Anlässlich der morgigen Hauptversammlung der DWS fordern die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen urgewald, Facing Finance und Greenpeace gemeinsam mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre den Vermögensverwalter zu wirksameren Richtlinien für den Umgang mit klima- und umweltschädigenden Unternehmen auf. Neben dem weiterhin nicht aufgeklärten Greenwashing-Skandal kritisieren die Organisationen insbesondere das Fehlen einer Investitionsrichtlinie für Öl und Gas sowie undurchsichtiges Engagement[1] und inkonsequentes Verhalten gegenüber besonders klimaschädlichen Konzernen.
DWS bleibt massiv in fossile Konzerne investiert
Die DWS ist weiterhin in sehr hohem Umfang in besonders klimaschädliche Öl- und Gaskonzerne investiert. Selbst Unternehmen mit Öl- und Gasexpansionsplänen, die unkonventionelle Abbaumethoden betreiben oder weitere fossile Infrastruktur ausbauen, schließt die DWS nicht aus. Dabei stehen diese Geschäfte im direkten Widerspruch zu den Pariser Klimazielen und einer intakten Umwelt. Laut der Datenbank Faire Fonds von urgewald und Facing Finance sind allein in Deutschland erhältliche Publikumsfonds mit über 16 Milliarden Euro in Öl- und Gasunternehmen investiert[2] – davon 4 Milliarden Euro in die vier Öl- und Gaskonzerne TotalEnergies, Exxon Mobil, Chevron und Shell.
Julia Dubslaff, Finanz-Campaignerin bei urgewald: „Leider hat sich die DWS in puncto Öl und Gas seit dem vergangenen Jahr nicht weiterbewegt. Während andere Vermögensverwalter beginnen, Öl- und Gaskonzerne mit Expansionsplänen auszuschließen, belässt es die DWS dabei, deren Vorstandsmitglieder nicht wiederzuwählen. Welche Wirkung dies aber bei den Manager*innen hat, ist nicht ersichtlich. ‚Engagement‘ und ‚Transformationsbegleitung‘ sind bei den großen Ölkonzernen offenbar nicht der richtige Weg. Wenn der DWS das Klima am Herzen liegt, sollte sie expandierende fossile Unternehmen schnellstmöglich aussortieren.“
Undurchsichtiges Engagement und inkonsequentes Abstimmverhalten
Auf den Hauptversammlungen 2023 hat die DWS zwar bei Chevron die verantwortlichen Vorstände bzw. bei ExxonMobil die meisten Vorstandsmitglieder nicht entlastet, nicht jedoch bei TotalEnergies und Shell. Unklar bleibt, ob und inwieweit diese Ölkonzerne auf die Bedenken und Forderungen seitens der DWS in Bezug auf Klimaschutz überhaupt eingehen und welche Konsequenzen die weiterhin unzureichenden Klimaschutz- und Transformationspläne der fossilen Konzerne für die Investitionsentscheidungen der DWS haben.
Keine Öl- und Gasrichtlinie: Wirksame Maßnahmen fehlen weiterhin
„Angesichts der Bilder von klimabedingten Jahrhundertfluten in Süddeutschland erschreckt die Untätigkeit der DWS. Entgegen ihrer Versprechen hat die DWS weiterhin keine ausreichenden Pläne vorgelegt, wie sie dieser katastrophalen Entwicklung mit wirksamen Maßnahmen begegnen will“, sagt Marie Kuhn, Greenpeace-Finanzexpertin: „Als größter Finanzier der eskalierenden Klimakrise in Deutschland drohen der DWS weitere Reputationsschäden und juristische Verfahren. Der Vorstand muss dringend umsteuern und zeitnah eine Anlagerichtlinie für den Umgang mit extrem klimaschädlichen Öl- und Gasunternehmen einführen.“
Plastik im Portfolio
TotalEnergies und Exxon Mobil finden sich auch auf dem „Pastic Waste Makers Index“: Sie gehören zu den Unternehmen, die für die globale Kunststoffverschmutzung verantwortlich gemacht werden. TotalEnergies und Exxon Mobil haben 2021 demnach mit 2,1 bzw. 6 Millionen Tonnen weltweit den meisten Plastikmüll produziert. Nach Auswertungen von Faire-Fonds.info war TotalEnergies das Unternehmen im „Plastic Waste Makers Index“, welches Stand Mai 2024 am häufigsten in den Portfolios der DWS-Fonds zu finden war: Rund 15% der untersuchten DWS-Fonds investierten in TotalEnergies. Auch rund ein Drittel der als nachhaltig klassifizierten DWS-Fonds hielten zum Untersuchungszeitpunkt Anteile von TotalEnergies (34 von 234 untersuchten ESG-Fonds). Auch in Exxon Mobil sind 32 der DWS Fonds investiert.
„Die DWS investiert weiterhin in Unternehmen wie TotalEnergies und Exxon Mobil und verschärft damit die globale Plastikkrise, ohne strengere Umweltstandards zu fordern. Während andere Finanzinstitutionen die UN Plastics Convention unterzeichnet haben, bleibt die DWS bislang untätig. Facing Finance erwartet von der DWS, dass sie Maßnahmen ergreift und Richtlinien zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung sektorübergreifend verabschiedet um damit den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen abzudecken,“ sagt Frederike Potts, Projektkoordinatorin bei Facing Finance.
Greenwashing-Skandal: Unklar, ob hinreichend Konsequenzen gezogen worden sind
Nachdem die US-Börsenaufsicht bereits zu dem Schluss gekommen war, dass die DWS „erheblich irreführende Aussagen“ darüber getroffen hatte, wie Nachhaltigkeitsfaktoren bei solchen Produkten tatsächlich berücksichtigt werden, die angeblich explizit auf Kriterien in Sachen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) achten würden, halten entsprechende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Deutschland zu möglichem Prospektbetrug an. Die Ermittlungen waren nach entsprechenden Hinweisen der früheren DWS-Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler aufgenommen worden.
Tilman Massa, Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre: „Erneute Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft bei der DWS zeugen nicht gerade davon, dass die Verantwortlichen wie versprochen vollumfänglich zur Aufklärung des Greenwashing-Skandals beitragen. Die US-Börsenaufsicht hat bereits nachvollzogen, wie die DWS schlicht etwas vorgegaukelt hat. Es ist weiterhin nicht transparent nachvollziehbar, welche konkreten inhaltlichen Konsequenzen aus dem Greenwashing-Skandal gezogen worden sind.“
Link: Gegenantrag des Dachverbands Kritische Aktionärinnen und Aktionäre
Kontakte:
Julia Dubslaff, Finanz-Campaignerin, urgewald, julia.dubslaff[at]urgewald.org,
Frederike Potts, Projektkoordinatorin, Facing Finance, f.potts[at]facing-finance.org
Marie Kuhn, Finanzexpertin, Greenpeace, mkuhn[at]greenpeace.org
Tilman Massa, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dachverband[at]kritischeaktionaere.de, (+49) 221 5995647
[1] Gemeint ist die aktive Ansprache von investierten Unternehmen, um ihre Umwelt-, Klima- oder Menschenrechtsbilanz zu verbessern.
[2] https://datenbank.faire-fonds.info/funds?kag=DWS; recherchiert wurden die Investitionen in Öl- und Gasunternehmen, die in der von urgewald gepflegten Datenbank „Global Oil and Gas Exit List“ (GOGEL) zu finden sind. Dies ist die umfassendste öffentliche Datenbank zur globalen Öl- und Gasindustrie.