Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 2: Beschlussfassung über die Gewinnverwendung der Volkswagen Aktiengesellschaft

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre schlägt vor, vom Bilanzgewinn der Volkswagen Aktiengesellschaft aus dem Geschäftsjahr 2017 in Höhe von 2.180.723.823,21 Euro jeweils einen Teilbetrag von

a) 425.145,10 Euro zur Zahlung einer Dividende von 1,95 Euro je dividendenberechtigter Stammaktie und

b) 408.286.781,10 Euro zur Zahlung einer Dividende von 1,98 Euro je dividendenberechtigter Vorzugsaktie zu verwenden sowie

c) 210.000.000,00 Euro in die Anderen Gewinnrücklagen einzustellen und

d) 3.299.970,81 Euro auf neue Rechnung vorzutragen.

e) Die durch Halbierung der Dividende frei werdende Summe von 982.711.926,20 Euro soll zur Erhöhung von Rückstellungen der Volkswagen Aktiengesellschaft verwendet werden.

Begründung:

Insbesondere Kundinnen und Kunden außerhalb der USA, die VW-Diesel-Modelle im Vertrauen gekauft haben, dass diese die vorgeschriebenen Grenzwerte im Realbetrieb einhalten, müssen entschädigt werden, so dass der Wertverlust ihrer Fahrzeuge ausgeglichen wird, sofern Volkswagen nicht in der Lage oder nicht willens ist, ihre Fahrzeuge nachzurüsten. Weitere Ausführungen zur Nachrüstung finden Sie in unserem Gegenantrag zum Tagesordnungspunkt 3.

Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2017 nicht zu entlasten.

Begründung:

Immer neue Skandale dringen aus dem Konzern an die Öffentlichkeit und schädigen den ohnehin schon angeschlagenen Ruf des Konzerns und seiner Marken weiter. Der Vorstand scheint die Taktik zu verfolgen, dass immer nur das zugegeben wird, was bereits gerichtsfest nachgewiesen wurde. Nach wie vor hohe finanzielle Rückstellungen lassen vermuten, dass auch der Vorstand der Volkswagen AG nicht damit rechnet, dass der Abgasskandal vollends ausgestanden ist.

Volkswagen verfolgt in Europa nicht das Ziel, die vom Konzern verkauften Dieselfahrzeuge so nachzurüsten, dass sie ihre gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte auch auf der Straße einhalten. Die vom Kraftfahrbundesamt angeordneten Software-Updates sollen lediglich dafür sorgen, dass die Fahrzeuge der aktuellen Rechtsauffassung des Kraftfahrtbundesamts entsprechen. Ob diese langfristig Bestand hat oder ob zumindest ein Teil der betroffenen Fahrzeuge nicht doch mit wirksamen Abgasminderungssystemen nachgerüstet werden muss, ist aktuell noch völlig offen.

Vorstand muss Einhaltung der Abgas-Grenzwerte im Realbetrieb gewährleisten
Der Vorstand der Volkswagen AG muss gewährleisten, dass alle Fahrzeuge des Konzerns so nachgerüstet oder nachgebessert werden, dass sie ihre gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte auch beim realen Betrieb auf der Straße einhalten. Gegebenenfalls muss die Nachrüstung mit zusätzlich eingebauten Stickoxidminderungssystemen durchgeführt werden, um die Besitzer*innen von Diesel-Fahrzeugen des Konzerns vor drohenden Fahrverboten und Wertverlusten zu bewahren.

Die VW Umweltprämie, mit der nach Werksangaben bereits mehr als 170.000 Fahrzeuge abgesetzt wurden, dient nicht der Umwelt, sondern soll dafür sorgen, dass Privatkund*innen überhaupt noch zu einem Diesel-Neufahrzeug des Konzerns greifen. Warum sonst sollte die Prämie einzig für den Kauf von neuen Dieselfahrzeugen ausgezahlt werden? Der Vorstand der Volkswagen AG muss neben den Nachrüstungen der Bestandfahrzeuge auch dafür sorgen, dass alle Neufahrzeuge des Konzerns den gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich genügen, das gilt für alle Fahrzeuge und alle Antriebsvarianten. Mit jedem zusätzlichen Diesel-Fahrzeug, das nicht den Anforderungen der Abgasnorm Euro 6d, oder zumindest 6d-temp genügt, macht sich der Konzern weiter mitschuldig an den hohen Stickoxidbelastungen der Bürger*innen.

Unwürdige Versuche an Menschen und Tieren
Statt dafür zu sorgen, dass alle Fahrzeuge des Konzerns allen gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich entsprechen, sollte mit unwürdigen Untersuchungen an Mensch und Tier die Unschädlichkeit von Luftschadstoffen bewiesen und damit die seit Jahren festgelegten und politisch anerkannten gesetzlichen Grenzwerte als überzogen dargestellt werden. Dies ist nicht zu akzeptieren und darf sich nicht wiederholen.

Statt sich auch bei der Modellpolitik an den in unterschiedlichen Teilen der Welt unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben zu Verbrauch und den damit unmittelbar zusammenhängenden CO2-Emissionen zu orientieren, war das Ziel, vor allem große und schwere Fahrzeuge mit hohen Gewinnmargen zu verkaufen. Gut für Umsatz und Gewinn, aber mit Blick auf die klimatischen Herausforderungen völlig kontraproduktiv. Der Vorstand hat bereits in der Vergangenheit falsche Entscheidungen bezüglich Produktpalette und Antriebe der Fahrzeuge getroffen.

Nicht zuletzt die Mitarbeiter*innen der Volkswagen AG selbst geben das beste Argument, das gegen eine Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2017 spricht. Von 51.000 Befragten halten rund 2/3 die Arbeit des Vorstands für „nicht überzeugend“.


Zu Tagesordnungspunkt 4, Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2017 nicht zu entlasten.

Begründung:

Gefährdung der Zukunft des Konzerns
Mit der Entscheidung, den bisherigen Vorstandsvorsitzenden kurz vor der Hauptversammlung zu ersetzen, soll der Anschein eines Neuanfangs im Konzern vermittelt werden. Gleiches galt aber auch, als Matthias Müller das Amt 2015 übernahm. Dass dieser nun bis 2020 weiterhin Bezüge im zweistelligen Millionenbereich erhält, ist nur eines der Versäumnisse des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat ließ den Vorstand mit seiner Taktik, immer nur solche Versäumnisse zuzugeben, die bereits gerichtsfest nachgewiesen waren, gewähren und hat somit die Zukunft des Konzerns gefährdet. Auch dass die vom Konzern durchgeführten Software-Updates bei Diesel-Bestandfahrzeugen weder Fahrverbote für die betroffenen Fahrzeuge, noch Wertverluste vermeiden, musste dem Aufsichtsrat bewusst sein. Wer solche Entscheidungen absegnet, statt sich mit aller Kraft für eine lückenlose Aufklärung aller Aspekte des Diesel-Abgasskandals und eine kundenorientierte und vor allem wirksame Lösung der Probleme einzusetzen, kann nach unserer Auffassung nicht entlastet werden.

Aufsichtsrat hat Kartellabsprachen mit anderen deutschen Autoherstellern nicht unterbunden

VW sowie Audi und Porsche haben seit den 1990er Jahren Kartellabsprachen mit anderen deutschen Autoherstellern getroffen, darunter Details zu Fahrzeugentwicklung, Preisen und Zulieferer, so „Der Spiegel“ im Sommer 2017. Der Ausgang des Kartellverfahrens, das die EU-Kommission seitdem gegen VW und andere Autohersteller führt, ist noch nicht abzusehen, die Ermittlungen laufen weiter. Der Aufsichtsrat ist auch in dieser Hinsicht seinen Kontrollpflichten nicht nachgekommen, diese Absprachen, die sowohl den Kundinnen und Kunden als auch dem Unternehmen schaden, aufzudecken und zu unterbinden.

Versäumnisse bei der Aufarbeitung der Kollaboration mit der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985)

Eine besondere Rüge verdient der Aufsichtsrat, da er es versäumt hat, den Vorstand anzuweisen, mit Nachdruck historische Verantwortung für die Kollaboration von VW do Brasil mit der brasilianischen Militärdiktatur zu übernehmen. Nach Erscheinen der Studie des Historikers Christopher Kopper zur Verstrickung von Volkswagen do Brasil in die Gräueltaten der Militärdiktatur hätte der Konzern auf die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter zugehen, öffentlich um Entschuldigung  bitten und angemessene Entschädigungszahlungen anbieten müssen.

VW hat im Dezember 2017 den Bericht des Historikers Christopher Kopper zur Verstrickung von VW do Brasil in die brasilianische Militärdiktatur veröffentlicht. VW räumte in der Pressemitteilung dazu ein, dass es „eine Zusammenarbeit zwischen einzelnen Mitgliedern des Werkschutzes von Volkswagen do Brasil und der Politischen Polizei (DOPS) des früheren Militärregimes“ gegeben habe, dass aber andererseits „jedoch keine klaren Beweise gefunden w[u]rden, dass die Zusammenarbeit auf einem institutionellen Handeln seitens des Unternehmens basiert“. Diese Einzeltäterthese trifft aber nach Quellenlage sowie den Untersuchungen von Christopher Kopper als auch der im Auftrag der brasilianischen Staatsanwaltschaft erstellten Untersuchung von Guaracy Mingardi zufolge nicht zu: Laut dem Kopper-Bericht erfolgte die Informationsweitergabe über potenzielle Oppositionelle seitens des VW-Werkschutzes „mit dem stillschweigenden Wissen des Vorstands“.

Wenn also der Vorstand von VW do Brasil über die Zusammenarbeit mit den Schergen des Folterregimes Bescheid wusste, und damals, wie Christopher Kopper schreibt, „der Einsatz von Folter durch die politische Polizei bereits in der brasilianischen und in der deutschen Öffentlichkeit bekannt war“, dann hat der damalige Vorstand von VW do Brasil wissentlich und billigend in Kauf genommen, dass sein ihm weisungsgebunden unterstellter Werkschutz Menschen der Folter ausgeliefert hat. Wann, wenn nicht in diesem Fall, sollte von Beihilfe zur Folter gesprochen werden?

Die Süddeutsche Zeitung (16.2.1973) zitierte den damaligen VW do Brasil-Chef, Werner Paul Schmidt: „Sicher foltern Polizei und Militär Gefangene, um wichtige Informationen zu erlangen, sicher wird beim Politisch-Subversiven oft gar kein Gerichtsverfahren mehr gemacht, sondern gleich geschossen, aber eine objektive Berichterstattung müßte jedesmal dazufügen, daß es ohne Härte eben nicht vorwärtsgeht. Und es geht vorwärts.“ Dem VW do Brasil-Vorstand war also durchaus vollumfänglich bekannt, dass Brasiliens Regime foltern und morden ließ. Er wusste, was mit den Menschen passierte, nachdem VW do Brasil Informationen über diese Personen an das Folterregime weitergab. Der Mingardi-Bericht hat zudem herausgefunden, dass Informationen an die brasilianischen Geheimdienste vor der Freigabe über den Schreibtisch des VW do Brasil-Chefs Wolfgang Sauer gingen. Wie das nicht als vorsätzliche und wissentliche Beihilfe zur Folter gewertet werden kann und VW weiterhin von einer Einzeltäterthese ausgeht, erschließt sich uns Kritischen Aktionärinnen und Aktionären nicht.

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