Meine Fragen hierzu lauten:

  • Plant Uniper, wie es klimakonform wäre, bis 2035 komplett aus fossilem Gas auszusteigen? Oder gibt es andere, konkrete Pläne, bis wann der Gasausstieg bei Uniper abgeschlossen sein soll?
  • Mit was für einem Auftragsvolumen rechnet Uniper durch mögliche Aufträge der Bundesregierung für den Bau von neuen Gaskraftwerken in Deutschland?
  • Mit was für einem Auftragsvolumen rechnet Uniper durch mögliche Aufträge im Bereich Gaskraftwerke mit CCS im Geschäftsjahr 2025? Gibt es bereits Projekte in der Pipeline? Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass Ihre laufenden CCS-Projekte in UK aufgrund von technischen oder Kostenproblemen weniger rentabel werden oder gar komplett scheitern?
  • Mit was für einem Auftragsvolumen rechnet Uniper durch mögliche Aufträge im Bereich ‚wasserstofffähige‘ Gaskraftwerke im Geschäftsjahr 2025? Gibt es bereits Projekte in der Pipeline? Wie viel Wasserstoffbeimischung ist aus Ihrer Sicht bis Ende 2025 bis 2030 sowie bis 2035 möglich?
  • Zu wasserstofffähige Gaskraftwerke heißt es im Geschäftsbericht: „Der Betrieb dieser wasserstofffähigen Kraftwerke, die zunächst auf Erdgas basieren, würde bis zur Umstellung auf Wasserstoff zu zusätzlichen Emissionen in Scope 1 beitragen. Darüber hinaus bestehen nach wie vor einige erhebliche Unsicherheiten, unter anderem das Inbetriebnahmedatum solcher wasserstofffähigen Anlagen und die allgemeinen Veränderungen der Rohstoffmärkte. Wenn die Inbetriebnahme vor oder im Jahr 2030 erfolgt und/oder eine Marktentwicklung eine stärkere Nutzung der verbleibenden fossilen thermischen Anlagen von Uniper unterstützt, können zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein, um zu verhindern, dass die Emissionen das Zielniveau überschreiten.“ Was sind solche zusätzlichen Maßnahmen konkret?

Außerdem folgende Fragen zum Thema ‚Kosten der Stilllegung von Gasinfrastrukturen‘:

  • Wie hoch beziffert Uniper die kurz-, mittel- und langfristigen Kosten für die Stilllegung von Unipers Gasinfrastruktur?
  • Werden für die Stilllegung und den sozial und ökologisch verträglichen Rückbau finanzielle Mittel zurückgelegt? Falls ja, wie hoch sind diese Rücklagen? Wie hoch werden diese Rücklagen in 2030 und 2035 ungefähr sein?
  • Besteht eine Gefahr, dass die Rücklagen nicht ausreichen und Uniper eventuell abermals vor einer Insolvenz stehen könnte?
  • Besteht ein Risiko, dass die Kosten für Ewigkeitskosten aus dem Geschäft mit Gasinfrastruktur auf die Steuerzahler*innen abgewälzt werden könnten während die Gewinne privatisiert werden?

Nun zum Thema fossilen Subventionen und hohen Lobbyausgaben:Laut einer Analyse von Beyond Fossil Fuels (2025) auf Basis von Daten von Aurora zu Kapazitätsmärkten in Europa[8] hat Uniper bereits ca. 1 Milliarde Euro an Kapazitätszahlungen durch den britischen Kapazitätsmarkt für seit 2015 vergebene Verträge erhalten. Hierdurch wurden fossile Infrastrukturen auf Kosten ambitionierter Klimaziele aufgebaut. Eine Auswertung des Lobbyregisters[9] durch Lobbycontrol vom März 2025 zeigt zudem: mit mindestens 2,5 Millionen Euro Lobbyausgaben befindet sich Uniper unter den Top 10 Unternehmen in Deutschland mit den höchsten Lobbyausgaben.

Meine abschließenden Fragen hierzu lauten:

  • Wie viel Geld hat Uniper nach Ihrer Einschätzung an Kapazitätszahlungen durch den britischen Kapazitätsmarkt für seit 2015 vergebene Verträge erhalten?
  • Hat Uniper seit 2021 aus Zahlungen durch Kapazitätsmechanismen in anderen Ländern außer UK Geld erhalten? Falls ja, wie viel? Bitte nach Land aufschlüsseln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und die Beantwortung meiner Fragen.


[1] https://www.uniper.energy/system/files/2025-03/2025_02_25_GJ_2024_Uniper_Geschaeftsbericht.pdf , S.11

[2] https://www.uniper.energy/system/files/2025-03/2025_02_25_GJ_2024_Uniper_Geschaeftsbericht.pdf , S.11

[3] Unipers Gashandel mit SOCAR, dem staatlichen Ölkonzern Aserbaidschans, trägt zu den Einnahmen des menschenrechtsverletzenden Regimes bei. Aserbaidschan hat 2024 den Kontext der Klimaverhandlungen für fossile Geschäfte genutzt. Anstatt den Gasbezug aus Aserbaidschan einzustellen, scheint Uniper die Beziehungen laut Medienberichten durch eine im Dezember 2023 unterzeichnete neue Kooperationsvereinbarung sogar ausbauen zu wollen.

[4] https://www.uniper.energy/news/de/uniper-und-conocophillips-verlaengern-langfristige-partnerschaft-zur-gasversorgung-in-nordwesteuropa , S.149

[5] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiekonzern-uniper-schliesst-laut-insider-gasliefervereinbarung-mit-omv-tochter/100099165.html

[6] Das Projekt ist in einem der kulturell und ökologisch bedeutendsten Gebiete Westaustraliens geplant. Die Gasproduktion findet im Meer in einem äußerst sensiblen Ökosystem statt. Wanderrouten von Walen sowie Delfine, Schildkröten und andere Arten sind gefährdet. Am Standort der Gasverarbeitung können die Emissionen außerdem weltweit bedeutsame Felskunst der Aborigines beschädigen. Sie besteht aus über einer Million Felsritzungen, die mindestens 40.000 Jahre alt sind, darunter das älteste Bild eines menschlichen Gesichts.

[7] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energie-uniper-kauft-13-jahre-lang-fluessiggas-bei-australischem-konzern/100122183.html

[8] https://auroraer.com/wp-content/uploads/2025/01/Capacity-Remuneration-Mechanisms-Report-Aurora-BFF-January-2025.pdf

[9] https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/7-zu-81-uebermacht-der-wirtschaftslobby-120045/

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