„Stellen Sie sich Ihrer historischen Verantwortung wegen der Kollaboration von Scania mit der brasilianischen Militärdiktatur!“: Rede von Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Christian Russau und ich bin Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionär*innen aus Köln.

Das Motto von Traton kommt groß daher: „TRATON: Nachhaltige Zukunft der Logistikbranche“! Weiter bewerben Sie sich selbst, die Traton Group verfüge über „über einzigartige Fähigkeiten, um die Zukunft des Transportwesens zu gestalten und unsere Marken und deren Kunden in die Lage zu versetzen, die Transportbranche zu verändern und von diesen Veränderungen zu profitieren.“

Na, wenn Sie so „einzigartig“ sind, dann ist Ihre Mitverantwortung für Bekämpfung der Klimakrise ja wohl auch „einzigartig“! Und dies schließt logischerweise auch Übernahme von Mitverantwortung für die bereits in der Vergangenheit durch die Traton Group getätigten Klimagas-Emissionen mit ein. Denn so wie RWE gerade in einem historischen Prozess vor dem Oberlandesgericht in Hamm steht, um gerichtlich die historische Mitverantwortung der RWE für die Klimakrisenfolgen steht, so wäre es dann doch logischerweise endlich auch an der Zeit, in Bezug auf Traton davon zu sprechen. Ich frage Sie: Verfolgen Sie den Prozess gegen RWE vor dem Oberlandesgericht in Hamm? Ich frage Sie des Weiteren: Bitte nennen Sie mir die Ihnen bekannten Zahlen für Scope 1, Scope 2 und Scope 3 im historischen Rückblick Ihrer Firma, inklusive Ihrer Tochterfirmen und deren historischen Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Zahlen.

Traton sagt, das Unternehmen habe sich das „Ziel gesetzt, dass bis 2030 in den relevanten Regionen (EU27+3, USA und Kanada) rund die Hälfte unserer jährlichen Neuverkäufe emissionsfreie Fahrzeuge sind“ und dass „Die TRATON GROUP setzt auch auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft“. Schöne Worte. Immerhin haben Sie ja nun im Geschäftsbericht zu 2024 Ihre Treibhausgas-Emissionen (in tCO 2 -eq) nun endlich auch für Scope 3 drin (kleines Lob dafür, kleine Schritte bringen den Laster dann vielleicht auch irgendwann ins Ziel), allein bei Scope 3 kommen da stattliche 354.590.885 tCO2-eq zusammen. Sie verstehen wohl, dass diese Zahl viel, viel zu hoch ist, Sie müssen dort schnellstens runterkommen!

Vielleicht werden Sie sich wundern, aber es gibt ausnahmsweise heute noch ein kleines Lob: Ihre im Geschäftsbericht auf Seite 245 dargelegte neue Identifizierung der „drei Joint Impact Areas: Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Menschenrechte“ finde ich erst einmal gut. Denn leider werden Menschenrechte als Querschnittsthema allzu oft als bloßes Bekenntnis unter Bezug auf internationale Normen, Verträge, Erklärungen und Deklarationen affirmiert, ohne das klar ersichtlich würde, wie konkret die Achtung, der Schutz und die Gewährleistung der Menschenechte in der gesamten den Konzern betreffenden Upstream- und Downstream-Lieferkette garantiert werden.

Ich hoffe (und erwarte und fordere das natürlich auch“), dass Sie dort im nächsten Jahresbericht – oder vielleicht sogar heute schon hier auf der Hauptversammlung? – etwas konkreter werden, wie der Dreiklang aus Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Menschenrechte für Traton konkret darstellt? Am besten natürlich an einem konkreten Beispiel. Des Weiteren erwarte ich von Ihnen heute eine klare affirmative Ansage in Bezug auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das allzuoft wider besseres Wissen und jenseits der Realität als „Bürokratiemonster“ diffamiert wird. Ich erwarte von Ihnen heute und hier eine klare Aussage dazu.

Nächster Punkt: Die menschenrechtliche Verpflichtung von TRATON schließt natürlich auch die Übernahme von Verantwortung für Fragen wie die Kollaboration der Traton-Tochter Scania mit der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) Brasilien mit ein. Dazu hatten wir Ihnen im vergangenen Jahr eine Reihe von Belegen und Hinweisen gegeben und Traton aufgefordert, zu folgenden Fragen Stellung zu beziehen: (Die ich hier zitiere https://www.kritischeaktionaere.de/traton/sind-ihre-plaene-mit-den-neuen-eu-vorgaben-zur-emissionsreduktion-kompatibel-rede-von-tilman-massa/ , die ich aber hier noch einmal explizit widerhole und noch einmal stelle:

    „• Wann werden Sie sich zu Ihrer Verantwortung gegenüber der brasilianischen Gesellschaft bekennen und um Entschuldigung bitten?
    • Werden Sie eine unabhängige, wissenschaftlichen Untersuchung der Verstrickung von Scania in die Verbrechen der brasilianischen Militärdiktatur in die Wege leiten? Wenn ja, wie genau? Wenn nicht, aus welchen Gründen?
    • Halten Sie etwa die bisherige Aufarbeitung als ausreichend? Wenn ja, aus welchen Gründen?
    • Werden Sie Entschädigungszahlungen prüfen? Wenn ja, wie sähe das Verfahren dazu aus? Wenn nicht, aus welchen Gründen?“

Scania Brasilien hat unter dem damaligen Scania-Brasilien-Präsidenten João Baptista Leopoldo de Figueiredo mit der brasilianischen Militärdiktatur kooperiert, kollaboriert und diese aktiv unterstützt. Die Vorwürfe reichen bis hin zur Geldsammlung zur Finanzierung der Folterzentren. Des Weiteren hat Scania Brasilien aktiv an der Ausspitzelung der Belegschaft (mit-)gearbeitet, sogenannte „dreckige“ Liste der Beschäftigten erstellt und diese an die Repressionsorgane der Militärdiktatur weiter gereicht, so dass die Personen auf diesen „dreckigen“ Listen schikaniert wurden, teils entlassen wurden und keine Anstellungen mehr fanden oder gar der Repression ausgesetzt wurden, teilweise bis hin zu Folter und Ermordung.

Die beiden JournalistInnen Eduardo Reina und Maria Angélica Ferrasoli haben in den vergangenen drei Tagen ihre dreiteilige Hintergrundstudie zu “A Scania e a ditadura brasileira” auf dem brasilianischen Nachrichtenportal Opera Mundi veröffentlicht, basierend auf dem in wenigen Tagen bei dem Verlag Alameda erscheinenden Buch „Repressão Sociedade Anônima“.

Hier die URL-Links zur Recherche von Eduardo Reina und Maria Angélica Ferrasoli:
https://operamundi.uol.com.br/especial/scania-agiu-para-impedir-que-bispo-brasileiro-recebesse-nobel-da-paz/
https://operamundi.uol.com.br/especial/scania-incluiu-trabalhadores-de-greve-liderada-por-lula-na-lista-suja-e-colocou-espiao-em-assembleias/
https://operamundi.uol.com.br/especial/scania-bilhete-desencadeou-perseguicao-a-metalurgico/

Diese dort geschilderten Fälle zeigen die Kollaboration von Scania, die Repression, die Missachtung von Arbeitsrechten, das Ausspionieren, die Verletzung von Menschenrechten. Ich fordere Sie auf: Studieren Sie diesen Bericht ganz genau. Und stellen Sie sich endlich Ihrer historischen Verantwortung, denn Menschenrechte sind unteilbar, nicht verhandelbar und die Verletzung derselben verjährt nicht.

Ich fordere Sie also hiermit erneut auf, Stellen Sie sich als Traton und Scania Ihrer historischen Verantwortung! ich frage Sie: Werden Sie eine unabhängige historische Untersuchung in Auftrag geben? Werden Sie in aller Offenheit auf die Betroffenengruppen, auf die zu dem Thema seit Jahren arbeitenden HistorikerInnen, auf die Menschenrechtsgruppen zugehen und das Gespräch suchen? Basis desselben sollte natürlich erst einmal das Zuhören sein, das gebietet der Anstand und der Respekt vor den historischen Opfern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Mündliche Antworten vom CEO TRATON SE, Herrn Christian Levin, zum Vorwurf der Kollaboration von Scania Brasil mit der brasilianischen Militärdiktatur:

„Herr Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionäre, Sie fragten, ob TRATON eine Untersuchung der möglichen Verstrickung von Scania in die Verbrechen der brasilianischen Militärdiktatur in die Wege leiten wird. Sie fragen weiter, ob wir die bisherige Aufarbeitung als ausreichend betrachten und wenn ja?: aus welchen Gründen? Weiterhin fragen Sie, ob wir Entschädigungszahlungen prüfen.

Vielen Dank, dass Sie uns die Informationen auf Ihrer Webseite zur Verfügung gestellt haben, welche wir wie zugesagt und im Einklang mit unseren Unternehmensrichtlinien entsprechend geprüft haben. In diesem Zusammenhang können wir Sie über Folgendes informieren: TRATON und Scania nehmen Vorwürfe historischer Menschenrechtsverletzungen sehr ernst. Wir haben einen internen Überprüfungsprozess durch eine spezielle Taskforce eingeleitet, um die Vorwürfe gegen Scania in Brasilien und mögliche Verbindungen zu den Ereignissen während der Zeit der Militärdiktatur in den Jahren 1964 bis 1985 zu untersuchen. Diese Task Force arbeitet daran, alle verfügbare Dokumente zusammen und Personen zu konsultieren, die im relevanten Zeitraum für Scania in Brasilien gearbeitet haben Auf der Grundlage dieser Bewertung fand die Taskforce keine Nachweise dafür, dass Scania als Unternehmen an einer illegalen Überwachung seiner Mitarbeiter beteiligt war oder direkt mit den brasilianischen Sicherheitskräften zusammenarbeitete. Unser Ziel war es, die Vorwürfe systematisch und strukturiert gründlich zu überprüfen. Im Einklang mit unserer Unternehmensrichtlinie bestand unser erster Schritt darin, eine gründliche, interne Überprüfung durchzuführen, um alle verfügbaren internen Informationen von Scania im Brasilien Während dieses Zeitraums zu sammeln und zu bewerten.

Ziel dieser internen Überprüfung war es, eine sachliche Grundlage aus unseren Unterlagen zu schaffen. Die interne Untersuchung konnte nicht bestätigen, dass Scania als Unternehmen illegale Überwachung betrieben hat, direkt mit den Sicherheitskräften zusammengearbeitet hat oder Repressionszentren finanziert hat. Wir sagen aber zu, zusätzliche oder neue Informationen zu prüfen, die das Handeln von Scania als Unternehmen mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung bringen könnten. Wir stehen für demokratische Werte, Transparenz und Verantwortung und setzen uns weiterhin für einen konstruktiven Dialog mit der Zivilgesellschaft und allen relevanten Interessengruppen zu diesen wichtigen Themen ein.

Herr Christian Russau von den Kritischen Aktionären, Sie fragten auch, ob wir eine unabhängige historische Untersuchung in Auftrag geben werden. Sie fragen weiterhin, ob wir auf Betroffenen-Gruppen, auf HistorikerInnen- und Menschenrechtsgruppen zugehen werden und das Gespräch suchen werden. Im Einklang mit unserer Unternehmensrichtlinie bestand unser erster Schritt darin, eine gründliche interne Überprüfung durchzuführen, um alle verfügbaren internen Informationen von Scania in Brasilien aus diesem Zeitraum zu sammeln und zu bewerten. Es wurden weiterhin Gespräche mit Personen geführt, die zu dieser Zeit bei Scania beschäftigt waren und über Kenntnisse zu dieser Zeit verfügen. Die interne Untersuchung konnte nicht bestätigen, dass Scania als Unternehmen illegale Überwachung betrieben hat, direkt mit den Sicherheitskräften zusammengearbeitet hat oder Repressionszentren finanziert hat.

Wir sagen aber zu, zusätzliche und neue Informationen zu prüfen, die das Handeln von Scania als Unternehmen mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindungen bringen könnten. Zu diesen Informationen könnten unter anderem Erfahrungsberichte von Betroffenen gehören. Sollten solche neuen Erkenntnisse auftauchen, werden wir die geeigneten nächsten Schritte prüfen. Wir sind offen für einen konstruktiven Dialog mit allen relevanten Interessengruppen, so diesem wichtigen Thema.

Versão em português das respostas do CEO da TRATON SE, Sr. Christian Levin:

Respostas orais do Diretor-Geral da TRATON SE, Christian Levin, sobre a acusação de que a Scania Brasil colaborou com a ditadura militar brasileira:

„O senhor Christian Russau, da Dachverband der Kritischen Aktionäre, perguntou se a TRATON vai iniciar uma investigação sobre o possível envolvimento da Scania nos crimes da ditadura militar brasileira. Perguntou também se consideramos suficiente a investigação efectuada até à data e, em caso afirmativo, por que razões? Pergunta também se estamos a considerar o pagamento de indemnizações.

Agradecemos o fato de nos ter fornecido as informações do seu sítio Web, que verificámos como prometido e de acordo com as diretrizes da nossa empresa. Neste contexto, podemos informá-lo do seguinte: A TRATON e a Scania levam muito a sério as alegações de violações históricas dos direitos humanos. Iniciámos um processo de revisão interna através de um grupo de trabalho especial para investigar as alegações contra a Scania no Brasil e possíveis ligações aos acontecimentos durante o período da ditadura militar de 1964 a 1985.

Com base nesta avaliação, a task force não encontrou provas de que a Scania, enquanto empresa, estivesse envolvida na vigilância ilegal dos seus funcionários ou que cooperasse diretamente com as forças de segurança brasileiras. O nosso objetivo era investigar exaustivamente as alegações de uma forma sistemática e estruturada. De acordo com a política da nossa empresa, o nosso primeiro passo foi realizar uma revisão interna completa para recolher e avaliar todas as informações internas disponíveis da Scania no Brasil durante este período.

O objetivo desta análise interna era estabelecer uma base factual a partir dos nossos registos. A investigação interna não pôde confirmar que a Scania, enquanto empresa, se tenha envolvido em vigilância ilegal, cooperado diretamente com as forças de segurança ou financiado centros de repressão. No entanto, comprometemo-nos a investigar informações adicionais ou novas que possam ligar as acções da Scania, enquanto empresa, a violações dos direitos humanos. Defendemos os valores democráticos, a transparência e a responsabilidade e continuamos empenhados num diálogo construtivo com a sociedade civil e todas as partes interessadas sobre estas questões importantes.

Senhor Christian Russau, dos Acionistas Críticos, o Senhor também perguntou se vamos encomendar uma investigação histórica independente. Perguntou também se vamos entrar em contato com grupos de pessoas afetadas, grupos de historiadores e grupos de direitos humanos e procurar o diálogo. Em conformidade com a política da nossa empresa, o nosso primeiro passo foi efetuar uma análise interna exaustiva para recolher e avaliar todas as informações internas disponíveis da Scania no Brasil relativas a este período. Outras discussões foram realizadas com pessoas que trabalhavam na Scania na época e que têm conhecimento do período. A investigação interna não pôde confirmar que a Scania, como empresa, se envolvesse em vigilância ilegal, trabalhasse diretamente com as forças de segurança ou financiasse centros de repressão.

No entanto, concordamos em analisar informações adicionais e novas que possam ligar as acções da Scania, enquanto empresa, a violações dos direitos humanos. Estas informações poderão incluir testemunhos das pessoas afetadas. Se essas novas informações surgirem, consideraremos os próximos passos adequados. Estamos abertos a um diálogo construtivo com todas as partes interessadas sobre esta importante questão.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/traton/stellen-sie-sich-ihrer-historischen-verantwortung-wegen-der-kollaboration-von-scania-mit-der-brasilianischen-militaerdiktatur-rede-von-christian-russau/