„Ich würde nicht argumentieren müssen, dass das Gewinnversprechen so groß war, sodass ich wegschauen musste, während Uiguren vernichtet wurden.“


Rede von Kendyl Salcito, Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation NomoGaia

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand, sehr geehrter Aufsichtsrat,

mein Name ist Kendyl Salcito, ich bin Geschäftsführerin von NomoGaia und Mitverfasserin des Berichts „Driving Force“. In diesem Bericht verbinden wir die Lieferketten der Automobilindustrie mit der Region Xinjiang, wo Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden.

Sie wollen die westliche Autoindustrie in das Zeitalter der Elektroautos führen. Sie investieren in großem Umfang in eine grüne Zukunft. Ihre Strategie priorisiert China, dann folgen Europa und Nordamerika. China hat die Umstellung auf E-Autos vorgeschrieben. China ist nun Ihr größter Einzelmarkt, mit über einem Drittel Anteil an Ihrem weltweiten Absatz und 38 Prozent der Produktionsanlagen. Scania verlagert mehr Produktion nach China, und Sie bauen in Anhui und Changchun neue Werke für E-Autos. Aus geschäftlicher Sicht scheint dies eine sichere Sache zu sein.

Doch die chinesische Regierung begeht in Xinjiang Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Industrieunternehmen werden Uiguren im arbeitsfähigen Alter vom chinesischen Staat zum Arbeiten gezwungen. Auch Zulieferer von Ihnen setzen Arbeitskräfte aus diesen staatlichen Programmen ein.

Ältere Uiguren werden in Pflegeeinrichtungen geschickt und von ihrem angestammten Land enteignet. Kinder werden in Internate gesteckt, in denen nur Mandarin gesprochen wird.

Sie betreiben ein Werk in Urumchi. Sie haben auch ein Lagerhaus von der berüchtigten Ausbeuterfirma Guanghui gekauft. Sie beziehen Aluminium von Xinjiang Joinworld, welches uigurische Zwangsarbeiter zum Nähen seiner Uniformen und zur Arbeit in seinen Schmelzhütten einsetzt. Durch Ihre Beziehungen zu CATL und Ganfeng, die Batterien für Elektrofahrzeuge herstellen, haben Sie den Metalllieferanten Xinjiang Nonferrous Group in Ihrer Lieferkette. Diese Firma hat in ihren abgelegenen Kupferminen die Verbrechen der Familientrennung und Kollektivbestrafung eingeführt. Volkswagen hat auch über 23 Millionen Quadratmeter uigurisches Land in Turpan, Xinjiang, für eine Wärmeprüfanlage erworben.

In Ihrem Jahresbericht schreiben Sie, dass Sie Risikobewertungen zu Menschenrechten für 802 Zulieferer weltweit durchgeführt und abgeschlossen haben. Wie viele dieser Bewertungen ergaben Menschenrechtsrisiken, die weitere Prüfungen erfordern?

Sie haben ein System zur Bewertung Ihrer Lieferketten. Wie viele Hochrisiko-Lieferketten bzw. Hochrisiko-Zulieferer wurden ermittelt? Wie gehen Sie mit diesen Hochrisiko-Lieferanten um? Können Sie uns bitte die Namen dieser Zulieferer nennen?

Was hat Ihr System in Bezug auf Ihre Lithium- und Kobalt-Lieferketten festgestellt, was die Beschaffung aus indigenen Gebieten in Lateinamerika oder die Verarbeitung in China betrifft?

Nordamerikanische und europäische Regierungen stellen Risiken in Ihren Geschäftsbeziehungen und Lieferketten fest. Etliche staatliche Behörden haben die Einfuhr von Waren, die ganz oder teilweise unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden, in ihre Märkte verboten. Welche Geschäfts- oder Menschenrechtsrisiken haben Sie mit Ihren Instrumenten im Zusammenhang mit diesen Gesetzen festgestellt? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen ziehen Sie daraus? Was unternehmen Sie, um die Risiken für Sie in Zusammenhang mit diesen Gesetzen zu minimieren?

Sie haben sich als Reaktion auf Russlands völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine und die von der westlichen Staatengemeinschaft verhängten Sanktionen aus Russland zurückgezogen. Haben Sie die Kosten für Volkswagen abgeschätzt, wenn ähnliche Sanktionen gegen China verhängt würden? Wie würden Sie Ihre Geschäftsaktivitäten in China anpassen?

Sie haben angedeutet, dass der chinesische Markt zu groß für Sie ist, um ihn aufzugeben. Wie hoch muss der Wert in Dollar oder der prozentuale Wert Ihrer Geschäftsaktivitäten sein, der einen Markt für Sie zu wichtig macht, um ihn nicht zu verlassen?

Ich würde nicht in die Lage kommen wollen, argumentieren zu müssen, dass das Gewinnversprechen so groß war, sodass ich wegschauen musste, während Uiguren durch systematische Programme der kulturellen Auslöschung vernichtet wurden, die auch meine Industriebetriebe und Zulieferer einschlossen. Wie werden Sie diese Entscheidung erklären, wenn sie sich als unrentabel erweisen sollte? Werden Sie uns sagen, dass es sich um Risiken gehandelt habe, die Sie in Ihren 802 Risikobewertungen erkannt, aber als unwesentlich eingestuft hatten? Werden Sie darauf verweisen, dass die Ergebnisse nicht vorhersehbar waren?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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