Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von der Allianz deutliche effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.
Wir werden Sie, den Vorstand, auch dieses Jahr nicht entlasten. Sie kommen weiterhin nicht hinreichend Ihrer Verantwortung nach, wirksamere Maßnahmen für den Schutz von Klima und Menschenrechten umzusetzen. Wir haben dies in unserem Gegenantrag ausführlich begründet, den ich hiermit auch formal stelle.
Menschenrechte: Neue Grundsatzerklärung ist ein Rückschritt
Die neue Grundsatzerklärung der Allianz zur Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem eigentlich für die Allianz geltenden „Sustainability Integration Framework“. Während die Allianz im letzteren deutlich macht, dass sich die Sorgfaltspflichten selbstverständlich und vor allem auf das Versicherungsgeschäft und Investment beziehen, ist davon in der neuen Grundsatzerklärung keine Rede mehr. Dabei weiß der Vorstand selbst ganz genau, dass die größten umwelt- und menschenrechtlichen Risiken nicht bei der Beschaffung neuer Bürostühle, sondern bei der Versicherung fossiler Großprojekte oder Investments in Unternehmen liegen, die Landrechte missachten.
Andere Versicherungen schreiben daher auch explizit in ihre Grundsatzerklärungen, dass sie Menschenrechte auch in der Kapitalanlage und im Versicherungsgeschäft beachten. Dies ist auch vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, da das „Sustainability Integration Framework“ schon ein sehr umfassendes Risikomanagement umfasst, dass beispielsweise die Rechte von Gemeinden, die von Bergbauprojekten betroffen sind, ernst nimmt.
- Während die Allianz im „Sustainability Integration Framework“ deutlich macht, dass sich die Sorgfaltspflichten selbstverständlich und vor allem auf das Versicherungsgeschäft und Investment beziehen, ist davon in Ihrer neuen Grundsatzerklärung keine Rede mehr. Warum?
- Wieso geben Sie sich seit Jahren so viel Mühe bei Ihren Richtlinien auch in Bezug auf die Achtung von Menschenrechten in Ihren Wertschöpfungsketten, geben dazu aber überhaupt keine Hinweise in Ihrer Grundsatzerklärung?
- Sehen Sie Ihre größten umwelt- und menschenrechtlichen Risiken nun etwa beim Bezug Ihrer Bürostühle (=Lieferkette) oder nicht doch weiterhin bei Versicherungen und Investments in Unternehmen und Projekte, die potentiell indigene Rechte missachten (=Wertschöpfungskette)?
- Haben Sie konkrete Missstände in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte in Ihrer Wertschöpfungskette identifiziert? Wenn ja, welche genau und was sind Ihre Maßnahmen, diese zu adressieren?
- Wie viele Anfragen, Hinweise und/oder Beschwerden haben Sie über Ihren Beschwerdemechanismus in Bezug auf arbeits-, umwelt- und menschenrechtliche Missstände erhalten? Was waren die Inhalte, wie haben Sie reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?
- Haben Sie die Versicherungen von Projekten und/oder Versicherungen/Unternehmen aufgrund von umwelt- und menschenrechtlicher Bedenken/zu hoher Risiken in diesem Bereich abgelehnt? Wenn ja, um welche Fälle handelt es sich und aus welchen Gründen?
- Allgemein zu Ihrem ESG-Rahmenwerk und seinen Ausschlusskriterien und Mindeststandards: Hat es im letzten Geschäftsjahr und/oder bisher konkrete Ausschlüsse gegeben und wenn ja, wie viele und welche Unternehmen?
- Hannover Rück und Talanx schließen seit 2023 die Zeichnung von Projektrisiken im Tiefseebergbau aus. Wie sieht es bei Ihnen aus: Inwieweit sind Sie in die Finanzierung bzw. Versicherung von Tiefseebergbauprojekten involviert? Planen Sie einen Ausschluss? Wenn ja, wie genau? Wenn nicht, warum nicht?
- Würden Sie sich für verbindliche, gesetzliche Regeln für die klima-, umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten des Finanzsektors auch für die downstream-Wertschöpfungsketten bzw. Kundenbeziehungen aussprechen? Teilen Sie hier die Auffassung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass dies nicht nötig sei? vgl. https://www.suedwind-institut.de/informieren/themen/sustainable-finance/beitrag/bafa-klammert-finanzsektor-aus-deutschem-lieferkettengesetz-aus
und https://www.kritischeaktionaere.de/lieferkettengesetz/buerostuehle-oder-landraub-worauf-finanzinstitute-jetzt-achten-muessen/
Millioneninvestments in Naturzerstörung
Die Allianz gehört mit zu denjenigen europäischen Finanzunternehme, die seit Abschluss des Pariser Klimaschutzabkommens Millionen in Unternehmen investiert haben, die maßgeblich an der Zerstörung von Wäldern beteiligt sind. Das belegt eine Recherche von Greenpeace International, Harvest, Milieudefensie, Deutsche Umwelthilfe, OroVerde und weiteren Organisationen (https://www.greenpeace.de/klimaschutz/finanzwende/deutsche-bank-co-hauptfinanzierer-naturzerstoerung. Dies unterminiert die Bestrebungen der Emissionsbegrenzung durch das Pariser Klimaschutzabkommen.
Für die Datenrecherche auf Basis der Finanzdaten der unabhängigen Forschungseinrichtung Profundo sind Kredite an und Investitionen in große Unternehmen untersucht worden, die in sogenannten „Wald-Risikosektoren“ tätig sind, wozu auch Palmöl, Kakao und Soja zählen.
Sie haben seit 2016 in mindestens vier Unternehmen investiert, die nachweislich in direktem Zusammenhang mit Naturzerstörung stehen: Bunge, Cargill, JBS und die Sinar Mas Group.
Beispiel Bunge: Sie haben seit 2016 etwa 106 Mio. US-Dollar in den Agrarkonzern Bunge investiert. Bunge wird laut einem neuen Bericht der Deutschen Umwelthilfe, Mighty Earth, Repórter Brasil und dem Instituto Centro de Vida (ICV) direkt mit der Entwaldung von 15.897 Fußballfeldern in der bedrohten Cerrado-Savanne in Brasilien in Verbindung gebracht (https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Naturschutz/BOWL_MEP_Ger.pdf).
Beispiel JBS: Sie haben seit 2016 etwa 81 Mio. US-Dollar in Fleischproduzenten JBS investiert. In Brasilien sind direkte und indirekte Zulieferer der Schlachthöfe von JBS in sieben Bundesstaaten des Amazonas und des Cerrado für 447.913 ha Entwaldung zwischen 2009 und 2023 verantwortlich, wobei allein zwischen 2021 und 2023 83.478 ha gerodet wurden (https://mightyearth.org/article/mighty-earth-reveals-three-meat-giants-linked-to-half-a-million-hectares-of-deforestation-in-brazil/).
Dazu folgende Fragen:
- Sind sie aktuell in Bunge, Cargill, JBS und die Sinar Mas Group investiert und wenn ja, in welcher Höhe?
- Versichern Sie diese Unternehmen und wenn ja, in welchem Umfang? Bestehen weitere Geschäftsbeziehungen mit diesen Unternehmen?
- Wenn Sie aktuell diese Unternehmen finanzieren, wie steht dies im Einklang mit Ihrem Sustainability Integration Framework in der aktuellen Fassung?
- Welche konkreten Schritte unternehmen sie, um ihr Netto-Null-Ziel im Landnutzungs- und Forstsektor zu erreichen? Wie sieht dies kurzfristig bis 2025, mittelfristig und langfristig aus?
- Haben Sie konkrete Schritte unternommen, um Ihr Risiko und Ihre Verwicklung in Geschäftsbeziehungen mit Entwaldung zu kartieren, und was planen sie zu tun, um dieses Risiko zu verringern?
- Sie verfügen über eine Politik, die sich mit den Auswirkungen auf die Wälder befassen sollte, wird jedoch weiterhin mit Unternehmen in Verbindung gebracht, die eine erschreckende ökologische und soziale Bilanz aufweisen. Dies zeigt deutlich, dass freiwillige Anstrengungen zur Lösung dieser Probleme nicht ausreichen. Stimmen Sie daher zu, dass eine Regulierung des EU-Finanzsektors in Bezug auf umwelt- und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten (entsprechend CSDDD) und zur Bekämpfung seiner Auswirkungen auf Wälder und andere wichtige Ökosysteme jetzt dringend erforderlich ist?
- Sind Sie bereit, sich öffentlich dafür einzusetzen, dass die Europäische Kommission die Einführung von Verpflichtungen vorschlägt, um sicherzustellen, dass Ihre Finanzströme nicht direkt oder indirekt zur Umwandlung und Zerstörung von Ökosystemen oder zur Verletzung von Menschenrechten beitragen? Wir brauchen hier dringend einen verbindlichen Rechtsrahmen, damit Unternehmen, die sich dazu Mühe geben, nicht weiter im Nachteil sind. Dies ist aber aktuell leider nicht der Fall im Finanzsektor.
Fragen zur Versicherung von Staudämmen:
- Wie viele Großstaudämme versichern Sie aktuell und wie hoch ist die abgedeckte Versicherungssumme insgesamt? In welchen Regionen befinden sich diese Projekte und wie hoch ist in den jeweiligen Regionen die Zahl der Projekte und die abgedeckte Versicherungssumme (ggf. prozentual zur Gesamtsumme)? Sind darunter auch Projekte, bei denen der produzierte Strom für die Herstellung von Wasserstoff genutzt wird oder in Zukunft genutzt werden soll?
- Wie viele Projekte zur Herstellung von Wasserstoff versichern Sie insgesamt? Um welche Art der Herstellung handelt es sich dabei (grün, blau, grau)? In welchen Regionen befinden sich diese Projekte und wie hoch ist in den jeweiligen Regionen die Zahl der Projekte und die abgedeckte Versicherungssumme (ggf. prozentual zur Gesamtsumme)?
- Welche Rolle spielen Staudämme und Wasserstoffprojekte in Ihrer menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risikoanalyse? Welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen führen Sie konkret durch? Welche Schritte enthält ihre Risikoanalyse bei diesen Projekten, welche Betroffenengruppen werden dabei berücksichtigt?
- Definieren Sie Staudämme als Risikosektor in Ihren ESG-Kriterien? Welche Ausschlusskriterien wenden Sie dabei an?
- Wie genau prüfen Sie das Vorliegen von free, prior and informed consent (FPIC) durch betroffene indigene Gruppen?
- In welcher Höhe mussten Sie im letzten Jahr für Schäden im Zusammenhang mit Staudämmen aufkommen? Um welche Schäden handelte es sich hier?
- Wie bereits erwähnt, können Staudämme klimawandelbedingte Überflutungsereignisse verschlimmern und durch Starkregen und Überflutungen geschädigt werden und sind durch klimawandelbedingte Dürren unzuverlässig in der Stromproduktion. Wie berücksichtigen Sie dies bei der ökosozialen und finanziellen Bewertung von Projekten und bei der Auswahl Ihrer Kunden?
- Betroffene haben Sie wiederholt auf Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit von Ihnen versicherten Wasserkraft- und Tailingdämmen aufmerksam gemacht, insbesondere Hidroituango, Jirau, Belo Monte, und Brumadinho. Welche Bemühungen haben Sie seitdem unternommen, die Risiken dieser Projekte zu verringern und die Betroffenen für erlittene Schäden zu kompensieren?
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bin gespannt auf Ihre Antworten.