„Sie haben die Entwicklung von kleinen, leichten, ressourcen- und energieeffizienten E-Fahrzeugen vernachlässigt“: Rede von Jens Hilgenberg

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat,
meine Damen und Herren,

mein Name ist Jens Hilgenberg und ich spreche für den BUND und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Wir beantragen heute sowohl dem Vorstand, als auch dem Aufsichtsrat der Volkswagen AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2023 zu verweigern. Der entsprechende Gegenantrag wurde fristgerecht eingereicht und ist auf der Konzernwebsite veröffentlicht.

Zu Beginn möchte ich mein Bedauern aussprechen, dass VW und die Konzerntöchter es vorziehen, ihre Hauptversammlungen virtuell durchzuführen. Aus meiner Sicht widerspricht dies den Sinn und Zweck einer Hauptversammlung, nämlich den öffentlichen und persönlichen Austausch zwischen den Aktionär*innen und dem Vorstand. Dass heute nur gut 500 Aktionär*innen teilnehmen, ist ja ein klares Zeichen gegen dieses Format. Ich plädiere dafür, 2025 wieder eine Präsenz-HV durchzuführen. Meine Frage dazu: Ist es angedacht, 2025 wieder eine Präsenz oder hybride HV der Volkswagen AG durchzuführen? Wenn nein, warum nicht?

Zum Inhaltlichen: Mit einem E-Auto-Anteil bei den Neuzulassungen von rund 13% war die Marke VW 2023 in Deutschland unterdurchschnittlich. Der Durchschnitt hierzulande lag bei 18%. Marken wie Fiat mit 30% und Hyundai mit 27% lagen deutlich drüber. EU-weit schaffte der Gesamtkonzern immerhin 15%.

Bei Gesamtkonzern stagniert der EU-CO2-Flottenwert bereits seit der Umstellung der Messmethode 2021; aktuell bei einem Wert von rund 118 Gramm CO2 pro Kilometer. So werden die aktuellen Grenzwerte zwar eingehalten, doch auf die kommende Verschärfung scheint der Konzern nicht gut vorbereitet. Wenn wir uns die Stagnation der CO2-Flottenwerte anschauen, müssen wir davon ausgehen, dass Volkswagen in Europa nur so viele E-Autos verkauft, wie Sie müssen, um die gesetzlichen Regelungen einzuhalten und die hohen Emissionen der vielen großen Verbrenner rechnerisch auszugleichen.

Die nächste Stufe der Flottenregulierung im kommenden Jahr, macht es laut einer Studie der UBS notwendig, den E-Auto-Anteil bei den in der EU verkauften Neuwagen des Konzerns von aktuell 15% auf dann 24% zu erhöhen. In Zahlen bedeutet das: rund 300.000 E-Autos mehr als 2023. Doch der ID.2 wird frühestens 2026 in nennenswerten Stückzahlen kommen; der ID.1, so er denn kommt, noch deutlich später. Bleibt also nur, die existierenden Modelle günstiger anzubieten – oder alternativ darauf zu verzichten, weiterhin so viele Verbrenner mit hohen Verbräuchen zu verkaufen.

Die Verschärfung der Vorgaben ist seit 2017 bekannt und VW hatte genug Zeit, sich darauf einzustellen. Dass Sie, Herr Blume, diese Vorgaben jetzt öffentlich in Frage stellen, statt pünktlich zur Grenzwertverschärfung mit einem echten und erschwinglichen Volkswagen ein elektrisches Angebot für alle zu machen, zeigt, dass der Konzern offenbar strategische Fehler gemacht hat.

Statt echter „Volkswagen“ baut VW noch immer zu viele große, schwere und hochmotorisierte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Was kurzfristig der Gewinnsteigerung dienen mag, kann langfristig zu erheblichen Einbußen von Marktanteilen führen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Konzern die Entwicklung von kleinen, leichten, ressourcen- und energieeffizienten E-Fahrzeugen so lange vernachlässigt hat. Längst müssten Fahrzeuge wie der ID.2 oder ID.1 sowie ihre Markenzwillinge bei Skoda und Cupra verfügbar sein.

Es wird sich zeigen, ob die Fahrzeuge dann zumindest 2026 restriktive 2027 verfügbar sind. Meine Fragen dazu:

War Volkswagen bislang nicht willens oder aktuell schlicht nicht in der Lage, kleine, ressourcen- und energiesparende E-Autos auf den Markt zu bringen?

Mit welchen Nachteilen für den Konzern rechnen Sie, sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand, wenn der Konzern massiv Marktanteile im Kleinst- und Kleinwagensegment an chinesische Hersteller abgibt, so wie es sich derzeit abzeichnet?

Anhand welcher Kriterien entscheidet der Konzern, wie die Flottengrenzwerte 2025 eingehalten werden sollen, also ob mehr E-Autos oder weniger hochemittierende Verbrenner verkauft werden?

Können Sie ausschließen, dass Volkswagen auf die Möglichkeit des Poolings bspw. mit Tesla zurückgreift?

Welche drei zentralen Forderungen hat der Konzern an eine künftige Bundesregierung, um mehr Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr zu erreichen?

Versucht der Konzern durch Lobbyaktivitäten aktiv auf eine Aufweichung der EU-Flottenregulierung für 2025 oder 2030 einzuwirken?

Nicht nachvollziehbar ist auch der geplante Einstieg von Audi in die Formel 1.

In Zeiten schlechter Rendite, einer nicht mehr zeitgemäßen Produktpalette und der Herausforderung der Elektrifizierung, sind milliardenschwere Investitionen in eine Rennserie mit Verbrennungsmotoren eine unnötige und teure Baustelle der Ingolstädter.

Es ist sehr bedauerlich, dass der Widerstand im Vorstand offensichtlich nicht ausreichend war, um diese unnötigen und ggf. sogar kontraproduktiven Investitionen zu verhindern. Was genau verspricht sich der Konzern von diesem Einstieg? Wie passt es zusammen, dass auf der einen Seite CO2-Emissionen eingespart werden sollen, während auf der anderen Seite durch den Einstieg von Audi in die Formel 1 unnötig riesige Mengen CO2 entstehen, vor allem auch durch den Transport des Teams zu den Rennorten? Und Nein, Kompensation der entstandenen CO2-Emissionen sind keine Lösung!

Ebenso wenig ist Aufforstung eine Lösung, für die Abholzung eines alten Steineichenwaldes in Süditalien. Aber genau das plant die Konzerntochter Porsche gerade. Für den Ausbau einer Teststrecke sollen 200 Hektar eines geschützten Steineichenwaldes gefällt werden. Umweltschützer*innen und Bürgerinitiativen weisen darauf hin, dass eine nachhaltige Aufforstung wegen zu wenig Wasser in der Region problematisch ist. Wenn die Aufforstung nicht gelingt, kann der Schaden noch größer sein. Riesige zerstörte Flächen mit Hitzestau statt Artenvielfalt wären dann die Folge.

Hierzu meine Fragen: Wie sieht der aktuelle Plan vor Ort aus, hält Porsche am Ausbau der Teststrecke fest? Wie wirkt die Volkswagen AG auf Porsche ein?

Dieses Beispiel zeigt gut, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein schönes Wort ist, dass sich gut in Werbebotschaften und Berichten verwenden lässt. Nachhaltigkeit muss sich auch tatsächlich im Handeln des Konzerns, in den Produkten und Dienstleistungen widerspiegeln.

Genau hier setzt Nachhaltigkeit an. Naturräume erhalten, Rohstoffe und Energie einsparen ist ein Gebot der Gegenwart und der Zukunft. Und diese Zukunft wird Volkswagen nur erleben, wenn endlich entsprechend gehandelt wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Antworten gemäß Mitschrift und Notizen:

Ist Volkswagen nicht willens oder aktuell nicht in der Lage, kleine, ressourcen- und energiesparende E-Autos auf den Markt zu bringen?

Antwort: Es ist uns wichtig auch in den kleinen Segmenten nachhaltige uns leistbare Mobilität anzubieten. Wir bieten im A0-Segment ab 2026 und im A00-Segment ab 2027 ein solches Angebot im Konzern an. Ein Ausblick auf das A0-Segmente ist das Konzept ‘ID2 all‘.

Können sie ausschließen, dass Volkswagen auf die Möglichkeit des Poolings bspw. mit Tesla zurückgreift?

Antwort: Der Volkswagen-Konzern wird die Elektrifizierung seiner Flotte in den kommenden Jahren weiter vorantreiben. Sie ist der wirksamste Hebel zur Dekarbonisierung individueller Mobilität. In einem derzeit sehr herausfordernden Marktumfeld, insbesondere im Bereich der Elektromobilität, arbeiten wir konsequent darauf hin, die CO2-Flottenziele für die EU27+2-Staaten durchgängig einzuhalten.

Auf eine andere Frage, hat Blume bekräftigt, dass für VW der Ausstieg aus dem Verbrenner für 2035 gesetzt ist.  

Welche drei zentralen Forderungen hat der Konzern an eine künftige Bundesregierung, um mehr Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr zu erreichen?

Antwort: Elektromobilität ist der Schlüssel zu Erreichung der Klimaziele im Verkehr. Wir sind sicher, dass ein Großteil der Fahrzeuge auf unseren Straßen ’50 einen elektrischen Antrieb haben wird. Als Konzern bekennen wir uns klar zur Elektrifizierung und verfolgen konsequent eine weltweite Elektrostrategie. Daraus leiten sich auch unsere zentralen Forderungen an die Bundesregierung ab. Wir brauchen ersten eine klare Haltung der Politik zu Gunsten des Elektroantriebs, zweitens Planungssicherheit bei der Regulierung und drittens stabile Rahmenbedingungen mit Blick auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur, sowie bei wettbewerbsfähigen Strompreisen für grüne Energie.

Versucht der Konzern durch Lobbyaktivitäten aktiv auf eine Aufweichung der EU-Flottenregulierung für 2025 oder 2030 einzuwirken? Wenn ja, wie?

Im Jahr 2023 sind die Ziele der CO2-Flottenregulierung festgeschrieben worden. Unter anderem wurden die Ziele für 2025 und 2030 definiert. Der Volkswagenkonzern steht ausdrücklich zur Transformation zur Elektromobilität, die sich in diesen Zielen abbildet. Neben den Zielwerten sich das Gesetz einen sogenannten Review vor, der ab 2025 von der Kommission nach festen Regeln durchzuführen ist. Im Zuge des Reviews werden auch die Rahmenbedingungen, die für eine erfolgreiche Transformation zur Elektromobilität nötig sind, vor allem der Ausbau der Ladeinfrastruktur, analysiert. Die Kommission hat den Auftrag zu entscheiden, ob und welcher Art und Weise die Voraussetzungen gegeben sind, die mittel und langfristigen CO2-Ziele zu erreichen. Der Volkswagenkonzern wird sich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten an den Review-Konsultationen beteiligen.

Anhand welcher Kriterien entscheidet der Konzern, wie die Flottengrenzwerte 2025 eingehalten werden sollen, also ob mehr E-Autos oder eben weniger hochemittierende Verbrenner verkauft werden?

Die Einhaltung der Flottengrenzwerte ist gesetzlich geregelt. Der Volkswagen-Konzern hat in 2023 sowohl für Pkw, als auch für NFZ die CO2-Flottenwerte für die EU27+2 eingehalten. Wir werden die Elektrifizierung unserer Flotten in den kommenden Jahren weitern vorantreiben, sie ist ein wesentlicher Hebel zur Dekarbonisierung individueller Mobilität. In einem derzeit sehr herausfordernden Marktumfeld, insbesondere im Bereich der Elektromobilität, arbeiten wir konsequent darauf hin, die CO2-Flottenziele für die EU27+2-Staaten durchgängig einzuhalten.

Mit welchen Nachteilen für den Konzern rechnen Sie, sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand, wenn der Konzern massiv Marktanteile im Kleinst- und Kleinwagensegment an chinesische Hersteller abgibt, so wie es sich derzeit abzeichnet?

In 2023 hat der Konzern seine Marktposition in Europa in einem herausfordernden Marktumfeld gehalten. Mit der Einführung neuer Modelle bauen wir unser wettbewerbsfähiges Angebot auch in den Einstiegssegmenten konsequent weiter aus. Dies beinhalte ab 2025 bspw den Skoda Elroq und die electric urban car family mit 2 neuen Kompaktwagen und 2 neuen SUV. Den nächsten konsequenten Schritt gegen wird dann mit dem Projekte für vollelektrische Einstiegsmobilität, um 20.000 € ab dem Jahr 2027.   

Frage: Wie sieht der aktuelle Plan vor Ort aus, hält Porsche am Ausbau der Teststrecke fest? Wie wirkt die Volkswagen AG auf Porsche ein?

Antwort Blume: Wir haben die Entscheidung der Region Apulien, die erteilte Genehmigung für den Entwicklungsplan für das Nardò Testcenters auszusetzen, zur Kenntnis genommen. Wir sind offen für den weiteren Dialog, mit allen am Entwicklungsplan beteiligten Parteien sowie der Öffentlichkeit. Unser Ziel bleibt bestehen. Wir gehen davon aus, dass sich der Ausbau des Prüf- und Technologiezentrums positiv auf die Beschäftigung und die lokale Wirtschaft auswirken wird. Es ist zutreffend, dass wir ca. 200 Hektar Naturflächen auf nicht öffentlichen Flächen roden müssen, darunter etwa 40 Hektar Steineichenwald. Wir sehen vor 100 Hektar davon später wieder zu renaturieren, darüber hinaus werden wir weitere 500 Hektar außerhalb unseres Geländes, für die Öffentlichkeit renaturieren, was deutlich mehr ist, als gesetzlich vorgeschrieben. Wir planen 1,3 Millionen neue Pflanzen anzupflanzen und werden Rad- und Fußwege, Picknickplätze und Einrichtungen für Outdoorsport bauen.

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