Gegenanträge des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
zur Hauptversammlung der Volkswagen AG am 29. Mai 2024
Gegenantrag zu TOP 2: Beschlussfassung über die Gewinnverwendung der Volkswagen Aktiengesellschaft
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, dem Vorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand über die Gewinnverwendung zu widersprechen.
Begründung:
Statt vom Bilanzgewinn der Volkswagen Aktiengesellschaft aus dem Geschäftsjahr 2023 in Höhe von 4.525.522.523,61 Euro jeweils einen Teilbetrag von
a) 2.655.808.362,00 Euro zur Zahlung einer Dividende von 9,00 Euro je dividendenberechtigter Stammaktie und
b) 1.868.221.331,70 Euro zur Zahlung einer Dividende von 9,06 Euro je dividendenberechtigter Vorzugsaktie
auszuschütten, sollten vielmehr 80 % der Dividende in die ökologische Transformation des Konzerns, in umweltverträgliche Alternativen in den Lieferketten, klimaverträglichere Produkte, zwangsarbeitsfreie Produkte und die Qualifizierung der Arbeitnehmenden investiert werden. So würde pro Stammaktie immer noch eine Dividende von 1,80 Euro und je Vorzugsaktie eine Dividende von 1,812 Euro ausgeschüttet.
Rekorddividenden der letzten Jahre auf Kosten der Beschäftigten
Die Rekorddividenden, die Volkswagen in den letzten Jahren ausschüttete, gingen zu Lasten der Beschäftigten. Nun will Volkswagen bis 2026 allein in der Kernmarke die Kosten um zehn Milliarden Euro reduzieren, im laufenden Jahr allein sollen es vier Milliarden Euro sein. Hier muss Volkswagen sich fragen lassen, ob ein Konjunkturprogramm, das zu Lasten der Arbeitnehmenden durchgeführt wird, dazu führen sollte, jedes Jahr neue Rekorde bei der Dividende zu vermelden.
Gegenantrag zu TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung der im Geschäftsjahr 2023 amtierenden Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands der Volkswagen AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2023 zu verweigern.
Begründung:
Der Vorstand kommt weiterhin nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, seinen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachzukommen.
China: Weiter unzureichende Konsequenzen aus Zwangarbeitsrisiken
Erste Berichte, dass VW den Ausstieg aus dem Werk im chinesischen Xinjiang zumindest prüft, sind ein erster kleiner Lichtstreif am Horizont. Dennoch kann die Konzernpraxis in China weiterhin als kritikwürdig eingestuft werden. Neue Vorwürfe gibt es u.a. bezüglich des Baus einer Teststrecke für VW-SAIC. Hier gibt es eindeutige Belege dafür, dass in der Bauphase uigurische Zwangsarbeitende eingesetzt wurden.
Mir rund 3,2 Millionen Fahrzeugen ist China ein wichtiger Absatzmarkt für die Volkswagen AG. Doch der Markanteil sinkt und die Strategie ‘in China, für China‘ soll hier den verlorenen Boden gegenüber den einheimischen Marken wieder gut machen. Dafür soll eine ‘autonome Wertschöpfungskette‘ etabliert werden. In Kombination zu neuen Joint Venture könnte sich so die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Konzernspitze weiter verringern. Die weltweite Überwachung der Lieferketten auf Grundlage des europäischen Lieferkettengesetzes und der Ausschluss von Zwangsarbeit muss für die Volkswagen AG selbstverständlich werden, auch für Produkte aus China, für China.
Das European Center for Constitutional and Human Right (ECCHR) hat gegen Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW 2023 beim für die Überwachung des Lieferkettengesetzes zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Beschwerde eingereicht. Bis heute konnten „die drei Autohersteller nicht glaubhaft belegen, dass sie uigurische Zwangsarbeit in ihren Lieferketten ausschließen können“, sagte der Präsident des Weltkongresses der Uiguren, Dolkun Isa gegenüber Table.Media. Der Bericht „Asleep at the Wheel: Car Companies‘ Complicity in Forced Labor in China“[1] aus diesem Jahr belegt, dass die Automobilkonzerne bis heute noch immer keine angemessenen Maßnahmen ergriffen haben, sich vom Risiko uigurischer Zwangsarbeit in Ihren Aluminiumlieferketten freizumachen oder dieses zu minimieren. Noch haben sie spezifische Pläne vorgelegt, wie sie zukünftige Menschenrechtsverstöße in ihren eigenen Lieferketten verhindern und beseitigen wollen. Hier ist die Volkswagen AG gefordert, für Aufklärung zu sorgen und sicherzustellen, dass veränderte Strategien nicht zu weniger, sondern zu mehr Sorgfalt in den Lieferketten führt.
Brasilien: Entschädigung für ehemalige Sklavenarbeiter:innen weiter verzögert
Die Volkswagen AG hat Ende März 2023 die Gespräche mit der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft über eine Einigung wegen mutmaßlicher Sklavenarbeit auf der in den 1970/80er Jahre werkseigenen Rinderfarm Rio Cristalino in Brasilien einseitig beendet. Laut Medienberichten (u.a. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/vw-brasilien-121.html) wurden dort seinerzeit hunderte Menschen ausgebeutet. VW do Brasil versucht sich weiterhin seiner historischen Verantwortung für sklavenarbeitsähnliche Zwangsverhältnisse zu entziehen. Von Seiten der brasilianischen Staatsanwaltschaft wurde bereits angekündigt, Klage zu erheben. Die Bekämpfung von Sklavenarbeit ist noch heute ein dringendes Thema, wie im Februar dieses Jahres der Fall von aus Sklavenarbeit befreiten Arbeitern einer Farm in Amazonien zeigte, die u.a. für Audi CO2-Zertifikate durch Waldschutz generieren sollten (https://reporterbrasil.org.br/2024/02/uber-and-audi-used-carbon-credits-generated-in-farm-that-employed-slave-labor/). Audi Sport wollte dem Bericht zufolge so seine CO2-Emissionen aus der Teilnahme an der Dakar-Rallye kompensieren.
Italien: Waldzerstörung für Porsche-Teststrecke
Für den Ausbau seiner Teststrecke plant Porsche 200 Hektar eines geschützten Steineichenwaldes auf dem Gelände des Nardò Technical Centers zu fällen. Umweltschützer*innen und Bürgerinitiative weisen darauf hin, dass Porsche es sich hier zu einfach mache, eine nachhaltige Aufforstung sei wegen zu wenig Wasser in der Region problematisch. Wenn die Aufforstung nicht gelinge, könne der Schaden noch größer sein. Riesige Brachflächen mit Hitzestau statt Artenvielfalt und Klimaneutralität wären dann die Folge. Zudem wäre es laut der Bürgerinitiative für Porsche auch möglich, die Teststrecke zu erweitern, ohne Bäume fällen zu müssen – außerhalb des jetzigen Geländes.
Gegenantrag zu TOP 4: Beschlussfassung die Entlastung der im Geschäftsjahr 2023 amtierenden Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2023
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Volkswagen AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2023 zu verweigern.
Begründung:
Der Aufsichtsrat ist seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands nicht hinreichend nachgekommen und hat es versäumt, auf wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz hinzuwirken.
Volkswagen muss E-Auto-Verkaufszahlen in der EU deutlich steigern und dafür Kleinwagensegment bedienen
Mit einem E-Auto-Anteil bei den Neuzulassungen von rund 13% lag die Marke VW 2023 in Deutschland(15 % Gesamtkonzern EU) deutlich unter dem Durchschnitt von 18% und mehr als deutlich hinter Marken wie Fiat mit 30% und Hyundai mit 27%. Bemerkenswert ist hier auch die Preisgestaltung in Deutschland. Nach Wegfall der staatlichen Kaufbeihilfen sanken die Preise hierzulande für ID.3 und ID.4 merklich. Hier kann ein Mitnahmeeffekt unterstellt werden.
Der CO2-Flottenwert in der EU stagniert bereits seit der Umstellung der Messmethode 2021 bei einem Wert von 119 Gramm CO2 pro Kilometer. So werden aktuelle Grenzwerte zwar eingehalten, doch die Verschärfung der Vorgaben im Jahr 2025 macht laut einer Studie der UBS eine deutliche Erhöhung des E-Auto-Anteils von aktuell 15% auf dann 24% notwendig. Die Verschärfung der Vorgaben sind seit vielen Jahre bekannt und VW hatte genug Zeit, sich darauf einzustellen. Dass jetzt Konzernchef Blume diese Vorgaben in Frage stellt, statt mit einem echten und erschwinglichen Volkswagen ein elektrisches Angebot für alle zu machen, zeigt, dass der Konzern offenbar doch nicht so gut aufgestellt ist, wie er immer nach außen verkaufen will.
Statt echter „Volkswagen“ baut VW immer mehr besonders große, schwere und hochmotorisierte Fahrzeuge. Was kurzfristig der Gewinnsteigerung dienen mag, könnte langfristig zu erheblichen Einbußen von Marktanteilen führen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Konzern die Entwicklung von kleinen, leichten, ressourcen- und energieeffizienten E-Fahrzeugen vernachlässigt. Längst müssten Fahrzeuge wie der ID.2 oder ID.1 und seine Markenzwillinge bei Skoda und Seat/Cupra, verfügbar sein. Hier besteht die Gefahr, dass chinesische Mitbewerber wie BYD diese Lücke füllen. In China hat BYD bereits VW als Marktführer abgelöst.
Audi: Milliarden für die Formel 1 in Zeiten schlechter Rendite
Es ist nicht zeitgemäß, dass die Volkswagentochter Audi in die Formel 1 einsteigen will und dafür mit der Sauber Group gleich eine ganze Firma gekauft werden soll. In Zeiten schlechter Rendite, einer nicht mehr zeitgemäßen Produktpalette und der Herausforderung der Elektrifizierung, sind milliardenschwere Investitionen in eine Rennserie mit Verbrennungsmotoren eine weitere unnötige und teure Baustelle der Ingolstädter. Es ist bedauerlich, dass die Widerstände im Vorstand nicht ausreichend waren, um diese für den Erfolg des Tochterunternehmens unnötigen und für den Gesamtkonzern ggf. sogar kontraproduktiven Investitionen zu verhindern.
Köln, 14.05.2024
www.kritischeaktionaere.de
[1] https://www.hrw.org/de/news/2024/02/01/china-carmakers-implicated-uyghur-forced-labor