Fossile Gasprojekte, Wasserstoff, Klimaschutz und völkerrechtswidrige Windparks in der Westsahara: Unsere Fragen an den Vorstand von Siemens Energy

In unseren Gegenanträgen kritisieren wir, dass derr Vorstand der Siemens Energy AG seiner Verantwortung zur Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht gerecht wird, weil sich der Konzern weiterhin an besonders klimaschädlichen Energieprojekten beteiligt.

Fragen zu Treibhausgasemissionen und Klimaschutzstrategie

  • Herr Dr. Bruch, in Ihrer vorab veröffentlichten Rede haben Sie angekündigt, schnellstmöglich von Kohle auf Gas umzusteigen; dass Gaskraftwerke die Emissionen gegenüber dem Einsatz von Kohle nahezu halbieren könnten. Doch für effektiven Klimaschutz müssen wir nicht nur die Emissionen einzelner Kraftwerke ansehen, sondern die gesamten Emissionen, die bei Gewinnung, Transport und Verbrauch von fossilem Gas entstehen. Fossiles Gas ist zum Teil ähnlich klimaschädlich wie Kohle, gerade wenn es sich um Flüssigas (LNG) handelt, das per Fracking gewonnen wurde und lange Transportwege mit Methanlecks bis zum Kraftwerk hat. Haben Sie auch Gewinnung und Transport von fossilem Gas für Ihre Aussage, dass Gaskraftwerke die Emissionen gegenüber dem Einsatz von Kohle nahezu halbieren könnten, mitberücksichtigt?
  • Teilen Sie diese Auffassung des Umweltbundesamtes, dass aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten ein verstärkter Einsatz von LNG nicht begründbar ist?
  • Welche Rolle spielt LNG in Ihrer Klimastrategie?
  • Der Konzern Total berichtet, dass er mit Siemens Energy an kohlenstoffarmem LNG arbeitet. Wie definiert Siemens Energy „kohlenstoffarmes LNG“?
  • Bis wann planen Sie, dass durch die Nutzung Ihrer Produkte netto keine Treibhausgasemissionen zulasten des Klimas mehr entstehen sollen?
  • Werden Sie Klimaziele zur Senkung der aller Scope-3-Emissionen (samt Emissionen aus der Nutzung Ihrer verkauften Produkte) nennen können, die mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens kompatibel sind?
  • Während der COP26 in Glasgow hat Deutschland die Erklärung zur internationalen öffentlichen Finanzierung zum Übergang zu sauberer Energie unterzeichnet. Darin verpflichtet sich die Regierung dazu, den internationalen Energiesektor mit unverminderter Nutzung fossiler Brennstoffe ab Ende 2022 nicht mehr mit direkten öffentlichen Mitteln zu fördern, außer in begrenzten und klar definierten Fällen, die mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C und den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sind (“end new direct public support for the international unabated fossil fuel energy sector by the end of 2022, except in limited and clearly defined circumstances that are consistent with a 1.5°C warming limit and the goals of the Paris Agreement”). Hat diese Erklärung potentielle Auswirkungen auf die fossilen Gasaktivitäten von Siemens Energy auf internationaler Ebene?

Fragen zur Beteiligung an fossilen Energieprojekten

  • In wie vielen und welchen Kohlekraftwerksprojekten ist Siemens Energy aktuell beteiligt?
  • In wie vielen und welchen Gaskraftwerksprojekten, LNG-Projekten und Gasförderungsprojekten ist Siemens Energy aktuell beteiligt bzw. plant eine Beteiligung?
  • Ist Siemens Energy derzeit an Ölförderungsprojekten beteiligt bzw. plant eine Beteiligung? Wenn ja, um welche Projekte handelt es sich?
  • Haben Sie konkrete und transparente Ausschlusskriterien für potentielle Projektbeteiligungen im Bereich der fossilen Energien jenseits der Kohle, also z.B. bei fossilem Gas und Erdöl? Wenn ja, wie lauten diese? Wenn nicht, sind solche Kriterien geplant?
  • Zu Russland: Herr Dr. Bruch, Sie hatten angekündigt, an einem für Anfang März geplantes Gespräch deutscher Wirtschaftsvertreter mit dem russischen Präsidenten teilzunehmen. Angesichts der russischen Aggression in der Ostukraine: Haben Sie weiterhin vor, sich mit Präsident Putin zu treffen?
  • Beabsichtigt Siemens Energy trotz möglicher Wirtschaftssanktionen gegen NOVATEK PAO weiterhin, sechs BOG-Kompressoren, und drei Feedgas-Booster-Kompressoren an Arctic LNG 2 zu liefern? Auch wenn keine deutsche Exportbürgschaft erteilt wird?
  • Hat Siemens Energy Bürgschaften oder sonstige Unterstützung für seine Zulieferungen zu dem Projekt beantragt, wenn ja, wo?
  • Bangladesch: Bitte nennen Sie alle Verträge, die Siemens Energy seit 2015 in Bangladesch abgeschlossen hat (inklusive derer, die Siemens Energy von Siemens übernommen hat).
  • Wie hoch ist die Gesamtkapazität, die sich aus allen Verträgen in Bangladesch ergibt?
  • Wie weit ist das Payra LNG-to-Power-Projekt gediehen? Hat das von Siemens Energy und NWPGCL gegründete Joint Venture eine endgültige Investitionsentscheidung getroffen?
  • Was sagt Siemens Energy zu den Vorwürfen örtlicher Landwirte, dass es im Zusammenhang mit dem Projekt zu Landraub kommt und die Rechte indigener Gruppen durch das Landerwerbsprogramm des Projektes und den Bau des Hafens von Payra verletzt werden? (https://www.thedailystar.net/frontpage/farmlands-near-payra-peril-1293292; https://hillvoice.net/restoration-of-land-places-of-worship-and-crematoriums-of-rakhaine-be-ensured-citizen-delegation/)
  • Vietnam: Ist Siemens Energy in EVC’s Mui Ke Ga LNG-to-Power Projekt involviert? Wenn nicht, plant Siemens Energy einen Einstieg? Hält Siemens Energy Anteile an dem Projekt? (https://www.offshore-energy.biz/siemens-b-grimm-join-ecv-on-lng-to-power-project-in-vietnam/)
  • Myanmar: Ist das Kanbauk-Projekt in Myanmar noch in Planung und wird weiter entwickelt? Beteiligt sich Siemens Energy daran?
  • Ist Siemens Energy an anderen Projekten in Myanmar beteiligt und wenn ja, an welchen?
  • Israel: Wie ist der Status der Gaskraftwerksprojekte Kesem und Reindeer/Meeting of Peace in Israel?
  • Haben Siemens Energy und seine Partner die Genehmigung der Regierung zum Bau der Kraftwerke erhalten? Hat Siemens Energy die Finanzierung für den Bau der Kraftwerke sichergestellt?
  • Bitte nennen Sie alle Verträge, die Siemens Energy in Israel seit 2015 abgeschlossen hat (inklusive derer, die Siemens Energy von Siemens übernommen hat)?
  • Wie hoch ist die Gesamtkapazität, die sich aus allen Verträgen ergibt?
  • Warum hat sich Siemens Energy für eine Partnerschaft mit Phoenix Ltd. entschieden, um das Kraftwerk Reindeer zu bauen?
  • Brasilien: Wann wird der finanzielle Abschluss des LNG-to-Power-Projekts GNA II (Gas Natural Acu) erwartet?
  • Ist es Siemens Energy gelungen, sich (finanzielle) Unterstützung von KFW-Ipex und Euler Hermes für GNA II zu sichern?
  • Woher soll das Gas für die Stromerzeugung im Rahmen des LNG-to-Power-Projekts GNA I und II importiert werden?
  • Haben Sie vorab eine umwelt- und menschenrechtliche Risikoanalyse dieses Projekts durchgeführt? Wenn ja, nach welchen Kriterien und mit welchem Ergebnis? Falls nicht, warum nicht?

Fragen zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten

  • Ab nächstem Jahr müssen Sie gemäß Sorgfaltspflichtengesetz (Lieferkettengesetz) vorbeugend gegen menschenrechtliche Verstöße im Rahmen Ihrer Auslandsgeschäfte bzw. bei Ihren Zulieferern vorgehen. Was haben Sie konkret dazu an Ihren bisherigen Aktivitäten zur Erfüllung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten geändert?

Fragen zu Siemens Gamesa und Windparks in den besetzten Gebieten der Westsahara

Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE), mehrheitlich im Besitz von Siemens Energy, hat im vergangenen Jahr Windräder für den Windpark Boujdour im Kriegsgebiet der völkerrechtswidrig von Marokko besetzten Westsahara geliefert. Andererseits hat das Europäische Gericht (EuG) mit seinem Urteil vom 29. September 2021 Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko annulliert, da diese ohne die Zustimmung des Volkes der Westsahara dessen Selbstbestimmungsrecht verletzen.

  • Welche Relevanz haben nach Ansicht von Siemens Energy die folgenden Kernaussagen des Urteils für seine Aktivitäten und die seiner Tochterunternehmen in der Westsahara und wie begründen Sie dies?
  1. die Westsahara hat einen gegenüber Marokko gesonderten und unterschiedlichen Status und dem Volk der Westsahara wird das Selbstbestimmungsrecht zuerkannt [T‑279/19, ECLI:EU:T:2021:639, Rn. 301 bzw. Rn. 92]
  2. die Einbeziehung der Westsahara in Wirtschaftsabkommen bedarf der Zustimmung des Volkes der Westsahara [T‑279/19, ECLI:EU:T:2021:639, Rn. 194]
  3. die Zustimmung des Volkes der Westsahara kann nicht durch jene der örtlichen (größtenteils marokkanischen) Bevölkerung ersetzt werden [T‑279/19, ECLI:EU:T:2021:639, Rn. 337 und 371]
  4. der Frente Polisario wird die Repräsentativität für das Volk der Westsahara im Rahmen der Wirtschaftsabkommen zuerkannt [T‑279/19, ECLI:EU:T:2021:639, Rn. 108]

  • Hat Siemens Energy oder seine Tochterunternehmen die Zustimmung des Volkes der Westsahara über seine vom EuG und der UNO anerkannten Vertretung Frente Polisario für die Lieferung, Installation, Inbetriebnahme und Wartung des o.g. Windparks eingeholt?

Des Weiteren bitten wir um Klarstellung bei Fragen, die in Bezug auf Aussagen von Siemens Energy auf der Hauptversammlung 2021 aufgetreten sind:

  • „SGRE hat sich mit den in der Region anwesenden, sahrauischen Vertretern auseinandergesetzt. Siemens Gamesa Renewable Energy hat keine Gespräche mit politischen Vertretern außerhalb der Regierung geführt. Es ist nicht die Aufgabe von SGRE, sich in politische Debatten einzumischen und politische Zustimmung für das Windparkprojekt zu suchen.“ Auf welche „sahrauischen Vertreter“ bezieht sich die o.g. Aussage?
  • Ist Siemens Energy bzw. SGRE auch nach o.g. Urteil des EuGs der Meinung, sich in Bezug auf seine Aktivitäten nur an Behörden der marokkanischen Besatzungsmacht wenden zu müssen und keine Zustimmung des Volkes der Westsahara einholen zu müssen?
  • „Wir sind entschlossen, die Entwicklungen auf dem Gebiet der Menschenrechte fortzusetzen und zu überwachen.“ Auf Basis welcher Quellen, abgesehen von marokkanischen Behörden, überwacht Siemens Energy die Menschenrechte in der Westsahara?
  • Inwieweit stuft Siemens Energy Aussagen staatlicher Behörden der Besatzungsmacht Marokko als glaubwürdig und neutral ein?
  • „Im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker hindert die Installation und der Betrieb eines Windparks die lokale Bevölkerung nicht an diesem Recht (…)“ Der EuG unterstrich die Notwendigkeit der Zustimmung des Volkes der Westsahara zu den Abkommen, nicht der „lokalen Bevölkerung“, die größtenteils nicht zum Volk der Westsahara gehört. Wieso bezieht sich Siemens Energy auf die lokale Bevölkerung?
  • Laut des genannten Urteils des EuGHs „wirft das streitige Abkommen [zwischen der EU und Marokko] nicht nur Handels- oder Zollfragen auf, sondern auch eine besondere Frage territorialer Natur…“ und stellt fest, dass die Vertretung des Volkes der Westsahara durch die Frente Polisario für diese Abkommen notwendig für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes ist [T‑279/19, ECLI:EU:T:2021:639, Rn. 207]. Warum ist laut Siemens Energy dies nicht für ein Windparkprojekt notwendig?
  • „Das im Februar 2020 überprüfte externe Rechtsgutachten in Übereinstimmung mit dem Bekenntnis der Siemens Gamesa Renewable Energy zu den UN- Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen hat erneut die Position der SGRE zur Konformität seiner Aktivitäten in der Westsahara mit geltendem Recht bestätigt.“ Wird Siemens Energy dieses Rechtsgutachten den Aktionär:innen zur Verfügung stellen? Wenn nicht, wieso?
  • Wer hat dieses Rechtsgutachten erstellt?
  • Was ist nach Meinung von Siemens Energy das „geltende Recht“?

Fragen zur Beteiligung an Wasserstoffprojekten

  • Siemens Energy hat angekündigt, sich am Bau mehrerer Kraftwerke zu beteiligen, die teilweise oder vollständig mit Wasserstoff befeuert werden sollen. Um wie viele Kraftwerke handelt es sich? Wo befinden sie sich?
  • Was bedeutet „wasserstofftaugliche Turbinen“? Können diese Turbinen heute bereits mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden oder nur mit einer Mischung? Wenn letzteres, bis zu welchem Prozentsatz kann Wasserstoff beigemischt werden? Wenn sie zusätzlich umgerüstet werden müssen, wie viel kostet das?
  • Verändert der Betrieb der Turbinen mit Wasserstoff die Kosten oder die Effizienz im Vergleich zu fossilem Gas?
  • Wie wirkt sich die Nutzung einer wasserstofftauglichen Turbine im Falle des Gaskraftwerks Temane in Mosambik auf die Kosten aus? Gibt es einen Kostenunterschied zwischen der Installation der effizientesten fossilen Gasturbine und wasserstofftauglicher Turbinen?

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