Rede Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Brasilien wurde im Dezember 2014 der Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission veröffentlicht, der die Menschenrechtsverbrechen der brasilianischen Militärdiktatur von 1964-1985 untersuchte. Und laut diesem Abschlussbericht war neben anderen Firmen auch VW in die brasilianische Militärdiktatur verstrickt. Mehrmals wird VW erwähnt, genauso wie wir Ihnen das im letzten Jahr auf der Hauptversammlung schon vorab beschrieben hatten.

Nun hat VW reagiert, bereits bevor die neuen Erkenntnisse zur Verstrickung des Konzerns in die brasilianische Militärdiktatur bekannt wurden, und zugesagt, diese Vorgänge untersuchen zu lassen. Diesen Schritt begrüßen wir natürlich. Und da uns bewußt ist, dass die Archivrecherche sowie das Interviewen von Zeitzeugen und Betroffenen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, verzichten wir auf die Hauptversammlung darauf, weitere diesbezügliche Nachfragen zu stellen. Wir denken aber, dass VW mit seinen Untersuchungen bis zur nächsten HV im kommenden Jahr dann einen ersten Bericht sowie eine Stellungnahme veröffentlichen sollte. Denn auf der HV 2016 werden wir dann nachfragen.

Nächster Punkt. Mich würden Ihre Kontroll- und Sorgfaltspflichten in Bezug auf die menschenrechtlichen, sozialen sowie umweltbezogenen Dimensionen bei den Zulieferern ihrer Zulieferer interessieren. Denn die Metalle und Bleche, die Sie in Ihren Autos verbauen, beziehen Sie ja über Zulieferer wie beispielsweise ThyssenKrupp oder Salzgitter oder andere und diese wiederum beziehen ja ihr Erz, ihre Kohle, ihre metallischen Rohstoffe wiederum von Dritten. Wenn es nun zu Verletzungen und Verstößen kommt, nehmen wir beispielsweise eine Kohlemine in Kolumbien und eine Erzmine in Brasilien: Wie reagieren Sie dann? Und ganz konkret dazu eine Frage: Beziehen Sie Autobleche oder ähnliches, dessen Ursprungsmaterial aus der Erzmine von Carajás in Amazonien stammt, aus den Bauxitlagerstätten Amazoniens? Wie kontrollieren Sie die Herkunft der Rohstoffe, wie lückenlos ist die Kontrolle Ihrer Sorgfaltspflicht, wie dokumentieren und kontrollieren Sie das?

Auschlussreich scheint mir da ein Blick in Ihren Jahresbericht. Dort heißt es:

„Risiken beim Rohstoffeinkauf bestehen im Hinblick auf die Rohstoffverfügbarkeit und die Preisentwicklung. Diese Risiken begrenzen wir insbesondere durch den Abschluss von Termin-geschäften und Swaps. Einen Teil unseres Bedarfs an Rohstoffen, wie Aluminium, Blei, Kohle, Kupfer, Platin, Palladium und auch Rhodium, haben wir durch entsprechende Kontrakte über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren abgesichert.“

Da fällt doch schon auf, dass das Thema der Rohstoffe vorrangig unter dem Aspekt „Risiko der Rohstoffverfügbarkeit“ abgehandelt wird. Also auch wenn Sie anderer Stelle schreiben, dass „das Thema ‚Menschenrechte und Verhaltensgrundsätze in der Lieferantenkette’“ wurde in enger Zusammenarbeit mit der Konzern-Beschaffung vorangetrieben“ – dann würde ich Sie doch bitten, dies nicht so schwammig darzulegen, sondern bitte anhand konkreter Fälle darzulegen. Lippenbekenntnisse sind schön, aber auch reichlich nichtssagend.

Denn vor allem im Hinblick auf Rohstoffbeschafung reden sich die Konzerne ja immer gerne raus. Daimler sagte mir sinngemäß auf der HV letzten Monat den bemerkenswerten Satz „Aufgrund der Komplexität im Bereich Rohstoffe steht eine detaillierte Rückverfolgung der Rohstoffe auf deren sozial- und umweltbezogene Produktionszusammenhänge derzeit in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis“. Tja, ignoranter und zynischer kann angesichts eines Milliardengewinns eines DAX-Konzerns ja kaum über menschenrechte und Umwelt lapidar als Kollateralschaden hinweggesehen werden. Ich will von Ihnen egrne hören, wie Sie es anders machen!

Nächster Punkt: Es geht um transnationale Steuersparmodelle. Konkret geht es um die Steueroase Delaware. Beim Blick in die Liste des VW-Anteilsbesitzes 2013 taucht Delaware mit 26 Tochtergesellschaften auf. Beim Blick in die Liste des VW-Anteilsbesitzes 2014 taucht Delaware mit NULL Tochtergesellschaften auf. Die scheinen mehrheitlich nach Atlanta, Georgia, verlegt worden zu sein. Können Sie mir Motiv und Grund für diese späte Einsicht nennen? Nun, grundsätzlich befürworten wir natürlich, wenn Konzerne ihre Steuerfluchtmodelle infolge öffentlicher Kritik überdenken. Ich denke da beispielsweise an die durchaus gelungene TV-Produktion, die sich nach Delaware auf den Weg machte, erstaunt vor dem Gebäude stand und filmte, das Gebäude in dem mehrere hunderttausende Firmen ihren Sitz haben, und wie die TV-Macher dann auch nach Wolfsburg reisten und eine Stellungnahme vom VW-Konzern erbaten, aber keine bekamen, sondern stattdessen vom Wachschutz angewiesen worden, sofort die Film-Drohne wieder runterzuholen, die das VW-Gelände dokumentarisch aufnehmen wollte. – Also, wenn es bei VW in Sachen Steuerflucht einen Sinneswandel gegeben haben sollte, dann stünde es Ihnen doch auch gut zu Gesicht, sich dazu öffentlich und transparent zu bekennen? Das wäre doch eine gute PR für Sie. Oder ist es vielleicht eher vielmehr so, dass Sie nur Delaware aus dem Schussfeld der öffentlichen Kritik genommen haben, aber Luxemburg und die schweizer Kantone weiterhin auf Ihrer Tochtergesellschaftsbeheimatungsliste stehen? Denken Sie nicht, dass VW Steuern zahlen sollte, wie alle anderen auch?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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