Rede Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

schauen Sie sich doch mal dieses Photo hier an: [*zeigt ein Photo]

Ein kleines, einstöckiges Häuschen, gelegen an einer Ausfallstraße (oder Einfallstraße, je nach Blickrichtung). Da könnte auch ein Imbiß drin sein oder ein Automechaniker oder eben auch ein lokaler Allianz-Versicherungsvertreter. Naja, dem ist fast so. Hier in diesem kleinen Häuschen hat Allianz Asset Management of America L.P. seine registrierte Adresse: C/O Registered Agent Solutions, Inc. 1679 South DuPont Highway, Suite 100. Gelegen im Städtchen Dover, im schönen US-Bundesstaat Delaware. In diesem kleinen Häuschen hat die Allianz Asset Management of America L.P. im Jahr 2014 ganze 1.671.293.000 EURO Nettogewinn gemacht (siehe Allianz SE Annual Report 2014, S.110). Und die Höhe des Nettogewinns wird umso erstaunlicher, wenn man im Allianz SE Annual Report 2014 nachliest, dass die zugrundliegende Equity mit nur 801.481.000 EURO bewertet wird. Halten wir also fest: Der Nettogewinn 2014 übersteigt die Equitybewertung um mehr als das Doppelte. Erstaunlich! Da müssen ja die Wahren Helden der Arbeit für die Allianz tätig sein! 1,6 Milliarden Euro Nettogewinn in 2014 in diesem einstöckigen Häuschen. Da müssen ja richtig viele Allianz-Versicherungsvertreter drin arbeiten, in dem Häuschen.

Schauen wir es uns doch mal genauer an. Achten Sie doch mal bitte auf die Anzahl der Autos davor. Hm, eine Handvoll Autos für all diese Mitarbeiter, die dort 1,6 Mrd. EURO Gewinn erarbeitet haben? Tja, vielleicht haben die ja eine Fahrgemeinschaft gegründet – aus ökologischen Aspekten wäre das ja durchaus zu begrüßen. Aber wo arbeiten denn nun die Mitarbeiter? Tja, einstöckig ist’s, das Gebäude, aber vielleicht gibt es da ja ein oder mehrere Untergeschosse, wo die fleißigen Versicherungsvertreter drin sitzen? Schauen wir es uns doch mal genauer an. Ich habe hier eine Nahaufnahme: [*zeigt ein Photo]

Hm, da sind ja irgendwie keine Kellerfenster, na, das geht dann wohl nicht so ganz, Ihre Mitarbeiter werden ja nicht ohne Tageslicht und Frischluft dort arbeiten können. Ich frage Sie also: Wieviele Angestellte hat die Allianz denn unter dieser registrierten Adresse? Ich frage deshalb, weil diesen Helden der Arbeit (Da erbleicht ja sogar Alexei Grigorjewitsch Stachanow im Grabe…) muss ja eigentlich ein Orden von der Allianz verliehen werden.

– Oder, aber, wäre es denkbar, dass es sich dabei vielleicht eher um eine Briefkastenfirma handelt?

Der US-Bundesstaat Delaware ist scheinbar eine Adresse mit magischer Anziehungskraft für die Allianz. Ich habe mir mal die Zahlen aus dem Jahresbericht der Allianz SE in eine hübsch übersichtliche Tabelle herausgezogen, und zwar nur die Zahlen für die 29 Tochtergesellschaften der Allianz, die in Delaware, in den beschaulichen Städtchen Wilmington und Dover, ihren Sitz haben. Diese 29 Tochtergesellschaften der Allianz, die in Delaware ihren Sitz haben, haben der Allianz im Jahr 2014 einen Nettogewinn von 6,4 Milliarden EURO beschert. Aber, was ist denn das?

Der Jahresüberschuss der Allianz-Gruppe lag im Jahr 2014 weltweit bei insgesamt 6,3 Milliarden EURO. Hieße das im Umkehrschluss: Während die Tochtergesellschaften in Delaware einen Nettogewinn von 6,4 Milliarden EURO „erarbeitet“ haben, dann haben alle anderen zusammengerechnet nichts verdient? Das müssen wir uns doch glatt mal genauer anschauen! In Ihrer Erklärung auf unseren Gegenantrag lassen Sie verlautbaren: „Der Allianz Konzern nutzt Gesellschaften in Delaware nicht für Steuersparmodelle. Diese Gesellschaften unterliegen der uneingeschränkten Besteuerung in den USA. Im Wesentlichen ist dies eine „Corporate Tax“ von 35%; hinzu kommen lokale bundesstaatliche und kommunale Steuern. Im Jahr 2014 ergab sich für alle Allianz USGesellschaften ein Ergebnis vor Steuern von rd. EUR 2,7 Mrd. und eine hierauf entfallende Steuerbelastung von insgesamt rd. EUR 974 Mio. Dies ergibt einen effektiven Steuersatz von rd. 36%.“ Im Klartext heißt das: Das Ergebnis vor Steuern aller Allianz US-Gesellschaften zusammen liegt bei 2,7 Mrd. EURO. Wenn aber nun das Ergebnis der Allianz Gesellschaften in Delaware bei plus 6,4 Mrd. EURO liegt, dann heißt das – simple Arithmetik –, dass die anderen Allianz US-Gesellschaften zusammen ein Minus von 4,1 Mrd. EURO erwirtschaftet haben. Das klingt ja schon, das müssen wohl selbst die Damen und Herren vom Vorstand eingestehen, ein wenig komisch. Ist es dann nicht vielleicht eher so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerhalb Delaware die Gewinne erwirtschaften, der Gewinn aber irgendwie ganz schön schlau nach Delaware transferiert werden?

Denn lassen Sie uns doch mal kurz vergegenwärtigen, was an Delaware so besonders ist. Nicht die Angestellten dort, die sind nicht besser oder schlechter als andernorts. Der US-Bundesstaat Delaware beherbergt nahezu alle Fortune 500-Konzerne. Warum? Delaware ist eine weltweit von Konzernen überaus geschätzte Steueroase. Delaware erhebt selbst keine Steuern auf die Konzerngewinne und hat seit 1981 dieses für Kredit vergebende Institute so überaus einträgliche Modell der nicht von staatlicher Seite regulierten Zinsbeschränkungen, die ein Geberkonzern einem Nehmerkonzern auferlegen darf. Ich frage Sie: Sind im Jahr 2014 Gelder von Allianz- Gesellschaften nach Delaware geflossen, wenn ja, zu welchem Zinssatz? Wurden in 2014 wiederum Finanzmittel aus Delaware zu anderen Allianzgesellschaften außerhalb Delawares verliehen und wenn ja, zu welchem Zinssatz?

Hören Sie doch mal Ihr eigenes Zitat: „Loans to affiliated enterprises went up by € 0.3 BN to € 6.5 BN (2013: € 6.2 BN) mainly due to new funds we provided to Allianz of America Inc. in order to increase the liquidity base of this subsidiary.“ Quelle: Allianz SE Annual Report 2014 , S.91.

Wurden die irgendwie weitergereicht zu anderen Tochtergesellschaft und wenn ja; zu welchen Zins- und Verrechnungssätzen? Lief das irgendwie über Delaware? Noch eine diesbezügliche Frage: Sie sich Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie in Delaware? Das Ganze klingt ja nach einem sicherlich sehr einträglichen Geschäft im konzerninternen Verschiebebahnhof – dazu noch ohne viel Steueraufwand.

– Denken Sie nicht, dass die Allianz Steuern zahlen sollte, wie alle anderen auch? Und daran anschließend die Frage: Bestehen Geheimhaltungsvereinbarungen über transnationale Steuersparmodelle mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern etc? Nächstes Thema: Mich würde interessieren, ob die Allianz direkt oder indirekt in Eukalyptusplantagen investiert ist? Wenn ja, wie viele Hektar wo in welchen Ländern? Dann würde mich allgemeiner interessieren: An wie vielen Hektar Land hat die Allianz direkt oder indirekt Anteil (bitte nach Regionen aufteilen)? Dann würde mich zudem noch interessieren: bei wie vielen CDM-Projekten (Anzahl und Volumen, Jahr und Region) mischt die Allianz mit?

Nächstes Thema: Meine Kolleginnen und Kollegen berichten Ihnen über die Staudammproblematiken, die Sie anrichten durch Ihre verantwortungslose Versicherungspolitik bei Großstaudämmen. Meine Kolleginnen und Kollegen berichten Ihnen vom in Kürze drittgrößtem Staudamm der Welt, Belo Monte in Amazonien. Nun, es gibt da noch mehr.

Die Allianz hat auch die Rückversicherung des Staudamms Jirau am Rio Madeira übernommen, wo es im vergangenen Jahr zu den massivsten Überschwemmungen mit zehntausenden Betroffenen kam und von Gerichts wegen wurde auch dort die Umweltverträglichkeitsprüfung für mangelhaft erklärt. Nun sollte man gemeinhin davon ausgehen, dass Sie als Versicherung alle Unterlagen genauestens studieren, denn schließlich gehen ja alle Folgeschäden unsachgemäßer Überprüfungen, Untersuchungen und Planungs- und Baumängel letztlich auf Ihre Kappe.

Haben Ihre Mitarbeiter die Umweltverträglichkeitsprüfung des Staudamms Jirau gelesen, ist Ihren Mitarbeitern nicht das aufgefallen, was das Gericht hinterher feststellte, nämlich dass die Umweltverträglichkeitsprüfung unzureichend, unzulänglich, fehlerhaft war? Erklären Sie mir doch bitte: Wurde die Deckungspolice der Allianz wegen der Überschwemmungen am Rio Madeira inkraftgesetzt, sprich: wurde gezahlt? Und wenn ja, erklären Sie mir doch bitte, wie Ihre Versicherungspolitik arbeitet, wenn die Gerichte in Brasilien die Umweltverträglichkeitsprüfung für mangelhaft erklärt, das Gericht den Zusammenhang zwischen Überschwemmung und dem von Ihnen versicherten Staudamm Jirau gerichtsfest erklärt und der Wirksamkeit der Versicherungspolice? Und erklären Sie mir doch bitte: die brasilianische staatliche Energieregulierungsbehörde ANEEL hat unlängst sowohl für die Wasserkraftwerke am Rio Madeira (also u.a. Ihr versicheter Staudamm Jirau) als auch am Xingu (also Ihr versicherter Staudamm Belo Monte) Strafzahlungen wegen verspäteter und zu geringer Stromlieferungen verhängt (tja, die Nutzenschätzung gegenüber den sozialen und Umweltkosten scheint doch nicht ganz nach Ihrer Einschätzung verlaufen zu sein…), die Betreiberkonsortien müssen Strafzahlungen zahlen und zudem den verfehlten Strom nachkaufen. Da würde mich doch interessieren: Werden da Ihre Policen zum Tragen kommen müssen, sprich; zahlt die Allianz?

Nun muss ich Ihnen noch was zeigen: [*zeigt ein Dokument]

Dies ist von der Webseite des kolumbianischen Staudammbetreibers Isagen, der das Wasserkraftwerk Hidrosogamoso bauen lässt – und der lokalen Bevölkerung vor Ort wird die Lebensgrundlage entzogen, die Biodiversität vernichtet, das Ökosystem Fluss und Schwemmlandwirtschaft zunichte gemacht, alteingesessene Landrechte der Bevölkerung werden missachtet. Und wer ist mittenmang dabei? Die Allianz…

Angesichts des Engagements der Allianz bei Staudämmen und Flusszerstörung in Brasilien oder in Kolumbien, fragt man sich doch: Stecken da Profitstreben und Ignoranz gepaart mit Unwissenheit dahinter? Nun, ein Blick in die Allianz-Blätterwelt der Scheinnachhaltigkeitsberichte offenbart: Leider ist hier nicht im Sinne des Angeklagten aufgrund Unwissenheit zu entscheiden. Profitstreben – na, da brauche ich nicht lange drüber zu grübeln. Aber Ignoranz? Nun, leider offenkundig und schwarz auf weiß: Denn hier im eigenen Land, da wo Sie selbst in direkten Kontakt mit Flüssen kommen, wo Sie die Ufer frei fließender Flüsse genießen könnten, da setzen Sie sich mit Ihrer Allianz-Umweltstiftung dafür ein, die Flüsse zu renaturieren:

Sei es am Neckar, da heißt es dann bei der Allianz-Umweltstiftung: „Naturnahe Gestaltung am Neckar: Abschied von der starren Betonrinne, hin zu neuen lebendigen Ufern!“;

Sei es in Bad Säckingen: „Kanalisiert und überbaut – der Schöpfebach teilte das Schicksal vieler Stadtbäche. Ein Modellprojekt brachte ihn zurück ans Licht und der Bevölkerung mehr Lebensqualität“;

Sei es in Biberach: „Einbetoniert und teilweise unter die Erde verbannt: Jahrzehntelang bot der Ratzengraben ein eher trauriges Bild. Jetzt wurde er auf 450 Meter Länge wieder zu einem lebendigen Stadtbach umgestaltet, zu einem für Natur und Mensch gleichermaßen abwechslungsreichen Gewässer“;

Sei es in Frankfurt: „Wo früher eine vier Meter hohe Kaimauer für trostlose Atmosphäre sorgte kann man heute „Neu-Land“ betreten: Am Theodor-Stern-Kai entstand direkt am Wasser eine 800 Meter lange und 17 Meter breite öffentliche Grünfläche, die nebenbei die letzte „Park-Lücke“ im Mainuferpark schließt“;

Sei es in Leipzig: „Zur Steigerung der Lebensqualität und Verbesserung des Hochwasserschutzes wurden in der Innenstadt Leipzigs in den vergangenen Jahren viele der ehemals verrohrten Mühlgräben geöffnet. Dadurch entstanden zahlreiche attraktive Stadträume. Mit Unterstützung der Allianz Umweltstiftung holt man nun auch den letzten, etwa 400 Meter langen Abschnitt des Elstermühlgrabens ans Licht“;

Sei es an der Elbe „Mit einem länderübergreifenden Projekt im Biosphärenreservat „Mittlere Elbe“ wird nun mit Hilfe der Allianz Umweltstiftung gezeigt, wie dieser Wasserrückhalt in der Landschaft durch viele kleinere und auch größere Maßnahmen verbessert werden kann – und nebenbei neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstehen“;

Sei es in Oberbayern: „Der Karpfsee im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen soll dauerhaft als lebendiges Gewässer gesichert werden. Mit von der Partie: Die Mädchenrealschule aus dem benachbarten Schlehdorf, die das Projekt mit Aktionen und Klassenzimmer im Freien begleiten“;

Sei es im Wendland: „Zum Schutz vor Hochwasser wurden sämtlicher Kies herausgebaggert und der Gewässerlauf begradigt. Mit einem beispielhaften Renaturierungsprojekt hat die Dumme nun in Teilbereichen wieder ihre ursprüngliche Dynamik erhalten“; Sei es im Spreewald: „In Biosphärenreservaten sollen natürliche Ressourcen erhalten und eine umweltgerechte Nutzung gewährleistet werden. Im Spreewald, vor den Toren Berlins, wird dieser Ansatz seit 1990 beispielhaft umgesetzt“;

Sei es im Thüringer Wald: „Die Mittelgebirgsregion „Thüringer Wald“ wird von einer Vielzahl kleinerer Fließgewässer durchzogen. In deren Quellbächen und Bachoberläufen leben zahlreiche speziell an diesen Lebensraum angepassten Tiere und Pflanzen, wie z.B. der Feuersalamander, die Bachforelle oder das Bachneunauge. Im Rahmen des Projektes werden mit Unterstützung der Allianz Umweltstiftung Fließgewässer einschließlich ihrer Auenbereiche von der Quelle bis zur Mündung renaturiert. Ziel- und Leitart für das Vorhaben ist der Feuersalamander“;

Sei es in der Rhön: „Nicht nur Urlauber wandern gerne in der Rhön – auch Fische. Die haben es aber oft nicht leicht, weil ihnen Wehre und andere Bauwerke den Weg versperren. Mit einem Pilotprojekt zur Gewässerentwicklung wurde dies geändert“.

Das alles ist natürlich begrüßenswert – aber es gibt eben auch die Kehrseite der Medaille: Hierzulande, wo man ja selbst die schönen Flüsse und Seen genießen will, da setzt man sich für Renaturierung ein – in Brasilien, in Amazonien allemal, ja, das ist weit weg, da helfen wir kräftig mit, die Flüsse plattzumachen. Na ganz toll, meine verehrten Damen und Herren vom Vorstand der Allianz.

Letzte Frage: Hier sitzen ja eine Menge Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder der Allianz. Ich würde gerne wissen: wie viele von Ihnen wohnen mit Blick auf einen renaturierten See oder Fluss?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/allianz/rede-christian-russau-3/