Sehr geehrter Herr Blume, sehr geehrte Vorstandsmitglieder,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
mein Name ist Haiyuer Kuerban, ich bin Uigure und lebe seit 17 Jahren in Deutschland. Ich repräsentiere Uiguren weltweit, die alles verloren haben, auch ihre Familienangehörigen.
In meiner Heimat Ostturkistan, wie wir Uiguren dazu sagen, bekannt auch als uigurische autonome Region Xinjiang, betreibt die chinesische Regierung ein gesellschaftliches Experiment, das seinesgleichen sucht. Innerhalb kürzester Zeit hat die chinesische Regierung dort einen Hightech-Überwachungsapparat installiert, der biologische und persönliche Daten rund um die Uhr auswertet. Das Ziel: Alles, was im Verdacht steht, uigurisch zu sein, einschließlich der Bevölkerung, soll ausgelöscht werden, und zwar möglichst so, dass es nach außen hin niemand merkt. Hinter den Mauern von Internierungslagern und Gefängnissen verschwinden Millionen von Uiguren und Angehörige anderer Turkvölkern. Geleakte Dokumente und Zeugenberichte dokumentieren grausamste Haftbedingungen einschließlich Folter und Massenvergewaltigungen. Zudem werden tausende Uiguren zur Arbeit in Fabriken in ganz China gezwungen.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages spricht angesichts von Zwangssterilisierungen, Lagern, langen Haftsstrafen von einem Völkermord, den die chinesische Regierung an den Uiguren begeht.Und Volkswagen betreibt im Rahmen eines Joint Venture „SAIC-Volkswagen“ ein Werk in der Nähe von Urumchi. Im direkten Umkreis des Werkes befinden sich mehr als 20 Internierungslager. Weltweit ist er damit der einzige Autobauer, der in der Region direkt präsent ist. Volkswagen betont unermüdlich, dass es in diesem Werk keine Menschenrechtsverletzungen duldet. Gleichzeitig hat Volkswagen keinen direkten Einfluss auf das Werk, wie die Tagesschau berichtet. Ich frage mich daher, Herr Blume:
1. Wie kann Volkswagen Menschenrechtsverletzungen in dem Werk in Urumchi ausschließen, wenn es keinen direkten Einfluss auf dieses hat?
2. Welche Überprüfungen hat Volkswagen unternommen, um auszuschließen, dass keine Menschenrechtsverletzungen einschließlich Zwangsarbeit in diesem Werk begangen werden, zumal sich große Audit-Firmen wie der Tüv-Süd zurückgezogen haben?
3. Wie kann Volkswagen gewähren, dass Mitarbeiter und deren Familien nicht in die Lager interniert werden oder anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind?
Auch sind wir darüber besorgt, dass laut Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ das VW-Joint-Venture einen Vertrag mit der bewaffneten chinesischen Volkspolizei unterzeichnete, die auch für die Inhaftierung von Millionen von Uiguren und anderen Gemeinschaften verantwortlich ist. Laut dem chinesischen Automobilverband (CAAM), der sich auf Volkswagen beruft, fordert der Vertrag „patriotische Erziehung“ und „militärische Ausbildung“ für die Mitarbeiter.
4. Herr Blume, besteht bzw. bestand ein vertragliches Verhältnis zwischen SAIC-Volkswagen und der bewaffneten chinesischen Volkspolizei?
5. Gibt es Hinweise darauf, dass sich Mitarbeiter des SIAC-Volkswagen Werkes einer „patriotische nErziehung“ und „militärischer Ausbildung“ unterziehen müssen?
6. Wie wird das Verhalten der chinesischen Volkspolizei kontrolliert?
Das SAIC-Volkswagen Werk wurde zuletzt von Journalisten und deutschen Politikern 2013 besucht. Herr Brandstätter machte sich diesen Februar ein Bild von der Situation vor Ort. Journalisten und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen s wurden jedoch hierzu nicht eingeladen:
7. Herr Brandstätter, Sie hatten die Möglichkeit mit uigurischen Arbeitern zu sprechen. Wie konnten Sie in einer Region, in der totale Überwachung herrscht, sicherstellen, dass diese Arbeiter frei mit Ihnen sprechen können?
8. Wurde Ihr Besuch im SAIC-VW Werk mit den chinesischen Behörden abgestimmt?
9. Warum wurden keine Journalisten oder Vertreter unabhängiger NGOs zu dem Termin im Werk eingeladen?
Viele Politiker fordern die deutsche Wirtschaft dazu auf, sich nicht von China erpressbar zu machen und stärker zu diversifizieren. Volkswagen setzt jedoch darauf das China-Geschäft massiv auszubauen.
10. Herr Blume, hat sich Volkswagen erpressbar von der chinesischen Regierung gemacht?
11. Wie bewerten Sie die Risiken einer zunehmenden Abhängigkeit des Volkswagen- Konzerns von China auf den Unternehmenserfolg sowie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands?
Ich spreche heute zu Ihnen, wohl wissend, dass ich, obwohl ich in Deutschland lebe, Repressalien seitens der chinesischen Regierung ausgesetzt bin. Aber Millionen von Uiguren erfahren in ihrem täglichen Leben permanente Überwachung und brutalste Unterdrückung. Ich kann mein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, im Gegensatz zu meiner Familie und meinen Freunden in Ostturkistan. Daher appelliere ich an Sie, Herr Blume, liebe Aufsichtsräte und Aktionäre: Setzen Sie sich dafür ein, dass Volkswagen nicht zum Profiteur des Völkermordes an den Uiguren wird. Handeln Sie jetzt! Zeigen Sie, dass „Nie wieder” mehr als nur Worte sind!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!