„Hugo Boss macht hohe Gewinne, aber lässt diejenigen nicht daran teilhaben, die die Kleidung für das Unternehmen nähen“: Stellungnahme von Dr. Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende FEMNET

Dr. Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von FEMNET, bei ihrer Rede auf der virtuellen Hauptversammlung der Hugo Boss AG 2024

1. Soziale Gerechtigkeit in der Lieferkette- Audits:

Die Nachhaltigkeitsstrategie von Hugo Boss nennt fünf Handlungsfelder, alle beziehen sich auf Umweltaspekte. Es gibt nicht ein einziges soziales Nachhaltigkeitsziel. Es ist höchst kritikwürdig, dass Hugo Boss Nachhaltigkeit so einseitig sieht und ein Engagement für soziale Nachhaltigkeit offenbar geringschätzt. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass Hugo Boss zwar hohe Gewinne gemacht hat, daran aber diejenigen nicht teilhaben lässt, die die Kleidung für das Unternehmen nähen. Die Aktionär*innen kommen in den Genuss von höheren Ausschüttungen, die Näherinnen erhalten weiterhin keine existenzsichernde Löhne bei den Lieferanten von Hugo Boss.

In seinem Nachhaltigkeitsbericht nennt Hugo Boss immer noch Sozialaudits als das Instrument, mit dem die Sozialverträglichkeit seiner Produzenten bewertet wird. Dabei ist allgemein bekannt, dass Sozialaudits in der Regel nicht die wirklichen Probleme (wie z.B. keine Organisationsfreiheit, sexuelle Belästigung) in einer Fabrik feststellen. Kritikwürdig sind folgende Aspekte:

    • Nur drei Prozent aller Audits sind unangekündigt, d.h. 97 Prozent werden vorher angekündigt, so dass eine Fabrik sich auf ein Audit vorbereiten kann. Auf diese Weise können selten Probleme festgestellt werden.

    • Bei den 55 durchgeführten Audits im Jahr 2023 wurden acht Verstöße festgestellt, insbesondere exzessive Arbeitszeiten. Gleichzeitig schreibt Hugo Boss, dass es keine schwerwiegenden Verstöße wie Zwangsarbeit gab. Exzessive Arbeitszeiten können aber als Zwangsarbeit verstanden werden, wenn nämlich wegen eines hohen Produktionsdruckes massive Überstunden gemacht werden müssen. Sie sind faktisch nicht freiwillig, denn die Beschäftigten verlieren ihre Arbeit, wenn sie sie nicht machen.

    Darüber hinaus fehlen im Nachhaltigkeitsbericht wesentliche Informationen:

    • Kein Hinweis, ob Befragung von Arbeiterinnen außerhalb der Fabrik geschehen und ob vertrauensvolle Personen (NGOs, Gewerkschaften), denen Beschäftigte trauen, diese durchführen

    • Kein Hinweis darauf, ob die Audits gendersensibel sind

    2. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz:

    Die Berichterstattung zur Umsetzung des LkSG ist äußerst allgemein gehalten. Es wird das Verfahren beschrieben, aber nicht die Ergebnisse. Es fehlen Informationen zu den Ergebnissen der durchgeführten Risikoanalyse wie:

    • den Ländern, in denen Hugo Boss ein erhöhtes Risiko bei seinen Lieferanten festgestellt hat

    • Den Bereichen, in denen die erhöhten Risiken pro Land, festgestellt wurden

    • Den Maßnahmen, die das Unternehmen daraufhin unternommen hat

    • Der Anzahl der Lieferanten, die daraufhin einen Corrective Action Plan erstellen mussten

    • Laut LkSG muss ein effektives Beschwerdesystem eingerichtet sein. Es ist fraglich, ob die Zugänglichkeit des Beschwerdeverfahrens für Beschäftigte gemäß den Vorgaben des BAFA auch überall gewährleistet ist. Hugo Boss hat diverse Kanäle für Beschwerden wie Ombudsmann, compliance Abteilung, FLA, Betriebsrat, Incident Liste des Textilbündnisses. Es wird nirgendwo erwähnt, wie viele Beschwerden über welche Kanäle im letzten Jahr eingereicht wurden.

    3. Existenzsichernde Löhne:

    Auf meine Frage nach Zahlung von existenzsichernden Löhnen auf der HV 2022 antwortete Hugo Boss, dass es ein Pilotprojekt mit Produzenten in Bangladesch, Vietnam, Sri Lanka im Juli 2022 beginnen will. Hierzu gibt es keinerlei Informationen mehr, auch nicht ob in einem Produktionsland von Hugo Boss ein existenzsichernder Lohn an die Arbeiter*innen gezahlt wird.

    4. Türkei:

    Ihr Lieferant Özak Textil Wie wir Hugo Boss informiert haben, waren die Beschäftigten bei Ihrem Lieferanten Özak Textil Druck, Mobbing, Drohungen, Zwangsarbeit von bis zu 18 bis 20 Stunden am Tag, u.ä. ausgesetzt. Aus Protest traten 500 Beschäftigte (von 700) einer Gewerkschaft bei.

    Nachdem eine Gewerkschaftsaktivistin aufgrund ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft entlassen worden war, solidarisierten sich knapp 450 Beschäftigte mit der Kollegin. Der Arbeitskampf ist beendet worden. Es gab außergerichtliche Abfindungen, aber die 376 Streikenden haben ihren Arbeitsplatz verloren. 24 Kolleg*innen führen noch Kündigungsschutzklagen.

    Auch wenn Hugo Boss nicht in der Fabrik in Sanliurfa produzieren lässt, so unterhält Hugo Boss doch gute Beziehungen zum Unternehmen Özak seit 12 Jahren und lässt in einer anderen Fabrik des Unternehmens produzieren. Hugo Boss muss seiner Verpflichtung im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes nachkommen und sich für das Recht auf Organisationsfreiheit bei seinem Lieferanten einsetzen.

    5. Ihr Lieferant: Lanka Leathers in Sri Lanka

    Seit drei Jahren kämpfen die Beschäftigten in der Fabrik Lanka Leather Fashion um das Recht, sich gewerkschaftlich organisieren zu dürfen. Die Bedingungen in der Fabrik Lanka Leather sind hart. Die Beschäftigten berichten, dass sie unter Druck gesetzt werden, um unrealistische Produktionsziele zu erreichen, dass sie nicht genügend Pausen haben, um auf die Toilette zu gehen und dass sie keine kostenlose Mahlzeit erhalten, wie es das Gesetz vorschreibt. Um gegen diese Bedingungen vorzugehen, gründeten die Beschäftigten eine Gewerkschaft.

    Die Unternehmensleitung von Lanka Leather weigert sich, die Gewerkschaft anzuerkennen und sich mit ihren Vertretern zu treffen. Seit März 2021 wurden mehrere Beschäftigte, die mit der Gewerkschaft in Verbindung stehen, entlassen, es handelt sich hier ganz offenbar um Behinderung und Einschüchterung. Da ihre Forderungen auf taube Ohren stießen, wandten sich die Beschäftigten an Hugo Boss. Zwischen der Gewerkschaft und Hugo Boss wurden mehrere Briefe ausgetauscht. Der Fall wurde auch beim Deutschen Textilbündnis eingereicht. Bis heute hat Hugo Boss keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen, um Lanka Leather zur Anerkennung der Gewerkschaft zu drängen.

    6. Virtuelle HV:

    Ich unterstütze die Stellungnahme von Herrn Heidinger hinsichtlich der Durchführung einer virtuellen HV statt einer physischen. Eine virtuelle HV schränkt die Rechte von Aktionär*innen ein, ein direkter Dialog ist nicht möglich. Es ist kein Zeichen für Offenheit von Seiten Hugo Boss.

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